Der Kirchenvorstand entscheidet sich aus finanziellen Gründen gegen das umstrittene, 80.000 Euro teure Bauvorhaben. Ist es jetzt vom Tisch?

Neritz. Die Gemeinde Neritz bekommt nun doch keinen Glockenturm. Der Kirchenvorstand hat das umstrittene Bauvorhaben auf Eis gelegt - vermutlich für immer. "Wir verfolgen das Projekt zurzeit nicht weiter", sagt Pastor Diethelm Schark, Vorstandsvorsitzender der Oldesloer Kirchengemeinde. Zu diesem Ergebnis seien seine Vorstandskollegen und er bei einer Abstimmung im nicht öffentlichen Teil ihrer jüngsten Sitzung gekommen. Schark: "Die Entscheidung war knapp, wir haben sie uns nicht leicht gemacht."

Vor einem Jahr hatten sich die Neritzer bei einem Bürgerentscheid mit einer knappen Mehrheit von sechs Stimmen für den Glockenturm ausgesprochen. Noch im März sagte Pastor Diethelm Schark gegenüber dieser Zeitung, dass der Bau neben dem Gemeinschaftshaus noch dieses Jahr starten solle. Ein Architekt hatte einen Entwurf für den 13 Meter hohen Turm angefertigt und die Kosten für den Bau auf 80 000 Euro geschätzt.

Warum der Rückzug? Das habe finanzielle Gründe, sagt Schark. Die Kirche habe von Anfang an zugesichert, dass der Glockenturm nicht von Steuergeldern bezahlt werde. Schark: "Wir wollten ihn mit Hilfe von Spenden und EU-Fördermitteln von der Aktivregion Holsteins Herz finanzieren."

Den Bewilligungsbescheid der Fördergelder in Höhe von 38.000 Euro hat die Kirchengemeinde inzwischen vorliegen, allerdings auch ein Schreiben der Aktivregion, in dem die daran geknüpften Bedingungen aufgelistet sind. "Darin steht, dass wir uns mit Eigenmitteln in Höhe von 17.000 bis 30.000 Euro an den Kosten beteiligen müssen und dass Spenden keine Eigenmittel seien", sagt Schark. "Das war wie ein Donnerknall." Rolf Dabelstein, Pastor der Gemeinde Neritz, ergänzt: "Das hat vorher keiner gewusst." Der Kirchenvorstand habe sich nun in einem Dilemma befunden. Entweder er greife entgegen seiner bisherigen Versprechungen doch auf Steuergelder zurück, oder er verzichte auf den Glockenturm.

+++ Kommentar: Streit statt Glockengeläut +++

Andere Möglichkeiten, das Projekt zu finanzieren, habe der Vorstand nicht gesehen. Nur mit Spenden hätte die Kirchengemeinde die 80.000 Euro nicht aufbringen können. Knapp die Hälfte des Vorstands habe das Vorhaben auch unter den neuen Voraussetzungen durchziehen wollen, sagt Schark. "Die Mehrheit aber wollte ihre Glaubwürdigkeit behalten und nicht auf Steuergelder zurückgreifen."

Erschwerend sei hinzu gekommen, dass der Kreis den gestellten Bauantrag wegen eines fehlenden Lärmschutzgutachtens und aus Brandschutzgründen abgelehnt hat. Der Turm hätte zu nah an der Feuerschutztreppe des Gemeinschaftshauses gestanden, so die Kritik des Kreises. "Ich bin mir aber sicher, dass wir das Problem noch gelöst hätten", sagt Diethelm Schark. Aber es mache keinen Sinn, einen Streit vom Zaun zu brechen, wenn man ihn doch nicht bis zum Ende durchziehen könne.

"Es gibt keine realistische Chance, den Turm wieder zu beleben", sagt Vorstandsmitglied Johannes Storz sichtlich enttäuscht. Der Neritzer hatte von Beginn an für den Glockenturm gekämpft und vor zwei Jahren eine Bürgerbefragung vorgenommen, bei der sich 67 Prozent für das Vorhaben aussprachen. Ähnlich enttäuscht wie Johannes Storz ist auch Pastor Rolf Dabelstein. Er sagt: "Ich hätte mir eine positive Entscheidung gewünscht. Wir hätten doch sagen können, dass sich die Voraussetzungen geändert haben."

2006 hatte die Kirchengemeinde Bad Oldesloe die 380 Kilogramm schwere Glocke auf Initiative der damaligen Kirchenvorsteherin Elisabeth Lienau für 1800 Euro erworben. Seitdem streiten die Einwohner in dem 320-Seelen-Dorf, ob und wo der dazugehörige Glockenturm gebaut werden soll. "Der Streit hat unser Dorf gespalten", sagt Bürgermeister Dieter Dabelstein (Aktionsgemeinschaft Neritzer Wähler). So hätten bei den Seniorennachmittagen früher alle friedlich zusammengesessen. Heute würden die Befürworter des Turms an einem Tisch und die Gegner an einem anderen sitzen. Dieter Dabelstein: "Ich hoffe, dass das Dorf jetzt endlich Ruhe hat."

Was nun aus der Glocke werde, stehe noch nicht fest. Pastor Rolf Dabelstein sagt: "Das kann nur in Einverständnis mit Frau Lienau entschieden werden." Bis dahin bleibt sie erst einmal dort, wo sie sich schon seit fünf Jahren befindet: versteckt in einer Scheune.