Vor Saisonbeginn galten die beiden Trainer als unantastbar. Jetzt drohen Thomas Schaaf und Louis van Gaal an ihrer ganz eigenen Art zu scheitern.

Hamburg. An diesem Sonnabend, das ist sicher, wird sich Louis van Gaal , 59, wieder in Schale werfen. Dunkler Anzug, Krawatte - das ist für den Bayern-Trainer auch im Heimspiel gegen Eintracht Frankfurt Pflicht. 24 Stunden später und 580 Kilometer weiter nördlich wird sein Bremer Kollege Thomas Schaaf , 49, zur Partie gegen den FC St. Pauli wieder seine Trainingsklamotten überstreifen. Edles Tuch trägt Schaaf nur an Festtagen, etwa bei Spielen in der Champions League.

Van Gaal und Schaaf sind zwei Trainertypen, die unterschiedlicher kaum sein könnten. Hier van Gaal, der Weltmann mit Stationen bei Ajax Amsterdam, beim FC Barcelona und als Nationaltrainer der Niederlande. Dominant bis an die Grenze der Arroganz. Dort Schaaf, Ur-Bremer mit Reihenhaus in Brinkum, seit nunmehr fast vier Jahrzehnten im Marsch durch die Werder-Instanzen: Jugendspieler, Profi, Jugendtrainer, Cheftrainer.

Gemeinsam haben sie jedoch ein großes Problem: mangelnden Erfolg. Eine Niederlage gegen Frankfurt würde den FC Bayern schon fast aussichtslos im Meister-Rennen zurückwerfen - eine indiskutable Zwischenbilanz für den Rekordmeister. Und Schaaf könnte bei einer Fortsetzung seines Negativlaufs gegen den FC St. Pauli mit Werder gar bedrohlich nah an die Abstiegszone rutschen. Bei beiden Trainern, die noch vor Saisonbeginn als unantastbar galten, ist inzwischen durchaus die Frage erlaubt, wie lange sie sich noch in ihren Ämtern halten werden. Mehr noch: Sowohl Schaaf als auch van Gaal drohen an ihrer ganz eigenen Art zu scheitern.

So galt Schaaf, seit 1972 Werder-Mitglied, schon immer als ein ganz besonderer Kauz. Sein Image als sparsamer Mensch ohne Allüren hat Schaaf gern gepflegt, etwa durch den dezenten Hinweis, dass er seine Uhr nicht bei Rolex, sondern bei Aldi erstanden habe. In den Jahren des Erfolgs - allen voran 2004 mit Pokalsieg und Meisterschaft - galt Schaaf gerade wegen seiner so drögen Art als liebenswert schrullig. Ein gern gesehenes Fossil aus der guten alten Fußballzeit.

Fehlender Erfolg indes verändert den Blickwinkel. Derzeit jedenfalls wirkt der Mann mit schütterem Haar und Schnäuzer so überholt wie Derrick unter den modernen "Tatort"-Ermittlern. Junge Spieler bei Werder klagen, dass Schaaf sie ignoriere, nur noch das Gespräch mit den altgedienten Torsten Frings, Per Mertesacker und Clemens Fritz suche, die ihm seit Jahr und Tag treu ergeben sind. Gegenüber Reportern hat sich der immer schon medienscheue Übungsleiter fast völlig abgekapselt, selbst der gewohnte tägliche Small Talk am Trainingsplatz findet nicht mehr statt. Langjährige journalistische Wegbegleiter klagen: "Er grüßt uns nicht mal mehr." Und reportieren mit einer gewissen Schadenfreude, dass sich ausgerechnet Sparfuchs Schaaf mit einer Investition in ein Autohaus gründlich verzockt hat.

Van Gaal wiederum hat sein internes Punktekonto deutlich überzogen. Als er noch den Bayern-Stars Sitte und Anstand beibog - Luca Toni etwa zog er sogar mit einem harschen "Sitz gerade" am Esstisch die Schultern hoch - fand die Chefetage dies richtig gut. Endlich mal einer, der durchgreift - nach dem laschen Trainernovizen Klinsmann. Ohne Scheu vor Stars, die der Holländer im Wechsel auf die Bank setzte.

Doch der Grat zwischen Autorität und Selbstherrlichkeit ist schmal. Van Gaal überschritt ihn in den vergangenen Monaten mehrmals. Etwa als er bei der Präsentation seiner Autobiografie "Visionen" ein Exemplar seinem Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge mit den Worten "Sollten Sie auch mal lesen. Lohnt sich" übergab. Oder als er jetzt einen vorzeitigen Verkauf von Bastian Schweinsteiger empfahl, falls der seinen Vertrag nicht verlängern sollte. Dann würde ein Transfer zumindest noch das Festgeldkonto füllen.

Solche Töne von leitenden Angestellten sind weder Rummenigge noch Präsident Uli Hoeneß gewohnt. Der faltete denn auch van Gaal via TV öffentlich zusammen: "Es ist sehr schwierig, mit ihm zu reden, weil er anderer Leute Meinung nicht akzeptiert." Echte Freunde, das scheint sicher, werden die beiden in diesem Leben nicht mehr.

In dieser Situation hilft nur noch Erfolg. Besonders bei Schaaf, trotz aller üblichen Treueschwüre. Noch können beide ihr berufliches Schicksal wenden. Der eine im Anzug, der andere in Trainingsklamotten.