Hamburg. Ein Jahr nach dem Insolvenzantrag ist Hamburgs Eishockey-Oberligateam wieder schuldenfrei und steht auf Rang drei der Tabelle.

Sven Gösch hat erwartet, dass sie kommen würden, diese Fragen. Intern sei das Ganze kein Thema mehr, sagt er. Aber dass an diesem Freitag, wenn die Eishockey-Oberligamänner der Crocodiles Hamburg um 20 Uhr im Eisland Farmsen die Moskitos Essen empfangen, der Blick auch in die Vergangenheit gerichtet wird, überrascht den Mann, der in Personalunion Geschäftsführer und Sportchef ist, nicht. Immerhin wird der 14. Dezember 2018 für immer als einer der schärfsten Einschnitte in die Geschichte des 1990 gegründeten Vereins verwoben bleiben.

Ein Jahr ist es her, dass die Spielbetriebs GmbH einen Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens stellen musste. Für die Fans, die Mitarbeiter und die meisten Spieler kam diese Nachricht aus heiterem Himmel. Nur weil anschließend alle, denen das Wohl des Drittligaclubs am Herzen lag, zusammenstanden, in diversen Sammelaktionen 191.908 Euro aufbrachten und damit ein Planinsolvenzverfahren ermöglichten, konnte die Saison 2018/19 sportlich beendet werden. Was aber haben die Crocodiles aus der heiklen Phase gelernt? Wie geht es ihnen heute, ein Jahr danach?

Insolvenzplan-Überwachung wird dieser Tage aufgehoben

Die wichtigste Nachricht kann der mit der Sanierung der Clubfinanzen beauftragte Michael Busching verkünden. „Die Crocodiles sind saniert. Alle 26 Gläu­biger haben ihr Geld gemäß des am 11. April beschlossenen Insolvenzplans bekommen“, sagt der Rechtsanwalt. Rund 300.000 Euro Verbindlichkeiten seien abgetragen. Nachdem das Insolvenzverfahren am 10. Juli aufgehoben worden war, folgt dieser Tage die Aufhebung der Insolvenzplan-Überwachung. „Das bedeutet, dass das Kapitel endgültig abgeschlossen ist“, sagt Busching.

Die erste Konsequenz, die die Crocodiles aus dem überraschenden Wegfall von rund 250.000 Euro Fördergeldern gezogen hatten, war das Verbreitern der wirtschaftlichen Basis. Dafür hatte sich Anfang des Jahres ein Sponsorenpool gegründet, der mittlerweile zwölf Mitglieder hat und im Sommer als vierter Gesellschafter neben dem wichtigsten Förderer Klaus-Peter Jebens, dem Allianz-Generalvertreter Steffen Leist und dem Notar Alexander Bowien 25 Prozent der Anteile an der Spielbetriebs GmbH übernommen hat.

Wirtschaftliche Basis stärken

Joachim Streese, Geschäftsführer der voplan Ingenieure GmbH, ist Sprecher des Sponsorenpools. Er sagt: „Für uns war wichtig, dass wir die wirtschaftliche Basis und den Zusammenhalt stärken. Beides ist uns gelungen.“ Der Sponsorenpool sei in alle Entscheidungen eingebunden, arbeite sehr vertrauensvoll mit den anderen Gesellschaftern und Gösch zusammen. Er hilft nicht nur bei der Suche nach neuen Förderern, sondern stellt Spielern, die neben dem Sport auch ihre berufliche Zukunft im Blick haben, Ausbildungsplätze zur Verfügung.

Dass alle Mitglieder am Dienstagabend zur Weihnachtsfeier der Mannschaft eingeladen waren, sei ein schönes Zeichen für die verschworene Gemeinschaft, die die Crocodiles seit des Insolvenzantrags geworden seien. „Dass wir dieses Zusammengehörigkeitsgefühl in die neue Saison hinüberretten konnten, halte ich für einen ganz wichtigen Grund für den aktuellen Erfolg“, sagt Streese.

Tabellenrang ist eine Überraschung

Tatsächlich ist der dritte Tabellenrang, den die Auswahl von Cheftrainer Jacek Plachta aktuell belegt, auch für Gösch eine Überraschung. „Dass es so gut läuft, damit hätte niemand gerechnet“, sagt der 46-Jährige. Auch er sieht den Hauptgrund dafür im Zusammenhalt untereinander. „Die Hälfte des Teams war in der vergangenen Saison nicht dabei. Aber die, die es erlebt haben, haben die Neuen sehr gut integriert. Jeder weiß, worauf es ankommt. Alle haben richtig Bock, etwas zu erreichen“, sagt er.

