Stader Tierschützer zeigen den Türken Selcuk Akcay an. Er soll ein Schaf in seinem Garten ohne Betäubung geschlachtet haben.

Stade/Bützfleth. Eine schattige Gartenecke mit Bistrotisch und Barhockern auf einem Gehöft im Stader Ortsteil Bützfleth. In der Schubkarre neben den Stühlen liegt ein abgetrennter Schafskopf, auf dem Boden ein Hackmesser und im Gartensessel eine Rolle derber Strick. Als zwei Tierschützerinnen vom Verein Tierschutz Stade und der Initiative Haustierrechte Stade auf das Grundstück der Familie Akcay kommen, sind sie schockiert.

"Wir entdeckten ein Schaf, das an einem Gestell an den Hinterläufen aufgehängt war. Ein ausländischer Mitbürger war mit einem Messer dabei, dem Tier das Fell abzuziehen. Das Blut floss uns entgegen", sagt Andrea Althaus von der Initiative Haustierrechte. Gemeinsam mit Kirsten Born vom Stader Tierschutz fragten sie den Mann, ob er das Schaf zuvor betäubt habe und wo das Betäubungsgerät sei. "Der Mann sagte uns, dass er kein solches Gerät habe und die Tiere immer so schlachtet", sagt Althaus. Zudem wüsste er nicht, dass das Schächten ohne vorherige Betäubung in Deutschland verboten sei, so Born.

"Wir haben umgehend die Polizei und das Veterinäramt informiert, damit die Beweise gesichert werden", berichten die Tierschützerinnen. "Deshalb hat uns Herr Akcay mit einer Anzeige wegen Hausfriedensbruch gedroht, wenn wir noch einmal zu ihm kommen", sagt Althaus. Zudem erstatteten sie Anzeige beim Veterinäramt wegen des Verdachts des Verstoßes gegen das Tierschutzgesetz, wonach man warmblütige Tiere nicht ohne Betäubung töten darf.

Eigentlich seien sie auf den Hof der Familie Akcay gekommen, weil Nachbarn dort unversorgte Tiere meldeten, deren Besitzer im Krankenhaus liege, so Born. "So war es Zufall, dass wir das mit ansehen mussten."

Polizeihauptkommissar Robert Schlimm von der Polizeiinspektion Stade bestätigt, dass es hin und wieder Anzeigen wegen illegalen Schächtens gebe. "In diesem Fall hat der Mann zugegeben, dass er das Tier ohne Betäubung geschlachtet hat. Die Ermittlungen sind noch nicht abgeschlossen, das Tier wird noch im Veterinäramt untersucht", sagt Robert Schlimm.

Selcuk Akcay versteht die ganze Aufregung der Tierschützer und Behörden nicht. "Ich bin doch kein Schwerverbrecher, dem man die Polizei ins Haus schicken muss", sagt Akcay. "Wenn ich gewusst hätte, dass Schlachten so verboten ist, hätte ich mir ein Betäubungsgerät besorgt. Ich liebe Tiere, weiß, wie man mit Tieren umgeht, aber mit dem Papierkram kenne ich mich nicht aus."

Seit seinem zehnten Lebensjahr wohne er in Deutschland. Schon mit elf Jahren habe er Schlachten gelernt. Dass diese Methode in Deutschland Schächten heiße und verboten sei, habe er erst jetzt von der Polizei erfahren, so Akcay, der perfekt Deutsch spricht. "In der Türkei schlachten wir immer so, 90 Prozent der Türken lernen das. Wenn man weiß, wie man das Messer zwischen Ohr und Kehle führen muss, geht es ganz schnell für das Tier", sagt Akcay. In diesem Fall sei es ohnehin eine Ausnahme gewesen. Der von ihm geschächtete Schafbock habe für Ärger mit den Nachbarn gesorgt, sei oft vom Grundstück entlaufen und habe in Nachbargärten Blumen gefressen. "Er war der Leithammel. Deshalb sind ihm die anderen Schafe gefolgt", so Akcay.

"So war es auch an dem Tag, als die Tierschützerinnen aufkreuzten. Ich habe den Bock zurück auf unseren Hof gescheucht und dabei muss er sich am Zaun verletzt haben. Er wackelte so komisch mit dem Kopf, hatte sicher schon das Genick gebrochen, da habe ich ihn geschlachtet", sagt Akcay.

Die kleine Herde Schafe gehöre seinem 70-jährigen Vater, der im Krankenhaus liege, so der 47-Jährige. Er sei jetzt von Hamburg nach Bützfleth in das Haus des Vaters gezogen, um den Vater zu pflegen, wenn er aus dem Krankenhaus komme. Die Tiere würde er am Liebsten verkaufen oder verschenken. Weil sie aber keine Ohrmarken von der Behörde haben, sei dies unmöglich, so Akcay. Ihn ärgere, dass die Stader Behörden sehr kleinlich und arrogant seien. "In Hamburg ist so was kein Problem, alles ist dort mehr multikulti", sagt Akcay.

"Wir haben in den letzten Jahren nur wenige Anzeigen wegen illegaler Schächtungen", sagt die Amtstierärztin des Landkreises Stade, Sybille Witthöft. Seit Jahren leisten die Behörden Aufklärungsarbeit, etwa wenn die islamischen oder jüdischen Opferfeste anstehen, so Witthöft. "Wir geben Merkblätter in allen Sprachen heraus, damit die Tiere hier so geschlachtet werden, wie es in Deutschland gesetzlich vorgeschrieben ist", sagt Witthöft. "Wenn Tiere geschächtet werden, wird die von Nervengeflecht und Blutgefäßen stark durchzogene Haut am Hals durchgeschnitten. Das bereitet dem Tier ohne Betäubung sehr schlimme Schmerzen." Wenn aus religiösen Gründen dennoch geschächtet werden soll, müsse dies schriftlich beim Veterinäramt des Landkreises beantragt werden, so die Amtstierärztin. Allerdings lägen so gut wie nie solche Anträge zur Entscheidung vor.