Gomez schien die vorherige Debatte um seine Leistungen beflügelt zu haben. Mit dem überragenden Doppel-Torschützen und einem Bastian Schweinsteiger in Bestform wies das DFB-Team den Vize-Weltmeister in die Schranken und machte einen großen Schritt in Richtung Viertelfinale. Ein Punkt gegen die Dänen am Sonnabend würde zum sicheren Einzug in die K.o.-Runde und zum Sieg in der Gruppe B reichen. Mit dem ersten Sieg seit 32 Jahren bei einer Europameisterschaft gegen den Erzrivalen hat die deutsche Nationalmannschaft zudem eein Glanzlicht gesetzt.

Charkiw. Der zweite Sieg bei der EM war erst einige Minuten perfekt. Wieder hatte Mario Gomez getroffen, nach seinem Tor zum 1:0 gegen Portugal sogar doppelt beim 2:1-Erfolg gegen die Niederlande. Und jetzt stand der Torjäger beim ZDF vor der Kamera und sprach erstaunlich offen aus, wie brutal die vergangenen Tage nach der TV-Schelte von ARD-Experte Mehmet Scholl für ihn gewesen waren. "Das war Druck ohne Ende, auf meinen Schultern lasteten viele Hundert Kilo. Da schießt du das 1:0 gegen Portugal und denkst, du bist endlich angekommen in der Nationalmannschaft. Und dann gibt es drei Tage lang auf die Fresse. So eine Motivationsspritze brauche ich nicht. Aber die wichtigen Leute standen hinter mir, ich habe versucht, die Antwort auf dem Platz zu geben."

+++ Hummels Souveränität ist fast schon beängstigend +++

TV-Experte Mehmet Scholl hat Nationalstürmer Mario Gomez nach dessen zwei Treffern beim 2:1-Erfolg über die Niederlande im zweiten EM-Gruppenspiel gelobt: „Ich bin stolz auf Mario! Einsatz und Erfolg haben zusammengepasst“, sagte Scholl der „Bild“-Zeitung (Donnerstagsausgabe). Wenige Tage zuvor hatte der 41-Jährige den Torjäger noch wegen seiner Spielweise kritisiert. „Ich hatte zwischendrin Angst, dass er sich wund gelegen hat, dass man ihn wenden muss“, hatte Scholl trotz Gomez’ Tor nach dem 1:0 gegen Portugal gemäkelt. Gomez selbst gab am Dienstagabend im ZDF zu, dass ihn die Kritik stark belastet hatte. „Das war Druck ohne Ende. Du kriegst drei Tage nur auf die Fresse. Das ist nicht schön. Ich bin froh, dass die Wichtigen in Deutschland hinter mir standen“, sagte Gomez.

Gomez schien die Debatte beflügelt zu haben. Mit dem überragenden Doppel-Torschützen und einem Bastian Schweinsteiger in Bestform wies das DFB-Team den Vize-Weltmeister in die Schranken und machte einen großen Schritt in Richtung Viertelfinale. Ein Punkt gegen die Dänen am Sonnabend würde zum sicheren Einzug in die K.o.-Runde und zum Sieg in der Gruppe B reichen. Mit dem ersten Sieg seit 32 Jahren bei einer Europameisterschaft gegen den Erzrivalen hat die deutsche Nationalmannschaft zudem ein Glanzlicht gesetzt.

Vor 37.750 Zuschauern in Charkiw trumpfte am Mittwochabend speziell der Block von Bayern München sehr stark auf. Gomez erzielte in der 24. und 38. Minute zwei weitere blitzsaubere Tore, womit sich der 26-Jährige zusammen mit dem Russen Alan Dsagojew an die Spitze der EM-Torjägerliste setzte. Robin van Persie glückte kurz nach Gomez' Auswechslung das erste Tor für die Niederländer im Turnier (73.), doch der starke Schlussspurt der Elftal brachte nichts mehr ein.

„Die Zeit ist stehen geblieben“, sagte Doppeltorschütze Gomez über die Zitterpartie in den Schlussminuten. „Holland hat nach vorn unglaublich stark gespielt. Wir haben gegen zwei Klasseteams sechs Punkte, was wollen wir mehr.“

Löw: "Tor zum Viertelfinale weit offen“

Joachim Löw lobte seinen Topstürmer. „Mario war immer ein Kämpfertyp. Er hat schon ein paar Mal am Boden gelegen und sich immer wieder selbst hochgezogen". Der Bundestrainer wirkte extrem erleichtert. Zum erstem Mal gewann das Team auch das zweite Turnierspiel unter seiner Regie, nachdem es bei der EM 2008 und bei der WM 2010 jeweils die zweite Gruppenpartie verloren hatte. „Jetzt haben wir natürlich eine gute Ausgangsposition und das Tor zum Viertelfinale relativ weit aufgestoßen.“ Nun will Löw unbedingt den Gruppensieg, denn das würde bedeuten, dass die Deutschen im Viertelfinale in Danzig spielen könnten.

