Nach dem WM-Aus gerät Bundestrainerin Silvia Neid stärker unter Druck und schließt einen Rücktritt nicht mehr aus. Auch DFB-Vizepräsident übt Kritik.

Frankfurt. Die Debatte um die Zukunft von Bundestrainerin Silvia Neid nach dem Aus bei der Frauenfußball-WM nimmt weiter Fahrt auf. Stefan Prinz, der Vater von Rekord-Nationalspielerin Birgit Prinz forderte gestern ihren Rücktritt: "Die Frau ist nicht in der Lage, ein Team zu führen. Und es wäre klug, wenn sie einen Strich darunter ziehen würde." Genau darüber denkt Silvia Neid offenbar nach. Gegenüber der "Bild"-Zeitung erklärte sie, dass sie einen Rücktritt nicht mehr ausschließe: "Ich brauche jetzt erst mal Abstand. Erst wenn ich in ein paar Wochen wieder im Alltag angekommen bin, werde ich mich fragen: Was will ich eigentlich? Kann ich mich für eine EM in zwei Jahren noch mal motivieren?"

Stefan Prinz hatte die Neid-Debatte im Hessischen Rundfunk verschärft. Er erklärte: "Silvia Neid hat das Ganze alleine zu verantworten. Sie hat von Anfang an versucht, junge und ältere Spielerinnen gegeneinander auszuspielen, und hat dadurch die Spielerinnen sehr verunsichert."

Laut Stefan Prinz habe Neid seine Tochter, deren Verhältnis zur Trainerin aufgrund der Degradierung zur Reservistin zerrüttet scheint, in der sportlichen Krise fallen lassen. Die Spielführerin habe selbst das Gespräch mit Neid suchen müssen: "Das ist für mich einer der Gründe, warum das Ganze kaputtgegangen ist." Seine Tochter sah sich allerdings genötigt, diese Aussagen zurückzuweisen. Ihr Vater sei ein "sehr emotionaler Mensch", der nur seinem Ärger habe Luft machen wollen.

+++ Kommentar: Trauerspiel statt Sommermärchen +++

Inzwischen sind aber sogar von der DFB-Spitze erste deutliche kritische Stimmen zu hören. "Letztlich muss sich auch Silvia Neid bestimmte Fragen gefallen lassen. Dass da am Ende nichts Zählbares rausgekommen ist, ist eine Enttäuschung - das ist sogar beängstigend", sagte DFB-Vizepräsident Rolf Hocke der "Hessischen Niedersächsischen Allgemeinen".

Hockes Chef dürfte das nicht gern gehört haben, schließlich steht Theo Zwanziger weiter hinter der Bundestrainerin. "Sie ist die beste Trainerin, die wir haben können", sagte der DFB-Präsident auch nach dem kläglichen Scheitern der Mission Titelverteidigung, obwohl damit selbst die Olympia-Qualifikation verspielt worden war. Eine andere Erklärung kann der Verbandsboss allerdings auch nicht abgeben, wenn er nicht selbst in die Kritik geraten will. Schließlich hatte Zwanziger vor WM-Beginn den Vertrag mit Neid bis 2016 verlängert. Auch Silvia Neid selbst sagte, sie bekomme vom Verband und vom Präsidenten Theo Zwanziger "volle Rückendeckung".

Nicht nur Dauer-Kritiker wie Potsdams Meistertrainer Bernd Schröder ("Der Vertrag ist nicht mal mehr die Buchstaben auf dem Papier wert") fragen sich, ob diese Kontraktverlängerung wirklich richtig war.

Neid werden Fehler bei der Taktik, der WM-Vorbereitung, den Einwechslungen und der Menschenführung zur Last gelegt. Kritiker bezeichnen den Spielstil als antiquierten "Kick and Rush". Sie lassen kein gutes Haar an den WM-Lehrgängen, die sich über zweieinhalb Monate erstreckten und für das Bundesliga-Ende in das Frühjahr vorverlegt worden war. Attackiert wird Neid zudem für Wechselfehler beim Ausscheiden gegen Japan sowie die Demontage ihrer Kapitänin Prinz.

Schuld ist die Bundestrainerin zum Teil selbst. Mit ihrer trotzigen Aussage ("Ich mache mir keinen Vorwurf") nach dem Viertelfinal-Aus hat die 47-Jährige die Chance ausgelassen, die Verantwortung für das Verpassen des Minimalziels Halbfinale zu übernehmen und den Nörglern den Wind aus den Segeln zu nehmen. Sie sagte dazu nur, ihr sei klar, dass jetzt "eine Schuldige gesucht" werde.

Nun muss Neid mit Erfolgen überzeugen. Dabei spielt der Bundestrainerin, die an den bisherigen zwei WM- und sieben EM-Triumphen der deutschen Auswahl als Spielerin, Assistenztrainerin oder Cheftrainerin beteiligt war, die anstehende EM-Qualifikation in die Karten. Ab September muss sich das deutsche Team auf dem Weg zur Europameisterschaft 2013 in Schweden mit der Türkei, Rumänien, Spanien, der Schweiz und Kasachstan messen. Neid kann somit weitgehend gefahrlos einen sanften Umbruch in der Mannschaft einleiten. "Wir haben viel Zeit, um uns auf die EM vorzubereiten und junge Spielerinnen einzubauen. Bei der EM wollen wir wieder vorne dabei sein", sagte die Trainerin, die gar nichts von einem radikalen Schnitt hält. "Es gibt keinen großen Neuaufbau."

In dieser Hinsicht könnte Neid bei ihrer Kontaktaufnahme mit den Spielerinnen in einigen Wochen allerdings eines Besseren belehrt werden. Es ist unwahrscheinlich, dass nur Prinz und Ariane Hingst ihre Karriere beenden werden. Durch die verpasste Olympia-Qualifikation ist das nächste Turnier auch für Inka Grings, Nadine Angerer, Kerstin Garefrekes und Martina Müller weit weg. Das gilt auch für Doris Fitschen. Der Vertrag der Nationalteam-Managerin läuft aus.

Im Halbfinale spielen am Mittwoch: USA - Frankreich (Mönchengladbach, 18 Uhr, ZDF), Japan - Schweden (20.45 Uhr, Frankfurt am Main, ZDF)