Ein geplanter 13 Meter hoher Turm entzweit das kleine Dorf seit Monaten

Neritz. Eigentlich sollte die Glocke das Zusammengehörigkeitsgefühl in der kleinen Gemeinde Neritz stärken. So hatte es sich zumindest Elisabeth Lienau gedacht, als sie nach den Gottesdiensten im Gemeinschaftshaus den Wunsch nach Glockengeläut äußerte. Für 1900 Euro wurde eine kupferne C-Glocke gekauft - und ausgerechnet die spaltet das Dorf seitdem (wir berichteten). Bei einer Einwohnerversammlung kamen nun noch einmal Befürworter und Gegner der Glocke zu Wort. Der ehemalige Trittauer Bürgermeister Jochim Schop war eingeladen worden, um zu schlichten im "Glocken-Streit".

Initiatorin sagt unter Tränen: "Das habe ich nicht gewollt."

Denn auch diesmal war die Stimmung wieder emotional, als gleich zu Beginn ein Bürger aus dem Publikum an die Streithähne appellierte: "Ich lebe seit 28 Jahren in Neritz, 24 Jahre davon waren Friede, Freude, Eierkuchen. Jetzt aber redet man nur noch negativ über uns. Ich habe das Gefühl, es geht um vergangene Fehden. Die Glocke, die höchstens fünf Minuten pro Woche läutet, kann es jedenfalls nicht sein."

Die 73 Jahre alte Glocken-Initiatorin Elisabeth Lienau sagte daraufhin, den Tränen nahe: "Das habe ich nicht gewollt, und es macht mich sehr traurig." Dann setzte Glocken-Gegner Michael Lienau zu einer halbstündigen Rede an. Er musste mehrmals vom Publikum und von Schlichter Schop zur Kürze ermahnt werden. "Warum brauchen wir eine Glocke ohne Kirche, Friedhof oder Kapelle?", fragte er. Die Kosten von 65 000 Euro halte er für zu hoch für etwa vier Gottesdienste im Jahr. Noch dazu werde die Hälfte vom Verein "Holsteins Herz" bezahlt und damit letztendlich aus Steuergeldern, die man hier verschwende. Vor allem aber störten ihn, den direkten Anwohner, der 13 Meter hohe Turm und der Lärm. Eine Dame aus dem Publikum merkte an, sie wohne direkt gegenüber und würde sich daran nicht stören. Ein anderer Bürger warf Lienau vor, seinen Frust am Dorf auszulassen.

So ging es hin und her, bis sich ein Bürger erhob und "ein Bürgerbegehren wie in Hamburg" forderte. Dafür gebe es zwei Möglichkeiten, erklärte Schlichter Schop. "Mindestens zehn Prozent der Wahlberechtigten könnten ein klar formuliertes Bürgerbegehren einreichen oder die Gemeindevertreter beschließen gleich, dass sie die Entscheidung den Bürgern überlassen."

Dabei hatte es bereits im November 2009 eine Umfrage der Kirchengemeinde zu diesem Thema gegeben, 67 Prozent hatten sich dabei für die Glocke ausgesprochen. Doch die Gegner werfen den Organisatoren wie Johannes Storz Beeinflussung oder gar Bestechung vor. Gegen eine Ja-Stimme habe Storz dem Glockengegner Jürgen Stoffers Mitbestimmung beim Bau des Turms versprochen. Auch sei zumindest ein Haushalt nicht befragt worden.

Bürgermeister hofft, dass im Herbst wieder Friede im Dorf einkehrt.

50 der anwesenden 65 Neritzer stimmten per Handzeichen für ein Bürgerbegehren. Bei 338 Einwohnern reichten bereits 34 Unterschriften.

Also wird der Glockenturm erneut Tagesordnungspunkt auf der Gemeindevertretersitzung am 8. Juli. "Die Politiker werden vermutlich dem Bürgerbegehren zustimmen", sagte Bürgermeister Dieter Dabelstein. Nach dem Sommerferien könne dann der Entscheid vorbereitet werden. Mit einem endgültigen Ende des Neritzer Glockenstreits rechnet Dabelstein im September oder Oktober.