Auch Schweinsteiger, der seinen Bayern-Kollegen Gomez vor beiden Toren glänzend in Szene gesetzt hatte, blickte bereits nach vorn. „Jeder Sieg gibt einen Schub. Wir haben den zweiten Schritt getan, aber wir wollen auch gegen Dänemark gewinnen.“

Zerknirscht war dagegen Bondscoach Bert van Marwijk, der noch immer ohne Punkt dasteht. „Wir haben in der Schlussphase alles oder nichts gespielt“, sagte er. „Wir haben das Spiel nicht in der Offensive verloren.“ Ex-HSV-Profi Rafael van der Vaart vertraut vor dem holländischen „Endspiel“ gegen Portugal auf deutsche Schützenhilfe: „Wir haben noch eine Chance, wenn wir 2:0 gewinnen und Deutschland uns ein bisschen hilft.“

Phasenweise bot die deutsche Mannschaft bei 31 Grad ausgezeichneten Fußball, der zwar noch nicht das hohe Tempo wie bei der Siegesserie in der Qualifikation aufwies, zu dem aber kluge Rhythmuswechsel gehörten. Löw hatte sich für die gleiche Elf entschieden, die Portugal bezwungen hatte. Gomez erzielte herrliche Tore, Schweinsteiger schlug perfekte Pässe, in der Abwehr bildeten vor allem Holger Badstuber und Philipp Lahm gegen ihren holländischen Bayern-Kollegen ein Bollwerk, der Hüne Manuel Neuer im Kasten war einmal mehr ein starker Rückhalt. Am Ende stand der erste Sieg gegen Holland bei einem EM-Turnier seit dem 3:2 in Neapel 1980 fest. Danach hatte die Auswahl des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) zweimal verloren (1988, 1992) und sich einmal mit einem Unentschieden (2004) zufriedengeben müssen.

Schweinsteiger bereitet beide Tore vor

Zunächst machte aber der Gegner das Spiel. Van Marwijk hatte nach dem verpatzten Start mit dem 0:1 gegen die Dänen auf die Torgefährlichkeit von Arjen Robben und van Persie gesetzt. Und die beiden machten zunächst ordentlich Betrieb. Neuer musste gegen Arsenal-Stürmer van Persie retten (7.), Mats Hummels klärte gegen Ibrahim Afellay (18.).

Eine Traumkombination brachte Deutschland in Führung. Schweinsteiger bediente Gomez mit einem Zauberpass durch die Abwehrzentrale der Holländer. Gomez nahm den Ball in der Drehung mit links an, zog mit rechts zum 1:0 ab. Dann musste Maarten Stekelenburg auf der Linie retten. Mesut Özil zirkelte einen Freistoß vor das Tor, Badstuber köpfte freistehend, der Holland-Torwart klärte mit einem Reflex. Holland versuchte alles, als Wert für ihren Ballbesitz erreichten sie 61 zu 39 Prozent gegenüber den Deutschen. Doch es folgte der zweite Gegentreffer für Oranje: Ein Abschlag von Neuer kam zu Gomez, über Müller und Schweinsteiger, der einen sehr guten Steilpass schlug, kam wieder Gomez ins Spiel, der aus zwölf Metern unhaltbar ins lange Eck schoss. Van Marwijk wischte sich verzweifelt den Schweiß von der Stirn.

Zur Halbzeit brachte er Klaas-Jan Huntelaar und Rafael van der Vaart für Afellay und Mark van Bommel. Und Holland begann zu stürmen. Neuer musste gegen van Persie retten (58.), Jerome Boateng warf sich in einen Schuss von Wesley Sneijder (71.), doch kurz darauf rappelte es im Kasten von Neuer. Van Persie war endlich erfolgreich mit einem Schuss, der aus 17 Metern durch die Beine von Badstuber halbhoch zum 1:2 einschlug. Die Partie wurde nun noch einmal spannend. Boateng kassierte in der Schlussphase noch die zweite Gelbe Karte und ist damit für das letzte Gruppenspiel gegen Dänemark gesperrt. „Das ist natürlich bitter. Es war eine dumme gelbe Karte, aber das wichtigste ist, dass wir gewonnen haben“, sagte er.

Deutschland: Neuer - Boateng, Hummels, Badstuber, Lahm - Schweinsteiger, Khedira - Müller (90.+2 L. Bender), Özil (81. Kroos), Podolski - Gomez (72. Klose). Niederlande: Stekelenburg - van der Weil, Heitinga, Mathijsen, Willems - van Bommel (46. van der Vaart), de Jong - Robben (83. Kuyt), Sneijder, Afellay (46. Huntelaar) - van Persie. Tore: 1:0 Gomez (24.), 2:0 Gomez (38.), 2:1 van Persie (73.). Schiedsrichter: Jonas Eriksson (Schweden). Zuschauer: 37 750. Gelb: Boateng (2) - de Jong, Willems.

Mit Material von dapd