Die Hamburg Freezers setzen in der Saison 2010/11 auf 19 neue Spieler - und vor allem auf den allmächtigen Trainer.

Hamburg. "Der Schmerz harter Arbeit oder der Schmerz des Bedauerns - Du hast die Wahl" steht in englischer Sprache an der Wand des Kraftraums der Volksbank-Arena, in dem die Profis der Hamburg Freezers sich seit Anfang August auf die Saison 2010/11 in der Deutschen Eishockey-Liga (DEL) vorbereiten, die morgen (19.30 Uhr) mit einem Heimspiel gegen die Kölner Haie beginnt. Stéphane Richer hat ihn dort anschreiben lassen, der Slogan ist Teil der Auffrischung, die der gesamte Trainingstrakt erfahren hat in einem Sommer, der als Wendepunkt in die Geschichte des seit 2002 existierenden Klubs eingehen soll. Die Hamburg Freezers haben sich einen radikalen Neubeginn verordnet, in dem die Neugestaltung der Trainingsstätte nur ein kleines Mosaiksteinchen darstellt.

Richer dagegen ist, um im Bild zu bleiben, in diesem Mosaik der Fels. Der 44 Jahre alte Frankokanadier wurde von Geschäftsführer Michael Pfad aus Kassel nach Hamburg gelotst, um nach einer Saison, die die Freezers auf dem vorletzten Tabellenrang mit dem erstmaligen Verpassen der Play-offs beendeten, dem Team ein völlig neues Gesicht zu geben. Richer ist ein freundlicher, stets gut gelaunter, aber dennoch sehr bestimmter Mann, der in der Liga einen exzellenten Ruf genießt, weil er auf deutsche Talente baut und in Kassel bewiesen hat, mit wenig Geld viel bewirken zu können.

Als Sportdirektor und Cheftrainer in Personalunion konnte er sich seine Mannschaft in Alleinregie zusammenstellen, bei einem Etat von knapp sieben Millionen Euro waren auch größere Sprünge möglich als in Kassel. Das "Modell Magath" birgt zwar die Gefahr, sich von der Philosophie eines Einzelnen abhängig zu machen, doch wer weiß, dass in Hamburg fünf Trainer unterschiedlichster Prägung scheiterten, weil der frühere Geschäftsführer Boris Capla ihnen Spieler vorsetzte, der kann verstehen, dass Pfad mit Richer nun einem Trainer vertraut, der bewiesen hat, ein Händchen für Kaderzusammenstellung und beste Kontakte in die Eishockeywelt zu haben. 19 neue Spieler sind gekommen, lediglich fünf durften bleiben.

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Vor allem die Qualität der deutschen Neuzugänge lässt hoffen. Spieler wie Thomas Oppenheimer und Alexander Polaczek (beide aus Frankfurt), Rainer Köttstorfer und Garrett Festerling (beide aus Hannover) oder Jerome Flaake (aus Köln) bewiesen in der Vorbereitung, dass sie das Team signifikant verstärken können.

Wichtig war Richer vor allem, dass die Neuen sein Spielsystem umsetzen können. Der Coach setzt auf aggressives Forechecking. "Wir wollen ständig, auch in einfacher Unterzahl, Druck auf den Gegner ausüben, ihn so zu Fehlern zwingen und eigene Torchancen kreieren", sagt er. Dafür braucht er vier ausbalancierte Reihen, denn das System ist extrem laufintensiv und damit kraftaufwändig. Hatten die Freezers im Vorjahr gerade zwei Reihen, die mit Tempo spielen und dabei auch noch Kreativität entwickeln konnten, sind es jetzt alle vier. Zudem wirken die Verteidiger, die in das Offensiv-Pressing stark eingebunden sind, gedankenschneller als ihre Vorgänger, ohne jedoch die Defensive zu vernachlässigen. Im Tor steht mit Marc Lamothe ein unspektakulärer, aber solider Puckfänger.

Richer achtet darauf, seine Spieler fair zu behandeln und allen angemessene Eiszeit zu geben. Deutsche sind ihm genauso wichtig wie Importspieler. "Die Reihen sind enger zusammengerückt, jeder versteht, dass er ohne den anderen nichts gewinnen kann. Und wir haben jetzt 23 Spieler, die sich jeden Tag verbessern wollen. Das war nicht immer so", sagt Nationalstürmer Alexander Barta, der von Richer im Kapitänsamt bestätigt wurde.

Mit seinem offensiven System will Richer "ein Spektakel bieten" und so dafür sorgen, dass der angepeilte Zuschauerschnitt von 8000 (Vorjahr: 6993) erreicht wird. Dass die Vorfreude, die rund um den Klub zu spüren ist, auch die Fans erfasst hat, zeigen die Vorverkaufszahlen. Bis gestern waren bereits 9200 Tickets fürs Köln-Spiel vergriffen. In der O2 World erwartet die Anhänger ein neu gestaltetes Rahmenprogramm, ein Überraschungs-Maskottchen, das den "Freezer" ablöst, und "ein Team zum Anfassen, das mehr Wärme ausstrahlt als früher", wie Pfad es ausdrückt. Ob das zum Erreichen des Saisonziels - mindestens Platz sechs, direkte Qualifikation fürs Viertelfinale - genügt, bleibt abzuwarten. Fest steht: Auf den Schmerz des Bedauerns hat bei den Freezers niemand mehr Lust.