Der Vater der demontierten Birgit Prinz erhebt schwere Vorwürfe gegen die Bundestrainerin. Auch DFB-Vizepräsident nimmt Neid unter Beschuss.

Frankfurt/Main. Nun könnte es eng werden für die Bundestrainerin. Mit Tränen hatte Silvia Neid erst in ihrer Rolle als teilnahmslose Zuschauerin der Halbfinals gerechnet. Doch die scharfe Kritik nach dem WM-Aus der deutschen Fußballerinnen im Viertelfinale gegen Japan (0:1 n.V.) dürfte der Bundestrainerin nahe gegangen sein. Neid, lange vom Nimbus der Unbesiegbarkeit geschützt, werden Fehler in allen Bereichen vorgeworfen.

Wenn es nach dem Vater von Rekord-Nationalspielerin Birgit Prinz gehen würde, müsste Neid zurücktreten. „Die Frau ist nicht in der Lage, ein Team zu führen. Und es wäre klug, wenn sie einen Strich darunter ziehen würde“, sagte Stefan Prinz im "hr-Radio": „Silvia Neid hat das Ganze alleine zu verantworten. Sie hat von Anfang an versucht, junge und ältere Spielerinnen gegeneinander auszuspielen und hat dadurch die Spielerinnen sehr verunsichert.“

Laut Stefan Prinz habe Neid seine Tochter, deren Verhältnis zur Trainerin aufgrund der Degradierung zur Reservistin zerrüttet scheint, in der sportlichen Krise fallen lassen. Die Spielführerin habe selbst das Gespräch mit Neid suchen müssen: „Das ist für mich einer der Gründe, warum das Ganze kaputt gegangen ist“, sagte Stefan Prinz. Seine Tochter sah sich genötigt, diese Aussagen zurückzuweisen. Ihr Vater sei ein „sehr emotionaler Mensch“, der nur seinem Ärger habe Luft machen wollen.

Sogar von der Spitze des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) sind erste kritische Stimmen zu hören. „Letztlich muss sich auch Silvia Neid bestimmte Fragen gefallen lassen. Dass da am Ende nichts Zählbares rausgekommen ist, ist eine Enttäuschung - das ist sogar beängstigend“, sagte DFB-Vizepräsident Rolf Hocke der "Hessischen Niedersächsischen Allgemeinen". Hockes Chef dürfte das nicht gern gehört haben, schließlich steht Zwanziger weiter hinter der Bundestrainerin.

„Sie ist die beste Trainerin, die wir haben können“, verteidigte Zwanziger auch nach dem blamablen Scheitern der Mission Titelverteidigung, obwohl selbst die so wichtige Olympia-Qualifikation verspielt worden war. Eine andere Erklärung kann der Verbandsboss allerdings auch nicht abgeben, wenn er nicht selbst in die Kritik geraten will. Schließlich hat Zwanziger erst kurz vor WM-Beginn den ursprünglich bis 2013 laufenden Vertrag mit der Welt-Trainerin des Jahres, die vor der Niederlage gegen Japan noch nie bei einer WM- und EM-Endrunde verloren hatte, völlig unnötig bis 2016 verlängert.

Die Unterschrift unter den Vertrag mit Neid, die wenige Wochen vor der WM noch Amtsmüdigkeit hatte erkennen lassen, soll den Verband angeblich 700.000 Euro pro Jahr kosten. Mittlerweile fragen sich nicht nur Dauer-Kritiker wie Potsdams Meistertrainer Bernd Schröder („Der Vertrag ist nicht mal mehr die Buchstaben auf dem Papier wert“), ob dieses Geld gut angelegt ist.

Neid werden schwere Fehler bei der Taktik, der WM-Vorbereitung, den Einwechslungen und der Menschenführung zur Last gelegt. Kritiker bezeichnen den Spielstil als antiquierten „Kick and Rush“. Sie lassen kein gutes Haar an den WM-Lehrgängen, die sich über zweieinhalb Monate erstreckten und für die das Bundesliga-Ende in das Frühjahr vorverlegt worden war. Gescholten wird Neid zudem für Wechselfehler im Japan-Spiel und die Demontage der Rekord-Nationalspielerin Birgit Prinz. Der deutsche Frauenfußball ist angekommen in der Realität. Die Samthandschuhe wurden ausgezogen.

Schuld ist Neid zum Teil selbst. Mit ihrer trotzigen Aussage („Ich mache mir keinen Vorwurf“) nach dem Viertelfinal-Aus hat die 47-Jährige die Chance ausgelassen, die Verantwortung für das Verpassen des Minimalziels Halbfinale zu übernehmen und den Nörglern den Wind aus den Segeln zu nehmen. Zudem gab sie sich bereits vor und während des Turniers oft als "Oberlehrerin" und verspielte so Sympathien.

Nun muss Neid mit Erfolgen überzeugen. Dabei spielt der Bundestrainerin, die an den bisherigen zwei WM- und sieben EM-Triumphen der deutschen Auswahl als Spielerin, Assistenztrainerin oder Cheftrainerin beteiligt war, die anstehende EM-Qualifikation in die Karten. Ab September muss sich das deutsche Team auf dem Weg zur Europameisterschaft 2013 in Schweden mit der Türkei, Rumänien, Spanien, der Schweiz und Kasachstan messen. Eine viel leichtere Gruppe hätten die Titelverteidigerinnen kaum erwischen können. Die große Bühne aber wird den deutschen Fußball-Frauen erstmal verwehrt bleiben. In London 2012 bleibt Deutschland bei Olympia nur die Zuschauerrolle.

Neid muss nun einen sanften Umbruch einleiten. „Wir haben viel Zeit, um uns auf die EM vorzubereiten und junge Spielerinnen einzubauen. Bei der EM wollen wir wieder vorne dabei sein“, sagte die Trainerin, die nichts von einem radikalen Schnitt hält: „Es gibt keinen großen Neuaufbau.“

In dieser Hinsicht könnte Neid bei ihrer Kontaktaufnahme mit den Spielerinnen in einigen Wochen allerdings eines Besseren belehrt werden. Es ist unwahrscheinlich, dass nur Prinz und Ariane Hingst ihre Karriere im DFB-Trikot beenden werden. Durch die verpasste Olympia-Qualifikation ist das nächste Turnier auch für Inka Grings, Nadine Angerer, Kerstin Garefrekes und Martina Müller weit weg. Das gilt auch für Doris Fitschen. Der Vertrag der Nationalmannschafts-Managerin läuft aus, ihre Zukunft ist ungewiss.

Der Abschied von einigen altgedienten Spielerinnen dürfte Neid aber nicht allzu schwer fallen. Schließlich war der einen oder anderen Spielerin anzumerken, dass ihr Verhältnis zur Trainerin während der Endrunde gelitten hat. Das gilt nicht nur für Prinz, deren mögliches Abschiedsspiel zu einer Belastung für den Neustart unter Neid werden könnte.