Beim Amtsgericht Buxtehude läuft ein Verfahren gegen zwei Männer aus Estebrügge. Die Polizei ermittelt gegen einen Stader Schlachter.

Stade/Buxtehude. Das Thema Schächten als Verstoß gegen das in Deutschland geltende Tierschutzgesetz ist nach dem aktuellen Fall im Stader Ortsteil Bützfleth wieder in der Diskussion. Dort hatten, wie berichtet, zwei Tierschützerinnen durch Zufall Selcuk Akcay dabei überrascht, als er ein Schaf ohne Betäubung geschlachtet hatte.

Und zwar so, wie er es bereits als Elfjähriger in seiner türkischen Heimat gelernt hat. Mit einem Schnitt durch den Hals.

Die Tierschützer zeigten den Mann, der aus der Türkei stammt und seit 30 Jahren in Deutschland lebt, wegen des Verdachts des Verstoßes gegen das Tierschutzgesetz beim Veterinäramt des Landkreises Stade an. Das deutsche Tierschutzgesetz verbietet das Schlachten von warmblütigen Tieren ohne Betäubung ebenso, wie das Zufügen von Schmerzen.

Doch genau das ist der Fall, wenn Tiere geschächtet werden. "Dabei wird die von Nervengeflecht und Blutgefäßen stark durchzogene Haut am Hals durchgeschnitten, was dem Tier ohne Betäubung sehr schlimme Schmerzen bereitet", sagt die Stader Amtstierärztin Sybille Witthöft. In seltenen, begründeten Ausnahmefällen könne der Landkreis für das Schächten Erlaubnis erteilen, die jedoch an umfangreiche Vorgaben gebunden sei, so Witthöft.

Die Stader Polizei ermittelt nun in der Sache, die mit einem Bußgeld zwischen 5000 und 25 000 Euro geahndet werden kann. "Im Bützflether Fall hat der Mann zugegeben, dass er das Tier ohne Betäubung geschlachtet hat. Die Ermittlungen sind noch nicht abgeschlossen, das Tier wird noch im Veterinäramt untersucht", sagt Polizeihauptkommissar Robert Schlimm.

Selcuk Akcay versteht die Strenge der Tierschützer und Behörden nicht. "Ich bin doch kein Schwerverbrecher, dem man die Polizei ins Haus schicken muss", sagt Akcay. "Wenn ich gewusst hätte, dass Schlachten hier so, wie es in unserer Heimat ganz normal ist, verboten ist, hätte ich mir ein Betäubungsgerät besorgt." Er wisse, wie man mit Tieren umgehe, aber mit dem Papierkram kenne er sich nicht aus, so Akcay.

"Unwissenheit ist kein Grund, dass der Gesetzesverstoß nicht geahndet wird", sagt Amtstierärztin Witthöft. Wie streng in Deutschland beim Schächten durchgegriffen wird, hat Witthöft selbst erlebt.

Im Jahr 2008 wurde sie gemeinsam mit drei türkischen Schlachtereimitarbeitern von Tierschützern angezeigt. In der Firma Estefleisch in Estebrügge sollen Tiere geschächtet worden sein. Die Schlachterei hatte zudem mit einem Schild das "Angebot betäubungslos geschlachteter Tiere" beworben, so die Begründung der Anzeige. Als zuständige Amtsveterinärin soll Witthöft das Schächten der Schafe nicht unterbunden haben, und demnach mitverantwortlich sein, "dass den Tieren durch Schächten unnötige Qualen zugefügt worden sind", wie es in der Anzeige hieß.

"Nach Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Stade hat sich dieser Veracht bei der Amtstierärztin und einem der Beschuldigten nicht bestätigt", sagt Kai Thomas Breas, Sprecher der Staatsanwaltschaft Stade. "Das Verfahren wurde mangels hinreichendem Tatverdacht eingestellt."

Gegen die beiden weiteren Beschuldigten, Igor K. und Halil D. sei von der Staatsanwaltschaft Stade beim zuständigen Amtsgericht Buxtehude Strafbefehl erlassen worden, so Breas. Den Männern drohen Geldbußen in Höhe von 2000 und 5000 Euro wegen Tierquälerei. Das Verfahren ist noch nicht abgeschlossen.

Selcuk Akcay ärgert sich über die Stader Behörden. "Sie sind kleinlich und arrogant, in Hamburg ist das alles kein Problem, da ist das mehr multikulti", sagt Akcay. Dem widerspricht Rico Schmidt, Pressesprecher der Hamburger Fachbehörde für Gesundheit, Verbraucherschutz und Veterinärwesen. "Das Tierschutzgesetz gilt bundesweit und jede Ausnahme muss schriftlich beantragt werden", sagt er. Allerdings habe es seit 2005, wo eine Kurzzeitbetäubung vor dem Schächten beantragt wurde, keine Anträge mehr für Sonderfälle gegeben, so Schmidt.

In Bützfleth liegen noch gelegentlich im Außendeichgelände illegal entsorgte Schlachtabfälle. "Abgetrennte Köpfe und Gedärme sind dort immer wieder zu finden", sagt der ehemalige Bürgermeister Wolfgang Rust. Als Vorsteher des für Bützfleth zuständigen Trinkwasserverbandes Drochtersen-Assel ist er froh, dass nicht mehr so oft in den Wohnungen geschächtet wird. "Vor etwa 20 Jahren verstopften über Toiletten entsorgte Schlachtabfälle laufend die Entwässerungsnetze ganzer Straßenzüge", sagt Rust.

Eine Umfrage des Abendblattes in Stade zum Thema Schächten ergab, dass viele Befragten, trotz ihrer Religion, das Schächten als Tierquälerei sehen, vor allem dann, wenn es unsachgemäß oder mit stumpfem Messer ausgeführt wird.

"Ich bin gläubig und möchte Fleisch essen, das nach den Regeln meines Glaubens geschlachtet wurde. In meiner Heimat tue ich das auch, hier ist es verboten und man muss den Unterschied akzeptieren", sagt Ayetullah Cicek, der aus Ostanatolien stammt.

"Wir sind Freidenker, und es hat für uns keine Bedeutung, wenn das Tier nach deutschen Gesetzen geschlachtet wird. Tieren unnötige Schmerzen zuzufügen, halten wir für nicht notwendig. Man muss nicht zwingend schächten, der Islam kann unterschiedlich ausgelegt werden, so unterschiedlich, wie er in den nordafrikanischen Ländern, der Türkei oder dem Iran gelebt wird", sagt Andarz Kia, der aus dem Iran stammt.