Die Sperrung des Luftraums hat viele Fragen aufgeworfen. Es geht um Beförderung, offene Hotelrechnungen oder strittige Kostenerstattung.

Wiesbaden/Kempten. Einige Antworten können Reiserechtler schon heute eindeutig geben, andere werden wohl in den kommenden Monaten von den Gerichte kommen:

Muss meine Airline die Mehrkosten für ein Zugticket tragen? Jein. Reisende bekommen bei Flügen, die wegen der über Europa hinwegziehenden Vulkanasche-Wolke gestrichen worden sind, nur denTicketpreis erstattet, wenn sie den Beförderungsvertrag gekündigt haben. Die Summe ist dann binnen sieben Tagen fällig, erklärt Prof. Ernst Führich, der an derHochschule Kempten Reiserecht lehrt. Eventuelle Mehrkosten für einen alternativen Reiseweg - beispielsweise per Bahn – muss die Fluggesellschaft nach einerStornierung nicht mehr zahlen. Kündigt der Reisende nicht, hat die Fluggesellschaft für eine anderweitige Beförderung zum frühestmöglichen Zeitpunkt zu sorgen. Macht sie das nicht, kann er die seine Beförderung selbst organisieren und die Kosten dafür von der Fluggesellschaft zurückverlangen, so Führich.

Wie lange muss eine Airline Gestrandeten das Hotel bezahlen? Das ist unklar. „Es gibt Airlines, die die Weiterbeförderung zum nächstmöglichen Zeitpunkt versprochen haben, aber sich weigern, länger als ein oder zwei Nächte das Hotel zu bezahlen“, erläutert der Reiserechtler Holger Hopperdietzel aus Wiesbaden. „Das ist rechtlich etwas ganz Neues.“ Zwar sehe die EU- Fluggastrechteverordnung keine zeitlichen Einschränkungen für Betreuungsleistungen vor. Aber genau diese Unklarheiten des Verordnungstextes versuchten die Fluggesellschaften für sich zu nutzen und ließen es auf Prozesse ankommen. Neben der Hotelunterbringung sehen die Betreuungsleistungen eine angemessene Verpflegung sowie zwei kostenlose Telefonate, beziehungsweise Faxe oder E-Mails vor.

Stehen mir als Flugreisendem Entschädigungszahlungen zu? Nein. Über die Erstattung des vollständigen Flugpreises hinaus, kann der Reisende nicht auf Ausgleichszahlungen von bis zu 600 Euro hoffen, die bei verschuldeten Verspätungsfällen fällig werden. Eine Flugannullierung wegen Vulkanasche sei ein außergewöhnlicher und nicht durch die Airline beherrschbarer Umstand im Sinne der EU-Verordnung, erklärt Prof. Führich.

Darf mein Veranstalter den Reisevertrag am letzten Urlaubstag kündigen? Ja. Fällt der geplante Rückflug wegen der Aschewolke aus, hat der Veranstalter die Möglichkeit, den Reisevertrag wegen höherer Gewalt zu kündigen. „Die Hotelkosten muss der Reisende dann allein tragen“, erklärt Hopperdietzel. Der Veranstalter bleibe aber in der Pflicht, seine Gäste nach Hause zu bringen. Ein weiterer Wermutstropfen für den gekündigten Pauschalreisenden: „Eventuelle Mehrkosten für die Rückbeförderung werden geteilt.“Es gibt allerdings Veranstalter wie Dertour oder Öger Tours, die die Übernachtungskosten aus Kulanz übernehmen.

Ich starte in den nächsten Tagen per Flugzeug in den Urlaub. Sollte ich vorsorglich stornieren? Besser nicht. „Das ist immer ein Risiko“, sagt Reiserechtler Hopperdietzel. Denn ob die Aschewolke den Abflug tatsächlich verhindert, und damit eine Kündigung wegen höherer Gewalt rechtfertigt, sei schwer vorherzusagen. „Der sicherere Weg ist, den Vertrag bestehen zu lassen.“ Den vollen Reisepreis würde der Reisende ohnehin nur bei Kurzreisen von bis zu einer Woche zurückerhalten - wenn absehbar war, dass sich der Abflug mehrere Tage verschieben wird, erklärt Prof. Führich. Für längere Reisen sei eine Kündigung wegen höherer Gewalt ohnehin nicht möglich. Ein deutlich verspäteter Abflug ab vier Stunden könne aber als Reisemangel geltend gemacht werden.

Kann ich jetzt noch ruhigen Gewissens meinen Pfingsturlaub buchen? ImPrinzip ja. Wer jetzt bucht, kann auch noch wegen höherer Gewalt im Mai stornieren, wenn die Aschewolke immer noch oder wieder da sein sollte. „Bei der Buchung der Reise darf nicht vorhersehbar gewesen sein, dass die Reise beeinträchtigt ist“, sagt Prof. Ronald Schmid, Experte für Luftverkehrsrecht aus Wiesbaden. Dies sei jetzt der Fall: „Es ist jetzt nicht vorhersehbar, dass die Reise Ende Mai gefährdet ist.“

Sollte ich wegen der Vulkanasche meinen bereits gebuchten Sommerurlaub stornieren oder umbuchen? Nein. „Sie können jetzt noch nicht wegen höherer Gewalt kündigen“, sagt Prof. Schmid.

„In einer Woche ist das wahrscheinlich alles kein Thema mehr.“ Es sei nur eine Frage der Zeit, bis sich der Wind drehe und die Asche in eine andere Richtung treibe. „Sie müssen heute die Frage stellen, ob die Reise absehbar beeinträchtigt, gefährdet oder erheblich erschwert ist“, erklärt Schmid. „Wenn das definitiv der Fall ist, können Sie natürlich heute kündigen.“ Dies könne aber niemand vorhersagen. (dpa)