Fan-Betreuer Michael Gabriel spricht im Interview über die Sorgen der Fans. Ausschreitungen zwischen beiden Fangruppen befürchtet er nicht.

Danzig/Charkow. Als Leiter der Koordinationsstelle Fan-Projekte (KOS) kümmert sich Michael Gabriel vor Ort in der Ukraine um das Wohl der zahlreichen deutschen EM-Schlachtenbummler. Am Wochenende war er noch in Lwiw, seit Montag ist er in Charkow. Vor dem heutigen Nachbarschaftsduell gegen die Niederlande sprach Gabriel mit dem Abendblatt über die Bedingungen vor Ort, Hooligans und die Probleme an der polnisch-ukrainischen Grenze.

Hamburger Abendblatt: Herr Gabriel, was war Ihre größte Sorge vor der EM in der Ukraine und in Polen?

Michael Gabriel: Mein größtes Problem war definitiv das Defizit an zuverlässigen Informationen, insbesondere aus der Ukraine. Während in Polen die Fan-Arbeit in staatliche Konzepte eingebunden ist, sind unsere Ansprechpartner in der Ukraine überwiegend Ehrenamtliche. Somit konnten wir vorher nur schwer abschätzen, ob wirklich alle Fans überhaupt unterkommen.

Und? Waren Ihre Sorgen berechtigt?

Gabriel: Beim ersten Gruppenspiel in Lwiw musste jedenfalls kein Fan auf der Straße schlafen. Natürlich mussten viele Fans in überteuerten Hotels unterkommen, aber es gab auch sehr viele private Initiativen von Ukrainern, die uns großartig geholfen haben. Uns wurde während der Vorbereitungen von den Ukrainern immer gesagt, dass nicht alles perfekt sein wird, es am Ende aber doch irgendwie klappen sollte.

Hatten Sie nach all den Berichten über fehlende Hotelzimmer, mangelhafte Infrastruktur und Hooligans ernsthaft mit 10 000 deutschen Fans gerechnet, die sich bis nach Lwiw gewagt haben?

Gabriel: Damit konnte man nicht rechnen, obwohl wir natürlich wussten, wie viele Karten verkauft wurden. Deutschland hat nach den Russen und den Iren die mit Abstand meisten Fans bei dieser EM dabei. Dabei kann man nur staunen, was die Leute alles auf sich nehmen. Ich habe einen Motorradfahrer mit Berliner Kennzeichen getroffen, den ich schon in Südafrika bei der WM mit seiner Maschine gesehen habe. Da die Ukraine nicht zur Schengengruppe gehört und es deswegen aus bürokratischen Gründen unglaublich schwierig ist, mit dem Auto einzureisen, haben viele ihr Auto einfach an der Grenze zu Polen geparkt und sind mit Bussen weitergereist. Einer, der spät dran war, ist sogar mit dem Taxi bis nach Lwiw gefahren.

Mit wie vielen Anhängern rechnen Sie gegen die Niederlande in Charkow?

Gabriel: Es wurden rund 9000 Karten von deutschen Fans gekauft, wobei es fraglich ist, ob tatsächlich alle wiederkommen. Charkow ist ja noch eine ganze Ecke weiter als Lwiw. Zum Vergleich: Der niederländische Verband rechnet mit rund 5000 bis 6000 Holländern.

Traditionell gilt das Verhältnis zwischen Deutschen und Niederländern als nicht gerade einfach. Muss man sich vor dem Duell in Charkow Sorgen machen, dass es Ausschreitungen geben könnte?

Gabriel: Nein. Wer so weit fährt, der will Fußball schauen und sich nicht prügeln. Ohnehin ist das Verhältnis zwischen deutschen und holländischen Fans nicht mehr ganz so kritisch, wie es einmal war. In den Niederlanden gibt es ein ernsthaftes Hooligan-Problem in den Vereinen, die extrem verfeindet sind. Bei der Elftal gibt es dieses Problem nicht. Etwas größere Sorgen würde ich mir machen, wenn Deutschland beispielsweise auf Polen trifft. Denn da kommt zur sportlichen auch eine politische Brisanz hinzu. Das gilt auch für die Begegnung zwischen Polen und Russland. Aber lassen Sie uns den Teufel nicht an die Wand malen. Bislang ist es ein friedliches und entspanntes Turnier, und so soll es auch bleiben.