Deutschland kann Holland den EM-K.o. versetzen. Doch Bundestrainer Löw mahnt: Eine Steigerung vor allem in der Offensive ist notwendig.

Danzig. Das Holland-Fieber in Deutschland steigt, die Fans träumen von einer Wiederholung der jüngsten schwarz-rot-goldenen Gala gegen den Lieblingsgegner. Und alle streiten weiter über Mario Gomez. Die Sportliche Leitung um Joachim Löw beschäftigt sich mehr mit der Erfolgsstrategie für den nächsten knallharten Schlagabtausch bei der Fußball-Europameisterschaft – zumal es im Stadion in Charkow auch am Abend noch fast 30 Grad warm sein soll. „Beide Mannschaften haben Weltklasse-Potenzial“, betonte der Bundestrainer.

Teammanager Oliver Bierhoff warnte nochmals eindringlich davor, die 3:0-Testspielgala im vergangenen November gegen den damals indisponierten Vizeweltmeister zum Maßstab für das brisante Wiedersehen an diesem Mittwoch (20.45 Uhr/ZDF) zu nehmen. „Wir wären verrückt zu glauben, dass das Spiel ähnlich laufen wird. Jetzt ist es eine Turniersituation. Es wird sehr viel härter werden“, erklärte Bierhoff vor der Abreise der Nationalmannschaft in die Westukraine.

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Die Anspannung im DFB-Lager ist auch nach dem erlösenden 1:0-Auftaktsieg weiterhin sehr groß, auch wenn die letzten zwölf Pflichtspiele alle gewonnen wurden. „Deutschland gegen Holland ist immer ein sehr emotionales und spannendes Spiel. Wir erwarten einen harten Kampf“, sagte Bierhoff voraus. Für das Duell „auf Augenhöhe“ verlangt Löw vor allem eine verbesserte Angriffsleistung seines jungen Teams: „Dass wir uns steigern können, ist klar.“

Mit großen Überraschungen beim Kontrahenten rechnet der 52 Jahre alte Chefcoach, für dessen Personal am Dienstagabend in der Arena von Charkow das Abschlusstraining auf dem Plan stand, nicht. „Da gibt es keine unbekannten Dinge“, sagte Löw: „Die Spielweise beider Mannschaften ist relativ klar.“ Doch er mahnte zugleich: „Gerade in der Offensive sind die Holländer mit das Beste, was es gibt.“

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Für die eigene Aufstellung hielt sich Löw vor seinem 80. Spiel als Chef ausdrücklich eine Überraschung offen. Erste Option bleibt die Startelf des 1:0 gegen Portugal mit Matchwinner Gomez in der Spitze. „Mario hat seine Qualitäten im Abschluss“, lobte Löw. Der Münchner traf in seinen letzten elf Einsätzen im Adlertrikot neunmal.

Löw bescheinigte aber auch Routinier Miroslav Klose weitere Fortschritte im Ringen um die Topform. „Miro hat sechs Wochen nicht gespielt, ein paar Prozent fehlen. Ich weiß aber, ich kann Miro jeder Zeit bringen, weil er sofort im Spiel ist“, schilderte Löw seine Überlegungen. Mittlerweile sei der 34 Jahre alte Stürmer von Lazio Rom sogar so weit, „dass er von Anfang an spielen kann“, ergänzte der Bundestrainer und schürte damit selbst die Spekulationen um die Besetzung der einzigen Stürmerposition.

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Bei seinen bisherigen zwei Turnieren als Chefcoach hatte Löw seine Startelf nach den Auftakterfolgen nicht gewechselt, allerdings gingen die zweiten Vorrundenpartien auch jeweils verloren. Möglicherweise lässt er seine Spieler und alle anderen im DFB-Tross auch deshalb im Unklaren, um einem Spannungsunterschied zwischen Stammkräften und den Jokern auf der Bank entgegenzuwirken. Klose, Kroos, Schürrle, Götze, Reus in der Wartestellung – das sind Optionen mit Brisanz. „Jetzt sind wir alle gespannt, wie Joachim Löw entscheidet“, meinte selbst Bierhoff.

"Jeder in der Offensive kann sich noch mehr in Szene setzen“, forderte der Chef nach den noch gebremsten Angriffsbemühungen gegen Cristiano Ronaldo und Co. Dabei soll die Abwehrstabilität erhalten werden. Für Manuel Neuer zählt auch gegen Holland, was schon gegen die Portugiesen Voraussetzung für den Sieg war: „Wir wollen nicht in Rückstand geraten. Entsprechend wichtig ist, dass die Null hinten steht.“ Löw erwartet im Aufeinandertreffen mit den Bundesligastars Arjen Robben und Klaas-Jan Huntelaar die „interessantesten Duelle“.

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Dass die Holländer nach der 0:1-Auftaktpleite gegen Dänemark bereits mit dem Rücken zur Wand stehen, soll für die DFB-Kicker nur ein Nebenaspekt sein. „Für uns macht es keinen Unterschied, wir wollen auch das zweite Spiel gewinnen“, erklärte Gomez deutlich. Im niederländischen EM-Lager ist die Stimmung zum Zerreißen gespannt. Huntelaar und Robin van Persie wollen das Dauerthema Sturmbesetzung nicht mehr kommentieren, der Ex-Hamburger Rafael van der Vaart schmollt schon wegen seiner Reservistenrolle.

Auf die höheren Temperaturen in der Westukraine hat sich die medizinische Abteilung so gut es geht vorbereitet. „Vor dem Spiel und in der Halbzeit kann man kühlen, was logistisch natürlich eingeschränkt ist wegen der zeitlichen Abläufe“, sagte Team-Internist Tim Meyer. Ein Wetter-Alibi aber will Löw den Spielern nicht geben.