Die Erzrivalen begegnen sich am Dienstag in Warschau. Nicht nur sportlich ist das Duell höchst brisant. Schiedsrichter ist ein Deutscher.

Warschau. Die Angst vor Ausschreitungen im Gastgeberland Polen wächst. Politisch heikel, sportlich brisant – der EM-Vergleich zwischen Polen und Russland birgt reichlich Konfliktstoff. Ein geplanter Marsch russischer Fußball-Fans Richtung Warschauer Nationalstadion und anhaltende Verschwörungstheorien um den Flugzeugabsturz des damaligen polnischen Präsidenten Lech Kaczynski im April 2010 bei Smolensk heizen vor der Partie am Dienstag (20.45 Uhr/ARD und im Liveticker auf abendblatt.de) die Stimmung an.

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Aus Sorge vor Zusammenstößen der Anhänger werden die Sicherheitsmaßnahmen verstärkt. Das Spiel in Warschau werde die bisher größte Herausforderung für die polnische Polizei sein, wie Innenminister Jacek Cichocki am Montag unterstrich. Fast 30.000 polnische und knapp 10.000 russische Fans werden erwartet. Einige von ihnen wollten während der Nationalhymne Papierflugzeuge auf das Feld werfen und dazu ein Transparent mit der Aufschrift „Smolensk“ hochhalten, schrieb der russische Sportjournalist Alexej Lebedew.

Darüber hinaus lässt auch die Tabellensituation ein prickelndes Kräftemessen der Erzrivalen erwarten, das den deutschen Schiedsrichter Wolfgang Stark (Ergolding) vor eine schwere Aufgabe stellt. Schließlich könnten sich die Russen mit einem Sieg als erstes Team für das Viertelfinale qualifizieren. Die jüngsten Lobeshymnen für die Sbornaja kommen Mittelfeldspieler Eugen Polanski gerade recht: „Die Russen sind Favorit – darin liegt unsere Chance.“

Anders als beim ernüchternden 1:1 im Eröffnungsspiel gegen Spielverderber Griechenland halten sich die Medien und Fans diesmal mit optimistischen Prognosen zurück. Niemand kommt nach der Gala der Russen beim 4:1 gegen Tschechien auf die Idee, das heimische Team schon vorab zum vermeintlichen Sieger zu erklären. Deshalb empfindet nicht nur der Mainzer Polanski, sondern auch der Dortmunder Jakub Blaszczykowski weniger Druck als vor dem Duell mit den Griechen. „Für uns wird es vielleicht sogar leichter. Denn wir bekommen eventuell mehr Räume, um zu kontern“, sagte er dem „Kicker“.

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Um den drohenden kompletten Fehlstart in das eigene Turnier abzuwenden, werden nicht nur auf dem Trainingsplatz Strategien erdacht. Nach den schlechten Erfahrungen mit dem geschlossenen Stadiondach, das im ersten Spiel zum Leidwesen der Profis für stickige Luft gesorgt hatte, wird in den kommenden Partien „offen“ gespielt.

Diese Maßnahme soll dazu beitragen, dass der polnischen Mannschaft nicht erneut nach 45 Minuten die Luft ausgeht. „Wir werden in den nächsten beiden Spielen so spielen wie in der ersten Halbzeit gegen Griechenland“, versprach Torjäger Robert Lewandowski. Ähnlich kämpferisch äußerte sich sein Dortmunder Vereinskollege Lukasz Piszczek: „Wir stehen nicht auf verlorenem Posten. Wir spielen zu Hause und haben die Fans hinter uns.“

Die Ausgangslage der Russen ist ungleich besser. Mit einem weiteren Sieg wäre das Minimalziel Viertelfinale bereits erreicht. Doch der famose Auftritt gegen Tschechien hat Lust auf mehr gemacht. „Es war der erste Schritt – von sechs, wenn wir ins Finale wollen“, kommentierte Mittelfeldspieler Alan Dzaghoev.

Das hohe Anspruchsdenken seiner Profis kommt Dick Advocaat gelegen. Es nimmt dem niederländischen Trainer die Sorge, dass seine bereits zum neuen EM-Geheimfavoriten erklärten Himmelsstürmer übermütig werden könnten: „Ich habe noch keinen Spieler gesehen, der denkt, dass das ein einfaches Spiel wird. Es gibt keine einfachen Spiele.“ (dpa/HA)