Sie spielen selbst Fußball bei den achten Herren des FC St. Pauli und fahren mit dem VW-Bulli 18.500 Kilometer von Hamburg nach Südafrika.

Unser Etappenziel für diesen Tag: Der Campingplatz von Kim und Tim am Lake Tana. Zu optimistisch, die rund 200 Kilometer starten zwar optimal auf Asphalt, wir haben aber in unserer Zeitplanung den Verkehr in Äthiopien unterschätzt: Selbstmordziegen, stumpfe Rindviecher, tollkühne Esel und ein Volk, das offensichtlich auf der Straße lebt, drücken das Tempo. Dorf hinter Dorf schmiegt sich an das schmale Asphaltband, im Slalom geht es langsam voran. Die vielen Äthiopier sind dabei nicht schüchtern, sagen was sie von den Farangi – den Weißen – wollen: „plastic, plastic, plastic,“ „money, money, money“ oder „pen, pen, pen.“ Wer nichts gibt, bekommt schon mal ein Stein aufs Blech gedonnert. Gegen neun Uhr abends erreichen wir, ohne Dellen, die erste Etappe in Äthiopien. Die holländischen Campbetreiber wissen was uns fehlt: „Habt ihr Hunger – wollt ihr ein Bier,“ hier sind wir richtig. Unsere Truppe ausgetrocknet aus dem Sudan – Kim und Tim durstig nach einer Gruppe von Wasser trinkenden Vegetarierinnen. Zeit für eine Holländisch-Deutsche Nacht, reichlich Bier und Schnaps. Der Hinweis im Dunkeln aufzupassen, um nicht auf eine Schlange oder einen Skorpion zu treten, kommt allerdings nicht mehr bis zu unseren alkoholvernebelten Hirnen – anders lassen sich die ungewollten Rollen durchs Gebüsch nicht erklären. Die kleinen Tierchen beweisen allerdings Geschmack, verschonen uns – Glück gehabt.

Weiter geht es über eine schöne Strecke in den Nationalpark Simien-Mountains. Ein Umweg, der sich lohnt, der Park liegt bis zu 4300 Meter hoch und ist bekannt für eine seltene Gruppe von Steinböcken und einer speziellen Pavian Art, den Geladas, – Zwei Arten, die es nur hier gibt. Die Affen sind wirklich besonders, lassen einen auf wenige Meter ran, sitzen dabei ruhig auf einer Wiese und zupfen Gras. Bei ihrer Größe und dem fiesen Gebiss ist man froh, dass sie Vegetarier sind und nicht auf Hamburger stehen. Und erst die Landschaft, der Blick von den Bergkämmen in die Täler ist atemberaubend, alleine für die Aussicht hätte sich die Fahrt in das Gebirge gelohnt. Nur unseren bewaffneten Wächter haut der Anblick nicht vom Hocker, kaum in unserem Bus Platz genommen, schlummert er tief und fest. Die fünf Euro für ihn scheinen gut angelegt. Mit dem verpennten Wachmann im Schlepptau schrauben wir uns Serpentine um Serpentine dem Bergpass entgegen. Und plötzlich bei rund 3800 Meter stehen sie vor uns, Steinböcke. Nicht wie erwartet auf einem weit entfernten Bergkamm, die wilden Tiere lassen uns ganz ruhig auf rund 20 Meter ran. Es ist eine kleine Herde, darunter drei Böcke mit riesigen Hörnern, sehr beeindruckend. Der Rückweg aus den Bergen ist dagegen eher bedrückend, unser linker Stoßdämpfer ist inkontinent.

Genau wie in Jordanien gibt es auch in Äthiopien in den Stein geschlagene Kirchen. Der Weg hat es allerdings in sich, Schlagregen und Schlamm, wir rutschen dem Ziel entgegen. Die dunklen Gewitterwolken am späten Nachmittag sorgen für eine unglaubliche, fast irreale Stimmung. Niemals hätten wir in Äthiopien so viel Abwechslung erwartet, es geht über fruchtbare Täler und karge Bergpässe, wunderschön.

Lalibella ist ein sehr touristischer Ort, viele Hotels, alle deutlich teurer. Nach langen hin und her finden wir einen Platz für 2,50 Euro pro Auto. Die Steinkirchen sind die Wucht, am eindrucksvollsten ist ein in den Fels geschlagenes Kreuz. Zumindest sieht es von Oben so aus, wenn man an den rund zwölf Meter steilen Abgrund tritt, erkennt man erst die ganze Dimension des Kirchenbaues, sehenswert.

Auf nach Addis Abeba, geplant ist es über die Grüne Grenze nach Kenia zu fahren, daher liegt die äthiopische Hauptstadt gezwungenermaßen auf dem Weg, nur so bekommen wir das nötige Visum für die Einreise ins nächste Land. Die Strecke ist mit rund 650 Kilometer zu lang, um es an einem Tag zu schaffen, wir überlegen, wild zu Campen. In allen anderen Afrikanischen Ländern ist das kein Problem, in Äthiopien schon – zumindest raten alle Reiseführer davon ab. Grund: Zu viele nervige Zaungäste. Egal, von der Straße abgebogen und ausprobiert, schließlich sind wir in Afrika, um unsere eigenen Erfahrungen zu sammeln. Tja, leider treffen die Reiseführer mit dieser Behauptung ausnahmsweise voll ins Schwarze. Kaum sind die Wagen abgestellt, schon werden wir von einer Menge Leute belagert. Unsere Idee, wir spielen Fußball mit den Einheimischen. Unsere Hoffnung, nach dem Spiel verlieren die vielen Äthiopier ihr Interesse an uns. Das Spiel macht wirklich Spaß, erst in gemischten Mannschaften, dann Deutschland gegen Äthiopien. Läuft der Ball bei uns gekonnt durch die Reihen, versuchen sich die Äthiopier mehr mit Einzelaktionen in Szene zu setzen. Die Konditionsvorteile liegen auf jeden Fall bei den Einheimischen, kein Wunder schließlich sind sie nicht einmal halb so alt wie wir, zusätzlich geht in einer Höhe von 2500 Meter nicht nur dem Ball zu schnell die letzte Luft aus. Der Ausgang des Spieles? Wir haben uns höflich mit einer Niederlage für die Gastfreundschaft bedankt. Abpfiff mit dem Dunkel werden, nur leider geht unser Plan nicht auf – keiner der Zuschauer verpfeift sich. Gefühlt steigt sogar die Menge Mensch. Man stelle es sich so vor – man sitzt auf einem kleinen Drei-Bein-Hocker, erst halten unsere Gastgeber gebührend Abstand, rücken dann aber immer näher, bis am Ende unzählige Körper selbst den Blick zum Himmel verdecken. Zwischendurch immer wieder ein streicheln durch die Haare, oder ein kurzer Kniff ins Fleisch – nach dem Motto, sind die wirklich weiß oder ist es alles nur ein fake. Am Ende kapitulieren wir, fahren in die nächste Ortschaft und stellen uns auf einen umzäunten Hotelparkplatz.