Torwarttrainer Andreas Köpke legt die Reihenfolge fest. Schalkes Manuel Neuer ist die Zwei, Bremens Time Wiese die Drei.

München. Das Treffen in einem Münchner Hotel war geheime Kommandosache. Mit staatstragend-kummervoller Miene teilte der Bundestrainer seinem Gegenüber mit, dass nicht er, sondern dessen verhasster Rivale bei der WM im Tor der Nationalmannschaft stehen würde. Der eineinhalbjährige, von viel Getöse begleitete Wettlauf um die Nummer eins war entschieden. Drei Tage danach, am 10. April 2006, gab Oliver Kahn bekannt, dass er auch als Reservist im Kader des DFB verbleiben wolle und sich brav hinter Jens Lehmann einordnen würde.

Vier Jahre später. Kahn hat seine Karriere beendet, und Lehmann hält sich noch immer für den besten Torwart, auch wenn das niemanden mehr interessiert. Und wieder ist ein Münchner Hotel die Kulisse für ein wichtiges Gespräch. Die Nationalspieler haben sich zur Vorbereitung auf das letzte Länderspiel vor der Nominierung des WM-Kaders gegen Argentinien (Mittwoch, 20.45 Uhr, im Liveticker auf abendblatt.de) getroffen. Nach dem Frühstück teilen Joachim Löw und Bundestorwarttrainer Andreas Köpke erst Manuel Neuer und danach René Adler mit, dass das Rennen um den Posten im Kasten entschieden ist. Aber anders als 2006 gleicht die Mitteilung, dass die Wahl auf den Leverkusener gefallen ist, eher einer Vollzugsmeldung, auch wenn die T-Frage angesichts der weiter im Aufbau befindlichen Abwehrkette noch immer von zentraler Bedeutung ist.

"Eine Nase vorn" sei Adler vor Neuer, wählte Köpke eine gängige, höflich gemeinte Formulierung, schließlich müsste der Schalker Keeper weitaus mehr als ein paar Zentimeter aufholen, um seinen Kontrahenten noch aus dem Tor zu verdrängen. Dass der Bremer Tim Wiese nur als Nummer drei eingestuft wird und sich auf intensive Trainingswochen vor und während der WM einstellen kann, ist nur eine Randnotiz. Ob er Wiese auch informiert habe? "Nein, er ist ja verletzt und in Bremen", sagt Köpke. Das sagt alles.

Was die Erfahrung betrifft, trennt Neuer und Adler nicht viel. Der Gelsenkirchener hat erst zwei Länderspiele, der Bayer-Torhüter kommt gerade einmal auf acht, das erste bestritt er vor eineinhalb Jahren gegen Russland in der WM-Qualifikation. Mit Einsätzen in europäischen Wettbewerben konnte sich Adler auch nicht weiterentwickeln. Und auch Wiese stand erst zweimal im Tor der Nationalelf.

Doch was früher undenkbar gewesen wäre, scheint dieses Mal niemanden zu stören, weil Adler eine Option auf die Zukunft ist. Mit seinen Reflexen bringt der 25-Jährige alles mit, um einmal ein großer Torhüter werden zu können und in die Phalanx von Meier, Illgner oder Kahn einzudringen.

Adler weiß, dass er ein Emporkömmling ist, der seine Klasse erst noch bei einem auch mental aufzehrenden Turnier beweisen muss. "Ich werde versuchen, meine Leistung abzurufen, und arbeite daran, dass ich auch einmal ein großer Name werde", sagte Adler, und er klingt dabei so vernünftig, dass der Eindruck entsteht, nichts und niemand könnte ihn auf seinem Höhenflug aus der Bahn werfen. "René ist im Moment die Nummer eins, er hat es selbst in der Hand, ob er das auch bei der WM ist", sagte Köpke.

Mit einem guten Auftritt gegen Argentinien, weiß Adler, kann er sich und seinen Kollegen Ruhe verschaffen. Sollte es dagegen eine Klatsche geben wie vor vier Jahren gegen Italien (1:4), wären die Debatten programmiert, gerade in der Defensive. Schließlich ist das Thema Sicherheit beim DFB angesichts der begrenzten offensiven Qualitäten schon seit Jahrzehnten hoch angesiedelt. Und wie es ist, im Zentrum der Kritik zu stehen, weiß Adler auch noch nicht.