Kentikian-Kampf wurde abgebrochen, Alekseev indiskutabel und Brähmer musste verletzt absagen. Ein bitterer Kampfabend in Schwerin.

Schwerin. Wer wissen wollte, wie es um die Zukunft des Hamburger Profiboxstalls Universum bestellt ist, der musste am Sonnabendabend nur in das Gesicht von Dietmar Poszwa schauen. Der designierte Nachfolger und Schwiegersohn von Universum-Chef Klaus-Peter Kohl besticht üblicherweise durch blendende Laune, er weiß meist fröhliche Miene zum noch so durchschnittlichen Kampf zu machen. Doch in der Schweriner Kongresshalle glich sein Antlitz einer Geisterstadt. „Für diesen verkorksten Abend müssen wir uns beim Publikum entschuldigen“, sagte er konsterniert.

Tatsächlich könnte man das, was an jenem Abend über Universum hereinbrach, fatalistisch als Auflösungserscheinung beschreiben. Am Freitag hatte sich der zweite Hauptkämpfer Jürgen Brähmer wegen einer im Abschlusstraining erlittenen Rückenblessur für die Verteidigung seines WBO-WM-Titels im Halbschwergewicht abgemeldet. Hunderte Fans, die in Brähmers Heimatstadt nur wegen ihm Karten gekauft hatten, gaben diese an der Abendkasse zurück, so dass am Ende lediglich 2500 Zuschauer den Hauptkampf live verfolgten. Und die wurden erneut enttäuscht, weil das Duell zwischen Fliegengewichts-Weltmeisterin Susi Kentikian (22, Hamburg) und der Mexikanerin Arely Mucino, 21, nach nur 27 Sekunden der dritten Runde abgebrochen werden musste. Ein unabsichtlicher Kopfstoß führte zu einer so stark blutenden Platzwunde bei Kentikian, dass Ringrichter Joe Cortez keine Wahl blieb. Das Duell wurde als „No Contest“ (kein Wettkampf) gewertet.

Viel härter traf Universum jedoch eine Niederlage, die in ihrer Deutlichkeit alle Beobachter schockierte. Der russische Cruisergewichtler Alexander Alekseev, 29, wurde nach einer indiskutablen Leistung bereits in der zweiten Runde von seinem Landsmann Denis Lebedev, 30, mit einem linken Haken zur Schläfe ausgeknockt. In dem Duell ging es um das Herausforderungsrecht für WBO-Weltmeister Marco Huck vom Berliner Sauerland-Team, dessen Technischer Leiter Hagen Doering am Ring saß und die überraschende Pleite für den Konkurrenten äußerlich regungslos quittierte. Alekseev war von Universum für das neue Zukunftsmodell fest eingeplant gewesen. Der Kampf gegen Huck hätte ihm die Tür zum nach dem Beispiel des „Super Six“ im Supermittelgewicht geplanten Turniers im Limit bis 90,718 kg geöffnet und seinem Promoter die Chance gegeben, weiter im großen Geschäft mitzumischen. „Jetzt bezweifle ich, dass es für Alekseev überhaupt weitergeht. Der Weg nach oben ist jetzt sehr weit“, sagte Poszwa.

Wohin der Weg Universums führt, bleibt weiterhin unklar. Die Bosse äußern sich nicht zu ihren Plänen, Boxer und Trainer leiden unter der Ungewissheit, auch wenn sie darüber nicht in der Öffentlichkeit reden mögen. Den Mitarbeitern der Geschäftsstelle war Ende April fristgerecht zum 31. Juli, wenn die seit 2002 bestehende Kooperation mit TV-Partner ZDF ausläuft, gekündigt worden. In dieser Woche stehen Sondierungsgespräche an. Ihr Inhalt ist völlig ungewiss. Am 31. Juli findet in der Hamburger O2-World der letzte Kampfabend in Kooperation mit dem ZDF statt. Ob und wie es danach weitergeht, bleibt Spekulation. Die wahrscheinlichste Lösung ist, den Stall radikal zu verschlanken und mit wenigen Top-Sportlern auf Veranstaltungen in aller Welt lukrative Titelkämpfe zu bestreiten, da ein TV-Partner, der Kampfabende auf dem bestehenden Niveau finanzieren kann und will, nicht in Sicht ist. Nur eins ist klar: Noch mehr Niederlagen der Kategorie Alekseev kann das einstige Flaggschiff Universum nicht mehr wegstecken. Ein langjähriger Beobachter zog in Schwerin ein bitteres Fazit. „In Krisen spricht man ja gern vom sinkenden Schiff. Dann ist Universum heute ein U-Boot.“