Bundestrainer heizt Spekulationen um einen Stürmer-Tausch an. “Ich bin nicht derjenige, der sagt: Never change a winning team“, betonte Löw.

Danzig. Das Trainingsgelände musste von der Polizei und den Sicherheitsmännern noch strenger abgeriegelt werden als sonst. Bundestrainer Joachim Löw will sich gar nicht mehr in die Karten schauen lassen. Im zweiten Gruppenspiel der Fußball-Europameisterschaft gegen die Niederlande am Mittwoch in Charkiw (20.45 Uhr/im Liveticker auf abendblatt.de) plant der 52-Jährige den zweiten Überraschungscoup. „Wir haben ein erstes Etappenziel erreicht, aber wir haben keinen großen Schritt gemacht“, sagte Löw am Montag zum 1:0 gegen Portugal. Nun schärft er hinter verschlossenen Türen des Trainingsplatzes am Danziger Zoo seiner Mannschaft ein, dass es nicht wie bei der EM 2008 (1:2 gegen Kroatien) und der WM 2010 (0:1 gegen Serbien) gleich im zweiten Turnierspiel wieder einen Rückschlag gibt.

Gomez kontert Scholl-Kritik: "Warum soll ich mich ändern?"

Nach der guten Defensivleistung gegen die Portugiesen will Löw im Duell mit dem Vizeweltmeister, der nach dem 0:1 gegen Dänemark bereits stark unter Druck geraten ist, seine Offensive von der Leine lassen. „Generell sage ich, dass sich jeder mehr in Szene setzen kann“, forderte Löw. Denn die Holländer, die für ihre Angriffsleistungen gelobt werden, weisen deutliche Schwächen in der Abwehr auf. „Die Abwehr ist das Allersensibelste in einer Mannschaft. Dort geht es um die Feinabstimmung“, betonte Löw und sah diese Aufgabe für sein Team gegen Portugal als gut gelöst an. Aber das geht auf Kosten der spektakulären Spielweise. Ergebnisse wie ein 4:1 gegen England oder ein 4:0 gegen Argentinien wie bei der WM 2010 sollen laut Löw die mehr als 20 Millionen Fans zu Hause bitte nicht erwarten. „Ein 6:2, 5:1 oder 3:0 wie in der Qualifikation gibt es beim Turnier nicht“, sagte Löw.

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„Dass wir es offensiv besser machen können, ist auch klar“, erklärte Löw. Dafür checkt er im Training vor der Abreise am Dienstag ins wahrscheinlich 30 Grad heiße Charkiw noch einmal sein Personal-Schema. Der Bundestrainer prüft sogar intensiv, Mario Gomez trotz seines Siegtores in Lwiw aus dem Team zu nehmen. „Noch nie hat man ein Turnier mit einer Elf begonnen und mit ihr zu Ende gespielt. Deswegen bin ich froh, dass Miroslav Klose immer, immer stärker und im Training besser wird. Wenn er topfit ist, ist er ein Weltklasse-Stürmer“, sagte Löw.

Klose, am Sonnabend 34 Jahre alt geworden, brauche keinen Anlauf, um Fuß zu fassen in der Mannschaft, in die der 117-malige Nationalspieler besser als Gomez passt. Dies war beim 3:0 gegen die Niederländer im Test in Hamburg im November besonders zu erkennen. Klose ist sehr effektiv nach vorne, aber anders als Gomez bringt er die offensiven Mittelfeldspieler Mesut Özil, Thomas Müller und Lukas Podolski viel besser ins Spiel. „Ich bin nicht derjenige, der sagt: “Never change a winning team", betonte Löw , dass er nicht davor zurückschreckt, eine siegreiche Elf zu ändern. “Es ist möglich, dass es die ein oder andere Veränderung geben kann. Das will ich nicht ausschließen, aber ich will mich nicht gänzlich festlegen." Gomez bestätigte er eine “ansprechende Leistung„. Er hat “defensiv gut gearbeitet". Gelobt für sein tolles Kopfballtor hatte Löw den 26-Jährigen sofort nach dem Spiel.

Aber Löw stellte sich nicht demonstrativ vor Gomez, um die Kritik des ehemaligen Nationalspielers Mehmet Scholl an dem Stürmer des FC Bayern München abzuwehren. “Ich habe keine Energie, mich um das zu kümmern, was der eine oder andere irgendwo sagt„, sagte Löw. Gomez habe es gar nicht nötig, dass er ihm zur Seite springe. “Mario ist gestählt in seiner Persönlichkeit. Er hat tiefe Täler in den letzten zwei, drei Jahren beim FC Bayern und in der Nationalelf durchschritten„, sagte Löw. Und Gomez schaffte es anschließend, die Kritik von Scholl recht elegant und klug abzubiegen: “Mia san mia, und wir sind eine große Familie. Da kann jeder sagen, was er denkt.„ Scholl hatte als ARD-Experte zu Gomez’ angeblich geringer Laufbereitschaft gesagt, er habe befürchtet, dass sich der Stürmer “wund gelegen hat und gewendet werden„ müsse.

Gomez erzählte, Scholl habe ihm in einem früheren Gespräch auf dem Oktoberfest seine generell kritische Haltung ihm gegenüber mit der Intention begründet, das Potenzial aus ihm herauszukitzeln zu wollen. “So sehe ich das auch. Ich will mich immer verbessern. Aber ich habe in den vergangenen zwei Jahren die meisten Tore bei den Bayern in der Bundesliga und der Champions League erzielt und die zweitmeisten hinter Lionel Messi", sagte Gomez. Zu seiner Spielweise sagte er: “Ich wüsste nicht, warum ich mich ändern sollte.„ Löw checkt beim “Geheimtraining„ dennoch, ob Klose den Mann mit der spanischen Herkunft in der deutschen Elf ablösen soll.

So haben die Abendblatt-Leser die deutsche Elf bewertet: