Der Ukrainer dominiert Eddie Chambers nach Belieben, begeistert die Fans aber erst durch einen späten Knock-out in Runde zwölf.

Düsseldorf. Es war ein Journalist in einem auffällig roten Pullover, der den zweitbesten Wirkungstreffer des Abends landete. Ob er nun mit seiner neuen Freundin, der US-Serienschauspielerin Hayden Panettiere (20), in Urlaub fahre und es bald einen "kleinen Klitschko" gäbe, hatte der Mann auf der Pressekonferenz in der Esprit-Arena wissen wollen, und der Doppelweltmeister im Schwergewicht musste sich eine lange Denkpause nehmen, um eine halbwegs unverfängliche Antwort zu geben. Was seinem Gegner Eddie Chambers zuvor zu keinem Zeitpunkt gelungen war, hatte der ältere Herr vollbracht: Wladimir Klitschko war kurzzeitig aus dem Konzept gebracht.

Nur wenige Minuten zuvor hatte der 33 Jahre alte Ukrainer in offenen Worten das ausgesprochen, wovon 52 000 Zuschauer in der Arena und bis zu 13,74 Millionen an den Fernsehschirmen Zeuge geworden waren. "Ich kann mit dem Ergebnis zufrieden sein, aber es war über weite Strecken ein langweiliger Kampf, der zäh war wie Kaugummi. Ich war zu zurückhaltend, und wenn ich den Knock-out nicht geschafft hätte, wären die Fans wohl nicht zufrieden gewesen", lautete seine Analyse, die so genau traf wie der linke Haken an die Schläfe, mit dem der Zweimeterhüne (111 Kilogramm) seinen 15 Zentimeter kleineren und 16 Kilo leichteren Gegner fünf Sekunden vor Kampfende brutal durch die Ringseile geprügelt hatte.

Zwölf Runden lang hatte Klitschko das ungleiche Duell beherrscht, aber ebendiese Beherrschung machte aus dem Kampf eine Farce. Der Weltmeister der Verbände WBO und IBF tat gegen den 27 Jahre alten WBO-Pflichtherausforderer aus den USA neun Runden lang nur das Nötigste, bis ihn Trainer Emanuel Steward in der Pause zur zehnten Runde anbrüllte, er solle Chambers endlich ausknocken. Erst dann riskierte er mehr und lieferte nach einem Pfeifkonzert der Fans in der letzten Runde die große Klitschko-Show, die TV-Partner RTL mit überbordendem Pathos angekündigt hatte.

Es wäre vermessen und unfair, Klitschko die Schuld für den langweiligen Kampf zu geben. Es ist eine altbekannte Weisheit, dass der Gegner immer nur so stark ist, wie man ihn sein lässt. "Es liegt nicht an mangelnder Qualität der Herausforderer, sondern an meiner eigenen Qualität", sagte er. Seine Dominanz und die seines Bruders Vitali (38), Weltmeister des WBC, ist derzeit so erdrückend, dass die meisten Gegner nicht mehr zu gewinnen versuchen, sondern nur zu überleben. Chambers, der jetzt auch weiß, wo der Haken ist, wenn man gegen Wladimir Klitschko boxen muss, konnte seine Schnelligkeit zu keiner Phase in Wirkungstreffer ummünzen, weil er gar nicht zum Kopf durchkam.

+++ DAS INTERVIEW MIT WLADIMIR KLITSCHKO +++

Sein Plan, Klitschko im Clinch hochzuheben und ihn dadurch zu verwirren, war ebenso wirkungslos wie die durch einen aufgerissenen Handschuh erzwungene Unterbrechung vor der zehnten Runde. "Ich hatte keine Chance, er war zu stark für mich", sagte der Herausforderer, ehe er zur vorsorglichen Untersuchung seiner Gehirnströme in ein Krankenhaus gebracht wurde. Sein Promoter Dan Goossen sagte zwei für US-Amerikaner erstaunlich selbstkritische Sätze: "Es hat keinen Sinn, über ein Rematch nachzudenken, dazu war Eddie zu unterlegen. Die Einzigen, die die Klitschkos besiegen könnten, sind sie selbst."

Dennoch muss man bei der Dominanz eines so überlegenen Champions wie Wladimir Klitschko über zwölf Runden mehr erwarten als eine starke rechte Gerade in Runde zwei und einen brillanten linken Haken. "Wladimir denkt zu viel nach. Er will es zu gut machen und wartet deshalb oft zu lang. Er hätte den Kampf vier Runden früher beenden müssen", sagte Steward und schob halbherzig nach, es sei dennoch ein fast perfekter Kampf gewesen. Klitschko drückte es diplomatischer aus: "Ich weiß, dass ich noch viel Potenzial habe und viele Dinge beweisen muss."

Dass in naher Zukunft ein Gegner Klitschko dazu bringt, dieses Potenzial ausschöpfen zu müssen, glaubt Trainer Steward nicht. Weder dem nächsten Pflichtherausforderer der IBF, dem Russen Alexander Powetkin aus dem Berliner Sauerland-Team, noch WBA-Weltmeister David Haye (England) traut er den Mut zu, überhaupt mit seinem Schützling in den Ring zu steigen. "Sie hatten doch beide schon ihre Chance und haben gekniffen. Es ist Zeitverschwendung, über diese Kämpfe zu sprechen", sagte er. Klitschko-Manager Bernd Bönte kündigte indes im Namen des Doppelweltmeisters an, für einen Kampf mit Powetkin nach der Fußball-WM- und Sommerpause im September zur Verfügung zu stehen. Einzig eine Titelvereinigung gegen Haye könne diesen Plan noch vereiteln.

Sollten weder Powetkin noch Haye den Champion dann aus dem Konzept bringen können, ist das auch kein Problem. Bis zum September wird sich der Mann mit dem roten Pullover sicherlich eine neue Frage überlegt haben.