Franz Beckenbauer befürwortet die Verlängerung mit Löw und lobt den HSV für den Kauf von Heiko Westermann.

Hamburg. Erst der Michel, dann der Hafen. Nach einer Andacht besuchte Franz Beckenbauer, 64, gestern mit seinen "Schneeforschern" - einem Freundeskreis, zu dem auch Uwe Seeler zählt - , das Logistikunternehmen Eurogate. Am Rande des Besuchs traf sich Beckenbauer mit dem Abendblatt. Wichtigstes Gesprächsthema war natürlich die Vertragsverlängerung von Joachim Löw.

Abendblatt: Herr Beckenbauer , begrüßen Sie die Vertragsverlängerung von Bundestrainer Joachim Löw?

Franz Beckenbauer: Aber ja. Joachim Löw hat diese Mannschaft aufgebaut und einen hervorragenden Job gemacht. Das Team ist jetzt Dritter bei der WM geworden, also ist noch etwas Luft nach oben. Die Mission des Bundestrainers ist erst dann vollendet, wenn ein Titel erreicht wird. Entweder 2012 bei der EM oder eben 2014 bei der WM in Brasilien.

Im Februar gab es noch den großen Streit um die Verlängerung zwischen der DFB-Spitze.

Damals hat sich das Trainerteam in den Verhandlungen vertreten lassen von Oliver Bierhoff. Und der ist mit seinen Forderungen schon etwas über das Ziel hinausgeschossen. Das war für mich damals eine Art feindliche Übernahme. Es geht doch nicht an, dass der Teammanager entscheidet, wer Bundestrainer wird. Dafür ist immer noch der Präsident zuständig. Entsprechend groß war der Groll von Theo Zwanziger. Aber mittlerweile ist der Zorn wieder verraucht. Oliver Bierhoff hat aus seinem Fehler gelernt. Und er ist ja auch ein sehr guter Mann.

Auch Matthias Sammer bleibt als Sportdirektor an Bord, erhält die administrative Zuständigkeit für die U 21.

Ein ganz wichtiger Schritt. Matthias ist der Garant für die erstklassige Nachwuchsarbeit. Schauen Sie sich doch nur die Liste der Erfolge der DFB-Nachwuchs-Mannschaften an. Die hat es früher nicht gegeben. Deshalb ist es nur logisch, dass man ihm auch die Verantwortung für die U 21 gibt.

In die Euphorie um die Nationalmannschaft mischt sich auch Kritik. Vor allem Bayern-Trainer Louis van Gaal klagt über eine unzureichende Vorbereitung angesichts der vielen WM-Teilnehmer des Klubs.

Dieses Problem haben wir beim FC Bayern doch seit Jahrzehnten. Wir sind nun mal ein Verein, der besonders viele Nationalspieler stellt.

Sein Zorn gilt besonders dem Länderspiel gegen Dänemark noch vor dem Bundesliga-Start am 11. August.

Da muss ich dem Louis völlig recht geben. Da stecken die Vereine mitten in der Vorbereitung. Möglicherweise spielt dann nur die zweite Garnitur, was wiederum die Zuschauer verärgert. Ein solcher Termin macht überhaupt keinen Sinn.

Für Zündstoff sorgt auch der Konflikt zwischen Philipp Lahm und Michael Ballack um das Kapitänsamt. Wird dies die Stimmung negativ beeinflussen?

Das glaube ich nicht. Der Philipp ist auch ein Filou. Der sagt sich, das mit der Kapitänsbinde gefällt mir, die gebe ich so schnell nicht wieder her. Dann wird das sofort bierernst weitergegeben. Und dann sagt der Michael Ballack: "Moment, ich bin immer noch der Kapitän." Das darf man alles nicht überbewerten. Unglücklich war nur der Zeitpunkt mitten in der Vorbereitung auf das Spiel gegen Spanien. Aber klar ist doch, dass der Michael der Kapitän ist und bleibt, wenn er wieder spielt.

Genau das ist ja die spannende Frage. Schafft er den Weg zurück? Oder sollte er besser zurücktreten?

Von solchen Ratschlägen halte ich gar nichts. Michael ist der Kapitän, er allein entscheidet. Und er hat den Ehrgeiz, in Leverkusen noch mal durchzustarten. Das eher familiäre Umfeld in Leverkusen kann ihm dabei zugutekommen. Entscheidend ist natürlich, dass er verletzungsfrei bleibt.

Rücktritt ist ein gutes Stichwort. Derzeit scheint ja der Rücktrittsvirus von der Politik auf den Sport überzuspringen.

Ja, auch Uli Hoeneß hat ja jetzt kurzfristig seine Kandidatur für das Amt des DFL-Präsidenten zurückgezogen. Aber ich habe das alles nur gelesen. Ich weiß nicht, welche Gründe den Uli bewogen haben, eine solche Kandidatur überhaupt zu erwägen.

Und was ist mit DFB-Präsident Theo Zwanziger? Der sehnt sich auch nach einem "Rückzug ins Private".

Ich kann den Theo verstehen. Eine WM ist nicht nur für die Trainer und Spieler sehr anstrengend, sondern auch für die Verantwortlichen. Theo hat in Südafrika sehr viel Energie gelassen. Aber er wird schon weitermachen.

Sie sind 1990 vom Amt des DFB-Teamchefs zurückgetreten. Waren auch Sie amtsmüde?

Ich hatte den Verband schon sechs Monate vorher informiert. Ich hatte kein Feuer mehr, keine Leidenschaft.

Herr Beckenbauer, lassen Sie uns noch über die Bundesliga reden. Der HSV wird international nicht dabei sein.

Ein Jahr kann der HSV dies sicher verkraften. Aber auf Dauer ist dies auch finanziell schwer zu stemmen.

Jetzt finanziert ein Investor anteilig neue Transfers. Ist das eine Gefahr?

Nein. Natürlich erhält der Investor im Gegenzug beim HSV gewisse Rechte. Aber das ist in Ordnung, warum sollte jemand das Geld verschenken? Aber der Klub kann ja weiter völlig eigenständig handeln.

Nationalspieler Heiko Westermann ist bis jetzt der Top-Transfer des HSV.

Zu diesem Top-Spieler muss man dem HSV gratulieren. Ich war überrascht, dass Felix Magath (Trainer des FC Schalke 04, die Red.) ihn abgegeben hat.

Ist die Rückkehr des FC St. Pauli eine Bereicherung für die Bundesliga?

Auf jeden Fall. Der Klub ist bundesweit sehr beliebt, die Stimmung toll.

Aber kann man mit so vielen jungen Spielern die Klasse erhalten?

Schauen Sie, wer hätte denn gedacht, dass Thomas Müller und Holger Badstuber mal Stammspieler beim FC Bayern werden? Jetzt sind sie Nationalspieler. Mit Willen und Einsatzbereitschaft kannst du vieles ausgleichen. Was hat denn ein Star wie Ronaldo den Portugiesen bei dieser WM genutzt? Der ist doch nur spazieren gegangen.