Hamburg. Der Crocodiles-Chefcoach spricht im Hamburger Abendblatt über Lernkurven seines Teams und seinen Führungsstil.

Mit ihrem neuen Stürmer Tim May (28), der vom Süd-Oberligisten Sonthofen verpflichtet wurde, um dem Kader im Saisonendspurt mehr Tiefe zu verleihen, treten die Eishockey-Ober­ligamänner der Crocodiles Hamburg an diesem Freitag (20 Uhr) bei den Tilburg Trappers an. Cheftrainer Jacek Plachta (50) erwartet von seinem Team, dass es sich auch beim Tabellenführer „nicht versteckt, sondern die Initiative ergreift und mutig spielt“. Wie der Deutschpole sein Team beurteilt, wo er Potenzial sieht und wie er sich in seinem zweiten Jahr bei den Crocodiles verändert hat, verrät er im Interview.

Hamburger Abendblatt: Herr Plachta, vor der Saison hatten Sie das Ziel ausgegeben, um die Play-off-Plätze mitzuspielen. Nach zwei Dritteln der Hauptrunde lügt die Tabelle nicht mehr, Ihr Team ist Dritter. Hat es über-performt?

Jacek Plachta: Das würde ich nicht sagen, denn das würde ja bedeuten, dass ich den Jungs nicht zugetraut hätte, in den Top drei zu stehen. Wir haben unseren Job bislang sehr gut gemacht, und das Resultat der harten Arbeit ist, dass wir aktuell Dritter sind. Aber es sind noch 15 Spiele zu absolvieren, und die Liga ist sehr ausgeglichen, sodass noch viel passieren kann. Wir dürfen auf keinen Fall nachlassen.

Gibt es wirklich nichts, das Sie positiv überrascht hat in der bisherigen Spielzeit?

Plachta: Überrascht wäre das falsche Wort. Wir sind ja nicht aus heiterem Himmel Dritter geworden. Das Ganze ist ein Prozess, der Mitte August begonnen hat. Am Anfang der Saison lief vieles noch nicht so rund. Wir brauchten Geduld, wie es bei jedem Neustart der Fall ist. Aber ich wusste, dass die Jungs etwas erreichen wollten. Ich sehe sie jeden Tag im Training und sehe die Entwicklung, die jeder einzelne Spieler macht und die wir als Team machen. Deshalb überrascht es mich nicht, dass wir Dritter sind. Aber es freut mich, weil es zeigt, dass wir gemeinsam einiges richtig machen. Das Potenzial für Platz drei haben wir, davon bin ich überzeugt.

Woran machen Sie den Erfolg fest? Immerhin haben Sie im Vergleich zur vergangenen Saison, die man wegen des Insolvenzantrags sportlich kaum werten konnte, die beiden Top-Importspieler Brad McGowan und Josh Mitchell verloren, mussten auch den Abgang von Galionsfigur Christoph Schubert verkraften, der Ihr Co-Trainer war. Wie haben Sie das aufgefangen?

Plachta: Durch mannschaftliche Geschlossenheit. Die Jungs sind zu einer Gruppe zusammengewachsen, die sehr gut funktioniert. Unsere deutschen Stürmer haben die Abgänge von Brad und Josh super kompensiert. Unser Über- und Unterzahlspiel hat sich sehr gut entwickelt. Mit Kai Kristian haben wir einen Top-Torwart. Und wir sind ein Team, das ex­trem hart arbeitet und deshalb von allen Gegnern respektiert wird. Dazu kommt, dass wir von Verletzungen weitgehend verschont geblieben sind. Das hilft auch.

Worin sehen Sie Ihren wichtigsten Beitrag? Es heißt aus Spielerkreisen, dass Sie sanfter geworden seien, nachdem es in der vergangenen Saison und auch zu Beginn dieser Spielzeit immer wieder mal Kritik an Ihrem ruppigen Führungsstil gab.

