Am Mittwoch trifft die DFB-Elf im zweiten Gruppenspiel auf die “Elftal“. Die Rivalität ist geblieben, doch der Hass vergangener Tage weg.

Kiew. Kriegsrhteorik, das Trikot von Olaf Thon am Hintern von Ronald Koeman oder Frank Rijkaards „Lama“-Spucke im wallenden Haar von Rudi Völler: Deutschland gegen die Niederlande war lange Jahre mehr als ein Fußball-Spiel. Während sich der Neid der Deutschen auf den verzaubernden „Voetbal total“ in Abneigung steigerte, brachte Oranje lange Zeit seine Emotionen mit auf den Platz: von Minderwertigkeitskomplexen bis hin zu einem tiefen Hass, der noch von der Besatzungszeit herrührte.

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„In den 80er Jahren war das fast so etwas wie Krieg“, sagt Oliver Bierhoff, Manager der deutschen Nationalmannschaft. „Fußball war für die Niederländer lange eine Art Ersatz für den Krieg. Auch, weil sie im normalen Leben nichts zu bestellen hatten“, ergänzt Willi Lippens, dessen niederländischer Vater ihm verbot, für Deutschland zu spielen, weil er einst von den Nazis misshandelt worden war. Die Deutschen waren zwischen Limburg und Groningen die „Moffen“, der Lieblingsfeind. Auf dem Feld sah man kraftstrotzenden „Briegelfußball“.

Dabei waren die Niederlande nach dem Krieg über Jahrzehnte kein ernsthafter Gegner für die deutsche Mannschaft. Von den elf Duellen bis zum „Hass-Spiel“ im EM-Halbfinale 1988 gewann die Elftal nur ein einziges - ein unbedeutendes Freundschaftsspiel im März 1956. Drei Jahre später setzte es ein 0:7 in Köln, doch das fußballerische Trauma der Niederlande ist „München ’74“. Am 7. Juli sollte sich die „Goldene Generation“ um „König“ Johan Cruyff mit dem WM-Pokal krönen - doch den stemmte dann „Kaiser“ Franz Beckenbauer in den Himmel.

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Verschwörungstheorien machten die Runde, „Hiltruper Mädchen“ sollen Schuld gewesen sein. Aufnahmen weiblicher Fans, die sich im Trainingslager mit dem König und seinen Prinzen am Pool vergnügten, sorgten in der Heimat für Unruhe, Frau Cruyff machte ihrem Johan die Hölle heiß - in der Nacht vor dem Endspiel.

14 Jahre später will die Elftal Revanche für 1974. „Wir fressen sie auf!“, brüllt Gullit vor dem EM-Halbfinale, das Oranje 2:1 gewinnt. Koeman ist im Siegesrausch so aufgeladen, dass er sich mit Thons Dress den Allerwertesten abwischt, auf der Tribüne zeigt ein Radioreporter den deutschen Kollegen sein entblößtes Hinterteil, De Telegraaf titelt: „Endlich Rache!“ Der Poet Jules Deelder dichtet: „Sie, die fielen, erhoben sich jauchzend aus ihrem Grab.“

Danach war die Atmosphäre vergiftet. „Wir waren ein bisschen wie Kain und Abel, Brüder die sich fertigmachen“, sagte der damalige Oranje-Torhüter Hans van Breukelen dem Magazin "11Freunde". Wie im WM-Achtelfinale 1990, als Rijkaard zwei Mal in Völlers ergraute Locken spuckte. Das ganze Spiel war ein Skandal. 1996 versöhnten sich das „Lama“ und sein Opfer bei einem Frühstück. Rijkaard räumte ein, damals wegen „privater Probleme“ überreagiert zu haben.

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Seitdem hat sich das sportliche Verhältnis der beiden Nachbarn entgiftet. Die Turnier-Treffen bei den Europameisterschaften 1992 und 2004 liefen ohne nennenswerte Verfehlungen ab. Vor dem jüngsten Duell im vergangenen November betonte Oranje-Kapitän Mark van Bommel zwar, dass es keine Freundschaftsspiele gegen Deutschland gebe. Doch besonders die jüngeren Spieler habe die alte Rivalität abgelegt. „Krieg gibt es keinen mehr, ich habe da eher Freunde wie Nigel de Jong“, sagte Nationalspieler Jerome Boateng vor dem Spiel, das die deutsche Mannschaft nach einer Glanzleistung 3:0 gewann.

Van Breukelen, der Völler 1990 noch wüst beschimpft hatte, überraschte nun mit der Aussage: „Ich bin verliebt in euch Deutsche.“ Das Spiel des DFB-Teams von Bundestrainer Joachim Löw habe gar nichts mehr gemein mit den „deutschen Panzern“ von einst. „Ihr spielt holländisch und wir deutsch“, sagte er. Die DFB-Elf als „Holländer“? Bierhoff winkt ab. „Nein, das wollen wir gar nicht, sonst werden wir ja immer nur Zweiter bei großen Turnieren.“

Der Hass ist raus, aber ein bisschen Sticheln wird ja noch erlaubt sein.