Der auf Bewährung spielende Rechtsverteidiger hielt Superstar Ronaldo in Schach

Lwiw. Ob oder ob es nun nicht in der Nacht zum vergangenen Montag zum Äußersten in Zimmer 248 eines Berliner Hotels gekommen ist, bleibt weiterhin das Geheimnis von Defensivallrounder Jerome Boateng und derOffensivspezialistin Gina-Lisa Lohfink. "Die Mannschaft kennt die Wahrheit", sagte der frühere Hamburger gestern, nachdem er nun eine Woche lang wegen seiner nächtlichen "Unterhaltung" mit dem C-Klasse-Model - was ihm fast seinen Startplatz gegen Portugal gekostet hätte - die Klatschspalten der Boulevardblätter beherrscht hatte. Ein völlig unstrittiger Höhepunkt in der Partie am Sonnabend in Lwiw könnte nun dafür sorgen, dass Boateng für den restlichen Verlauf der EM doch wieder sportliche Schlagzeilen schreiben darf.

Es passierte in der 64. Minute, in der sich das mediale Schicksal Boatengs von einem auf den anderen Moment ändern sollte. Für einen Augenblick schien Gegenspieler Cristiano Ronaldo, der immerhin als einer der besten Fußballer der Welt gilt, enteilt und unaufhaltsam auf dem Weg zum 1:0 für Portugal zu sein, als der zuweilen lethargisch wirkende Rechtsverteidiger seinen Turbo einschaltete und dem Portugiesen im buchstäblich letzten Moment den Ball vom Fuß spitzelte. "Jerome hat Ronaldo überwiegend sehr, sehr gut im Griff gehabt", sollte später Bundestrainer Joachim Löw, der vor dem Spiel und nach der "Hotelzimmeraffäre" wütend von einer "Bringschuld" Boatengs gesprochen hatte, lobende Worte für seinen Luftikus finden: "Er hat mit seiner Dynamik und seiner körperlichen Kraft viele Zweikämpfe gewonnen, das hat er klasse gemacht."

Tatsächlich ließ Boateng Superstar Ronaldo überraschend wenig zur Entfaltung kommen. Den ersten Ballkontakt nach 18 Minuten nutzte der Portugiese zwar zu einem Tänzchen mit Boateng an der Grundlinie, zwei weitere Begegnungen (51. und 83.) musste der Bayern-Profi noch überstehen, dann hatte er es geschafft. "Jeder weiß, was Ronaldo für eine Klasse hat. Ganz ausschalten kann man ihn nicht, wir haben es als Mannschaft gut hinbekommen", sagte Boateng, der gegen den Madrilenen nur ein einziges Foulspiel beging.

"Das war eine super Leistung von ihm. Nach dem, was die ganze Woche geschrieben und gemacht wurde, war das nicht einfach für ihn", lobte Mannschaftskollege Lukas Podolski, der sich auch sicher ist, dass Boateng mit seinem Einsatz auf dem Platz gegen Portugal fürs Erste rehabilitiert sei. Boateng selbst meinte etwas überraschend, dass ihn die besondere Aufmerksamkeit nach seinem Lapsus abseits des Platzes "vor allem beflügelt" habe.

Was das genau bedeutet, muss Boateng, der sich laut Löw nach seinem Fehltritt während der EM "zerreißen" müsse, bereits am Mittwoch im nächsten Spiel gegen die Niederlande unter Beweis stellen. Dann ist nicht mehr Real Madrids Ronaldo, sondern Barcelonas Ibrahim Afellay der Gegenspieler. Setzt er sich auch gegen ihn durch, rückt der Gipfel für Boateng wieder ein Stück näher: das Finale am 1. Juli in Kiew.