Plachta: Ich weiß nicht, ob ich sanfter geworden bin. Ich bin ein Freund der direkten Kommunikation, ich spreche Fehler nicht indirekt an, sondern adressiere Kritik direkt an denjenigen, den sie angeht, damit ich sicher sein kann, dass sie auch dort ankommt. Und Eishockey ist ein emotionaler Sport, da fallen auch mal deutliche Worte. Was glauben Sie, was ich in meiner Karriere schon an Beleidigungen gehört habe!

Die heutige Generation, nicht nur im Sport, kann mit direkter Kritik oft nicht umgehen. Mussten Sie Ihren Stil deshalb etwas anpassen, um Ihre Jungs zu erreichen?

Plachta: Es stimmt schon, dass jüngere Menschen sensibler geworden sind. Wir haben 20 Spieler mit 20 verschiedenen Charakteren, aber am Ende gibt es einen Trainer, der die Richtung vorgibt. Ich muss aber nicht mehr so oft auf Fehler hinweisen wie in der vergangenen Saison, weil die Jungs viel häufiger selber merken, was sie falsch gemacht haben, und es selbstständig korrigieren. Das hilft uns allen sehr und mag dazu geführt haben, dass ich sanfter wirke. Ein Beispiel: Am vergangenen Sonntag, als wir im Topspiel gegen den Tabellenzweiten Herne trotz 5:3-Führung noch 5:6 verloren haben, bin ich gar nicht in die Kabine gegangen. Da war auch ohne mich die Hölle los. Die Jungs wussten, was sie falsch gemacht hatten, und sie haben es untereinander geklärt. Das ist ein wichtiger Prozess, den ich als gutes Zeichen werte.

Wo sehen Sie in Ihrem Team kurzfristig noch Entwicklungspotenzial?

Plachta: Als Trainer sieht man auf allen Ebenen Entwicklungspotenzial. Der wichtigste Bereich ist aber unsere Mentalität. Vieles spielt sich im Kopf ab, und da müssen die Jungs lernen, noch kontrollierter zu sein. Das hat man gegen Herne gesehen. Ein Topteam spielt spätestens nach dem 5:4 ruhig auf Ergebnishalten. Wir sind weiter nach vorn gerannt, wollten den Sieg erzwingen. Daraus müssen wir lernen. Und wir müssen noch konstanter werden, die Ausschläge nach oben und unten dürfen nicht so hoch sein.

Täuscht der Eindruck, dass Sie sich ohne Co-Trainer wohler fühlen als im vergangenen Jahr mit Christoph Schubert?

Plachta: Ja, der täuscht. Ich hätte schon gern jemanden, der mich unterstützt, mit dem ich mich austauschen kann, der meine Arbeit bewertet und auch ein wenig kontrolliert. Mit Schuby habe ich gut zusammengearbeitet. Aber ich akzeptiere, dass der Club sich einen Co-Trainer aktuell nicht leisten kann.

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Spielt Ihr Team jetzt, in Ihrem zweiten Jahr, so, wie Sie es spielen sehen wollen?

Plachta: Auf jeden Fall glaube ich, dass wir uns alle besser aneinander gewöhnt haben und die Jungs verstehen, was ich von ihnen möchte. Hart, aber smart – das ist der Stil, den mein Team spielen soll. Und das funktioniert oft recht gut.

Bislang spielen Sie eine starke Saison. Ein Aufstieg ist aufgrund der fehlenden Halle für die DEL 2 und auch wegen der Stärke der Oberliga-Topteams nicht realistisch. Wann würden Sie von einer gelungenen Saison sprechen?

Plachta: Ich mache das nicht an einer Tabellenposition fest. Wenn wir Dritter bleiben, aber in den Play-offs in der ersten Runde scheitern, war es dann eine schlechte Saison? Oder umgekehrt: Wenn man als Achter in die Play-offs rutscht, aber das Halbfinale erreicht, war es eine starke Saison? Ich möchte Entwicklungen sehen und dass wir weiter unseren Weg gehen. Wir haben uns viel erarbeitet, aber noch nichts erreicht. Oben zu bleiben ist härter, als nach oben zu kommen. Wenn wir alles geben, um oben zu bleiben, dann wird es eine gelungene Saison.