Mehr als 100 Menschen demonstrieren auf dem Deich in Bleckede gegen den weiteren Ausbau der Elbe

Bleckede. Eng aneinander geschmiegt schauten Mutter und Tochter in die Abenddämmerung, die über der Elbe aufzog. "Da sieht man, was aus der Natur wird, wenn der Mensch zu sehr eingreift", sagten Heike und Sarah Schröder aus Neetze unisono, während sie lodernde Fackeln in den Händen hielten und ihre Blicke über den überfluteten Hafen schweifen ließen.

Die beiden standen am Sonnabend mit mehr als 100 anderen Frauen, Männern und Kindern auf dem Deich in Bleckede am Schützenplatz. Vor genau einer Woche war dort die Elbe mit einem Rekordpegelstand gegen den Damm geschwappt. Jetzt protestierten die Menschen aus der Region gemeinsam gegen den weiteren Ausbau und die Vertiefung des Flusses.

Noch immer steht das Deichvorland an der Elbe im Landkreis Lüneburg metertief unter Wasser. Das Rekordhochwasser sei vom Menschen gemacht, weil die Elbe immer wieder vertieft wurde, ihr Überschwemmungsflächen genommen und Deiche stetig erhöht wurden. Das war der Tenor bei der Protestaktion. Das finden auch Heike und Sarah Schröder. "Der Lebensraum für Menschen und Tiere wird durch solche extremen Hochwasser bedroht", sagten sie.

Unter dem Motto "Flüsse schützen - Leben schützen" fand die diesjährige Aktion "Fackeln für die Elbe" statt, zu der der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), Bürgerinitiativen, Vereine, Verbände, Kirchen und Parteien aufgerufen haben. Mehrere tausend Teilnehmer versammelten sich in mehr als 40 Städten in sieben Bundesländern an Elbe, Saale und Donau. Sie bekundeten ihre enge Verbundenheit zu den Flüssen, die sie als kostbare Lebensräume schätzen.

Angesichts der immer häufiger eintretenden Hochwasserereignisse fordern die Organisatoren der bundesweiten Aktion mehr Engagement beim vorsorgenden Hochwasserschutz und kritisieren die verfehlte Flusspolitik in Deutschland. "Wir fordern schon lange ein umfassendes Gesamtkonzept für die Elbe. Aber passiert ist nichts", sagte Reinhard Güntzel vom BUND in Lüneburg bei der Aktion in Bleckede.

Für Güntzel ist klar, dass der Fluss in erster Linie keine Wasserstraße ist, "sondern ein wertvoller Lebensraum". Zahlen belegten seinen Worten zufolge, die Bedeutungslosigkeit der Elbe für die Schifffahrt. ,,Wurden 1989 noch 9,8 Millionen Tonnen Güter transportiert, waren es 2009 nur noch 0,9 Millionen Tonnen. Die Elbe führt seit 20 Jahren nicht die für die Schifffahrt erforderlichen Wassermengen." Daher forderte er, die weitere Vertiefung des Flusses zu stoppen, ebenso wie die Steinaufschüttungen an den Ufern. Die beste Alternative für den Gütertransport sei die Bahn, so Güntzel: "Die hat ausreichend Kapazitäten frei."

Durch die weitere Einengung des Flussbettes erhöhe sich die Strömungsgeschwindigkeit in der Fahrrinne. Damit könne der Wasserspiegel weiter fallen und die angrenzenden Auen mit ihren typischen Wäldern, feuchten Wiesen und Gewässern drohten weiter auszutrocknen. Die Bestände an Fischen und Störchen würde weiter schrumpfen. Das seien weitere Argumente für den Fackelprotest, die Elbe als naturnahen Fluss zu erhalten.

Erika Tipke aus dem Bleckeder Ortsteil Breetze sagte, die Elbe sei eine Perle, die zu Recht durch Biosphärenreservate und Naturparke geschützt werde. Das zurzeit ablaufende Hochwasser sei eines der drei höchsten in den vergangenen 100 Jahren gewesen. Obwohl die Forderung richtig sei, den Flüssen wieder mehr Überschwemmungsflächen zu geben, sei dies aber nur dort machbar, wo es auch möglich ist, betonte sie mit Blick auf die Situation im Nachbarort Alt Garge, der keinen schützenden Deich hat, aber vehement von den Bürgern gefordert werde. "Hochwasserschutz geht vor", so Tipke.