Auch Plachta lobt den Charakter seiner Mannschaft. „Die Jungs haben schon in der vergangenen Saison Charakter gezeigt, und das tun sie auch jetzt. Wir haben aus der schwierigen Situation mit dem Insolvenzverfahren gelernt, noch mehr zusammenzustehen“, sagt er. Auch für ihn sei die Phase extrem lehrreich gewesen. „Ein Team zu motivieren, das nicht an den Play-offs teilnehmen durfte und deshalb kein sportliches Ziel mehr hatte, war auch für mich neu. Die Jungs haben das Beste draus gemacht“, sagt er.

Ablösung Plachtas war schon mal ein Thema

Dass es im Binnenverhältnis Trainer–Mannschaft ein ums andere Mal gehörig knirschte, verhehlen die Verantwortlichen nicht. Einmal soll sogar der Mannschaftsrat bei Sponsorenpool und Sportchef vorstellig geworden sein, um die Ablösung Plachtas zu thematisieren. Der 50 Jahre alte Deutschpole gilt als harter, extrem fordernder Coach, der mit seiner direkten Ansprache manchen Spieler entnerve. So war das Karriereende von Angreifer Lennart Palausch (25) im Oktober dem Vernehmen nach nicht nur darin begründet, dass dieser aufgrund seiner Berufsausbildung nicht mehr am Training teilnehmen konnte, das wegen mangelnder Hallenkapazitäten ausschließlich vormittags stattfinden kann.

Dem Ansinnen des Mannschaftsrats nicht stattgegeben zu haben, sei aber keineswegs nur der Tatsache geschuldet gewesen, dass im eng gestrickten 750.000-Euro-Etat kein Geld für eine Abfindung eingeplant war. „Wir haben uns ausdrücklich für Jacek ausgesprochen, weil wir ihn für einen sehr guten Trainer halten. Das Team folgt ihm, und seine Handschrift sieht man jetzt“, sagt Joachim Streese, der die Spannungen allerdings bestätigt. Gösch sagt: „Es gibt immer Spieler, die unzufrieden sind. Aber wenn ein Großteil des Teams mit Jacek ein Problem hätte, hätten wir nicht die Ergebnisse, die wir haben.“ Plachta habe zwar seine Vorstellungen, er sei jedoch sanfter geworden. „Er ist in der Oberliga angekommen und hat seine Erwartungen angepasst“, sagt er.

Aufstellung eines Mehrjahresplans

Welche Erwartungen die Fans künftig an die Crocodiles haben dürfen, will Sven Gösch in den kommenden Monaten mit der Aufstellung eines Mehrjahresplans fixieren. „In dieser Saison geht es ausschließlich darum, wieder Vertrauen aufzubauen und die Saison sportlich bestmöglich zu absolvieren“, sagt er. Dank verschiedener Maßnahmen – neuer Vertrag mit Hallenbetreiber Bäderland, Einsparung des im Eintrittskartenpreis enthaltenen HVV-Tickets und Göschs Übernahme der Geschäftsführung von Christian Schuldt – habe man deutliche Einsparungen vorgenommen, Einschnitte im Spieleretat aber weitgehend verhindern können.

Mit einem Aufstieg in die DEL 2 und dem damit verbundenen Umzug in eine neue Spielstätte werde man sich erst beschäftigen, „wenn wir so weit sind, die Rahmenbedingungen dafür zu erfüllen“. Aktuell, sagt Gösch, mache ihm der angepeilte Zuschauerschnitt von 1300 die größten Sorgen. „Noch liegen wir im Rahmen, aber wir brauchen die Unterstützung unserer Fans dringend.“ Die Zuschauereinnahmen sind die unkalkulierbare Größe im Etat. „Wenn uns 500 wegbrechen, wird es schwer“, sagt er.

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Ausschließen, dass es wieder zu einer finanziellen Schieflage kommen kann, könne er deshalb nicht. „Im Profisport kann es immer passieren, dass man sich finanziell verhebt. Aber aktuell gibt es keinen Grund, daran zu zweifeln, dass wir die Saison mit einer schwarzen Null abschließen werden“, sagt er. Die Lizenz hatte der Deutsche Eishockey-Bund ohne Auflagen erteilt, Nachprüfungen hat es bislang nicht gegeben. Deshalb sagt Streese: „Die Budgetierung ist sehr solide. Wir sind auf dem richtigen Weg, aber wir brauchen Zeit.“ Zeit, die die Crocodiles in den vergangenen Monaten immerhin gut genutzt haben.