U-23-Weltmeister gewinnt als erster Franzose die Vattenfall-Cyclassics vor dem Rostocker André Greipel. Südafrikaner Impey schwer gestürzt.

Hamburg. Als Arnaud Démare 50 Meter hinter der Ziellinie in der Mönckebergstraße vom Rad gestiegen oder doch eher gesprungen war, hatte der Franzose nur einen Wunsch: Wasser. Die sofort gereichte Halbliterflasche leerte Démare in einem Zug. 245,9 Kilometer durch Hamburg, Niedersachsen und Schleswig-Holstein lagen hinter dem U-23-Weltmeister, doch vielmehr als die Länge des Kurses hatten dem Nachwuchsfahrer, der in einer Woche seinen 21. Geburtstag feiert, und seinen 159 Berufskollegen die Temperaturen auf der Strecke zu schaffen gemacht. Um die 50 Grad Celsius zeigte das Thermometer zwischenzeitlich in der Sonne, doch der Jüngste im Finish hatte auf den letzten Metern etwas überraschend die meisten Kräfte, um als erster Franzose die Vattenfall-Cyclassics zu gewinnen. "Das ist ein großer Moment. Dieser Sieg fühlt sich richtig klasse an", sagte er hinterher mit einem herzerfrischenden Lächeln, "das ist mein erster Erfolg bei einem ProTour-Rennen, und auf den bin ich schon ein bisschen stolz." 16 000 Euro Siegprämie mögen Démares Freude noch vergrößert haben.

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André Greipel war zwar nicht das Lachen vergangen, dem 30-Jährigen war nach eigenen Worten am Ende jedoch etwas der Saft ausgegangen. "Ich habe es nicht geschafft, meinen Motor zwischendurch genügend zu kühlen", meinte der Rostocker. Im Schlusssprint hätten ihm "deshalb die notwendigen Körner" gefehlt, um Démare noch abzufangen. Mit Platz zwei, seiner bislang besten Platzierung in Hamburg, sei er dennoch zufrieden. "Natürlich will man gewinnen, wenn man am Schluss um den Sieg fährt, aber Arnaud war diesmal die eine Reifenlänge besser. Vielleicht schaffe ich es ja noch, hier irgendwann ganz oben auf dem Treppchen zu stehen. Der Kurs liegt mir. An dem kann es nicht liegen", meinte der dreifache Etappensieger der diesjährigen Tour de France. Bislang letzter deutscher Sieger der Hamburg-Rundfahrt bleibt damit Erik Zabel, der heutige Renndirektor. Er gewann vor elf Jahren.

Angesichts der Klasse des Teilnehmerfeldes musste sich Greipel über den erneut verpassten Sieg in Hamburg nicht grämen. Hinter ihm kamen mit dem Italiener Giacomo Nizzolo, dem Belgier Tom Boonen und Vorjahressieger Evald Boasson Hagen aus Norwegen drei Topsprinter ins Ziel. Gerald Ciolek, der Zweite des Vorjahres, wurde 26. Er hatte seine Ambitionen wie angekündigt der Arbeit für seinen Quickstep-Kapitän Boonen geopfert. Und zu tun gab es für die Helfer in den 20 Teams am Schluss einiges, nachdem eine dreiköpfige Spitzengruppe 50 Kilometer vor dem Erreichen der City endlich eingefangen worden war. Immer wieder setzten sich auf den letzten Kilometern einzelne Fahrer ab, das Hauptfeld ließ jedoch jeden von ihnen stets nur ein paar Hundert Meter vorfahren. Der gewünschte Massensprint setzte schließlich am Rathausmarkt ein.

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Kurz danach kam es auf der engen Mönckebergstraße zu einem Massensturz. Der Südafrikaner Daryl Impey blieb dabei minutenlang regungslos auf dem Asphalt liegen, während 300 Meter vor ihm um den Sieg gekämpft wurde. Nach der Siegerehrung fuhr ein Rettungswagen des Deutschen Roten Kreuzes den 27-Jährigen mit Blaulicht ins nächste Krankenhauses, sein unbeschädigtes Rad mit der Startnummer 83 schob ein Teamkollege derweil zum Mannschaftsbus. Über die Schwere der Kopfverletzung Impeys gab es gestern Abend keine genaue Auskunft.

Der Unfall überschattete ein ansonsten wieder hoch attraktives Radrennen und befeuerte die vom Weltverband UCI unterstützten Ambitionen der Agentur Upsolut, noch in dieser Dekade, wahrscheinlich 2017 oder 2018, in Hamburg eine Rad-Weltmeisterschaft auszurichten. Schon in den nächsten Wochen will Geschäftsführer Frank Bertling dazu Gespräche mit Innensenator Michael Neumann führen. Der SPD-Politiker hatte erneut erfolgreich am Jedermann-Rennen über 55 Kilometer teilgenommen und steht den Plänen im Grundsatz positiv gegenüber, falls die finanziellen Verpflichtungen für die Stadt moderat und sportpolitisch vertretbar ausfielen. Bertling weiß um diese Problematik: "Es gibt verschiedene Modelle der Refinanzierung einer Weltmeisterschaft. Zudem könnte man über die nächsten Jahren aus den Vattenfall-Cyclassics einen gewissen Betrag für die WM ansparen." Weil eine Rad-WM von Fernsehstationen in rund 150 Länder übertragen wird und bis zu einer Milliarde Menschen dieses Ereignis weltweit wahrnehmen, sei das die beste Werbung für die Stadt, meint der Upsolut-Manager.

Dass die Polizei im Gegensatz zu den Vorjahren nur 600 000 Zuschauer an der Strecke registrierte, 200 000 weniger als zuletzt, war der Hitze geschuldet und den parallel stattfindenden Cruise Days im Hafen. Die Begeisterung auf der Zielgerade entsprach aber den Temperaturen. 41 Grad Celsius wurden zu diesem Zeitpunkt, gegen 17 Uhr, in der City gemessen. Es war das heißeste Rennen in 17 Jahren Cyclassics.

17. Hamburg Cyclassics über 245,9 km: 1. Démare (Frankreich/FDJ-BigMat) 6:03:20 Stunden; 2. Greipel (Hürth/Lotto-Belisol Team) gleiche Zeit; 3. Nizzolo (Italien/Radioshack-Nissan) +0:01 Minuten; 4. Boonen (Belgien/Omega Pharma-Quick Step); 5. Boasson Hagen (Titelverteidiger/Norwegen/Sky Procycling); 6. Renshaw (Australien/Rabobank Cycling Team); 7. Haussler (Australien/Garmin - Sharp); 8. Belletti (Italien/Ag2R La Mondiale); 9. Veelers (Niederlande/Team Argos-Shimano); 10. Bozic (Slowenien/Astana Pro Team) alle gleiche Zeit; ... 17. Schillinger (Amberg/Team NetApp) +0:02; 19. Hondo (Ascona/Schweiz/Lampre) +0:03; 26. Ciolek (Pulheim/Omega Pharma-Quick Step) +0:14; 30. Knees (Bonn/Sky Procycling) +0:24.