Damen-Bundestrainer Michael Behrmann geht mit Selbstbewusstsein in seine erste Hockey-WM. Auftakt ist am 29. August in Argentinien.

Hamburg. Er hatte sich gewünscht, in diesen Tagen, die er Zuhause verbringt, mehr Zeit für seine Kinder Tim, 5, und Lina, 3, zu haben. Doch eigentlich war Michael Behrmann klar gewesen, dass es ein frommer Wunsch bleiben würde. Am Montag fliegt der 43-Jährige mit den deutschen Hockeydamen zur WM nach Argentinien (Start 29. August), und weil er seit November 2006 amtierender Bundestrainer ist, hat er kaum Muße, sich um anderes zu kümmern als die Videoanalyse der Gruppengegner oder die Vorbereitung seines Teams auf den Jahreshöhepunkt.

Von seinen Spielerinnen hat er nach der harten Vorbereitung verlangt, ein paar Tage vom Hockey abzuschalten, sich selbst gönnt er keine Ruhe. Dennoch ist der Behrmann, der einem vor seiner ersten WM als Bundestrainer gegenübersitzt, äußerlich ein anderer Mensch als der, der er vor einem Jahr war. Damals stand die EM vor der Tür, und Behrmann nach teaminternen Querelen im Anschluss an die Olympischen Spiele 2008 in Peking in der Kritik. Die EM schloss seine Auswahl mit Silber ab, aber nicht nur deshalb strahlt der gelernte Versicherungskaufmann mittlerweile ein gesundes Selbstbewusstsein aus, das ihm früher bisweilen abzugehen schien. "Ich habe mittlerweile das Team nach meinen Vorstellungen aufgebaut, und ich habe ein professionelles Umfeld, das mir sehr hilft", sagt er. Den Druck, eine Medaille gewinnen zu müssen, den alle deutschen Hockeyteams vor Großereignissen haben, lässt er nicht mehr so sehr an sich herankommen. "Das ist auch ein Ansporn. Allerdings weiß ich auch, dass Kleinigkeiten dazu führen können, dass man auf einmal nur Achter wird wie bei der WM 2006 in Madrid", sagt er.

Dass dies auch im hockeyverrückten Rosario passieren kann, wo in der Vorrunde mit den Niederlanden und Australien zwei Topteams mit den Deutschen um den Halbfinaleinzug rangeln, während in der anderen Gruppe die Gastgeberinnen hauptsächlich mit China und England zu kämpfen haben, ist Behrmann bewusst. Zumal sein "Konstrukt Nationalteam" auf zwei feste Säulen verzichten muss. "Mit der schwangeren Anke Kühn und der verletzten Jenny Plass fehlen uns zwei Stützen, dazu ist meine Kapitänin Fanny Rinne nach ihrer Nierenbeckenentzündung noch nicht vollständig fit. Aber wir werden das über das Kollektiv wettmachen können", hofft er.

Das Kollektiv, der Teamgedanke - es sind die Leitmotive eines Mannes, der sich auch als Bundestrainer nie dagegen gewehrt hat, dass ihn alle Michi nennen, und der es als eine seiner Schwächen bezeichnet, kein autoritärer Typ zu sein. Mit einigen seiner Spielerinnen arbeitet er seit der U 16 zusammen. "Natürlich frage ich mich da manchmal, ob nicht ein anderer unentdecktes Potenzial wecken könnte", gibt er zu. Andererseits macht ihm sein Beruf mittlerweile so viel Spaß, dass er sich mit den Widrigkeiten - geringe finanzielle Mittel, keine Möglichkeit der Zentralisierung des Auswahltrainings - abgefunden hat. "Das deutsche Hockey ist eben sehr vereinsbezogen. Das muss man als Bundestrainer akzeptieren."

Seine Hauptaufgabe sei es, den Spielerinnen beim Umschalten vom Vereins- in den internationalen Modus die einheitliche Taktik zu vermitteln und "ihr Bewusstsein dafür zu wecken, wo sie sich individuell verbessern könnten". Mit seinen Co-Trainern Kais Al Saadi und Jan Steller würde er diese Aufgabe gern bis zu den Olympischen Spielen in London 2012 erledigen, so lange läuft sein Kontrakt. Allerdings denkt Al Saadi, der zur am 25. September beginnenden Bundesligasaison Cheftrainer beim Uhlenhorster HC wird, an Abschied. "Der Verband kann Kais' Gehaltseinbußen nicht ausgleichen. Außerdem müssen wir aufpassen, unsere guten Trainer nicht zu verheizen", sagt Behrmann. Nach der WM werde man die Situation analysieren.

Behrmann selbst kann sich vorstellen, Al Saadi im Herbst als Co-Trainer beim UHC etwas von der Unterstützung zurückzugeben, die er jetzt erhält. Zudem möchte er im Januar 2011 die deutschen Damen bei der Hallen-WM in Polen betreuen, nachdem 2010 die Nationalteams in Feld und Halle getrennt gecoacht wurden. Zunächst jedoch will er nach der Rückkehr aus Argentinien vier Wochen nur für die Familie da sein. Der USA-Urlaub ist gebucht, die nächsten Videoanalysen müssen warten.