Das Alte Land streitet sich über das Ziel Unesco-Welterbe. Jetzt berichten Gäste vom Mittelrhein von ihren Erfahrungen in der Region.

Jork. Der angestrebte Welterbestatus spaltet das Alte Land in Skeptiker und Befürworter. Während viele Obstbauern mit dem Titel nichts am Hut haben wollen, wie Gerd Beckmann, Vorstand der Altländer Obstbauern, engagieren sich Politiker und Mitglieder des "Vereins zur Anerkennung des Alten Landes zum Welterbe der Unesco" für eine breite Zustimmung der Bürger. Ist ein "Dynamisches Welterbe Altes Land" ein Image- und Entwicklungsvorteil für die Region, oder führt der schön klingende Titel doch nur zu lästiger Bevormundung und Bürokratie?

Heute Abend um 19.30 Uhr werden im Hotel "Altes Land", Schützenhofstraße 16, alle Aspekte diskutiert. Die Bürgermeister Rolf Lühmann, Einheitsgemeinde Jork, und Hans Jarck, Samtgemeinde Lühe, sowie Kerstin Hintz, Vorsitzende des Welterbevereins, informieren über den Stand der Bewerbung und geben Gelegenheit, über Bedenken und Vorteile eines Welterbestatus zu reden.

Dazu hat Rolf Lühmann Gäste aus dem Mittelrheintal eingeladen, die über ihre Erfahrungen mit dem Welterbe-Titel berichten. Immerhin: Den Obstanbau an einem großen Fluss haben die Winzer schon mal mit den Altländern gemeinsam.

Das Abendblatt hat zuvor mit Politikern, Winzern, Gastronomen und Tourismusexperten aus dem Land der Felsenmeere und Weinberge am Rhein gesprochen. Zwischen Rüdesheim und Bingen im Süden und dem Siebengebirge im Norden liegt ihre Heimat, die im Jahre 2002 zum Natur- und Kulturerbe der Unesco gekürt wurde.

"Wir haben durchweg nur gute Erfahrungen mit dem Welterbe", sagt Volker Mosler, Bürgermeister in Rüdesheim. "Wir haben 10 000 Einwohner, rund drei Millionen Tagesbesucher und 400 000 Übernachtungsgäste. Individualtouristen, Wanderer zu Fuß und per Rad bestimmen den Wandel zu mehr Individualtourismus." Auch die Zahl der Flusskreuzfahrten habe deutlich zugenommen. Etwa 1600 Hotelgastschiffe machen jährlich in Rüdesheim fest und die Gäste steuern bei ihrem Landgang-Programm Gastronomie und Kulturstätten wie das Niederwalddenkmal an, so Rüdesheims Bürgermeister.

Finanziell sei das Welterbe eine Bereicherung. "7,5 Millionen Euro vom Land und 2,5 Millionen Euro vom Bund flossen als Förderung des Welterbes in die Region Rüdesheim, da haben auch viele kleine Orte etwas davon", sagt Mosler.

"Weltkulturerbe ist gute Werbung und macht die Region bekannter. Man darf nur nicht erwarten, dass ein Touristensog einsetzt oder mit spürbarem Ruck der Umsatz plötzlich boomt", sagt hingegen Jakob Knab, Winzer vom Gasthof und Weingut "Knab's Mühlenschänke" in St. Goar, im Tal der Loreley. "Wenn die Zuständigen in den Verwaltungen es verstehen, die richtigen Anträge zu stellen, können historische Bauten oder Landschaftstypisches erhalten werden."

Aber nicht alles sei eitel Sonnenschein mit dem Weltkulturerbe. Im Rheintal streitet man derzeit um eine Mittelrheinbrücke, ähnlich wie in Dresden, da es auf 104 Kilometern Länge entlang des Rheins nur Fähren gibt, berichtet der Winzer.

"Auf unseren Weinbau wirkt der Welterbestatus positiv", sagt Winzer Anton Vogt aus Oberwesel. "Im Vergleich der letzten 15 Jahre sind die Besucherzahlen deutlich gestiegen, viele Wanderer kommen in das einst wenig bekannte Mittelrheintal, essen, trinken und übernachten. Ich sehe das als Aufschwung im Zusammenhang mit dem Welterbestatus." Auch Mario Zimmermann, Inhaber des "Münsterer Hof" in Münster-Sarmsheim sagt: "Wir werben mit dem Welterbe, die Internetbuchungen haben sich nahezu verdoppelt."

Durchweg positiv sieht auch Martina Lorenz, Inhaberin des Hotels "Landsknecht" in St. Goar die Entwicklung, weil der Welterbetitel die Region aufwerte. "Viele Gastronomen haben das Zertifikat Welterbe-Gastgeber erworben, können so einen Imagevorteil nutzen. Zwei Bundesländer und fünf Landkreise wachsen über Welterbeprojekte zusammen, haben sich intensiv vernetzt. Das bringt enorme Entwicklungsmöglichkeiten."

Die Region bekomme mehr Aufmerksamkeit, mit Fördergeldern werde die Infrastruktur neu aufgebaut, so Lorenz. "Unsere Gäste profitieren von neuen Radwegen, Wanderangeboten und dem Wissen unserer Welterbe-Gästeführer, die über ein Pilotprojekt der Unesco ausgebildet wurden", sagt Lorenz, deren Mann als Winzer den mühsamen Steilhang-Weinbau betreibt. "Man lebt weder mit Weinbau noch mit Gastronomie unter einer Welterbe-Glocke. Der Status ist für den Weinbau eher förderlich, mit Förderfinanzierungen werden viele verwilderte Weinberge rekultiviert, damit dort wieder Wein wachsen kann", sagt Lorenz.

"Der Welterbetitel ist ein Segen für unser Rheintal", sagt auch Claudia Schwarz, Geschäftsführerin der "Romantischer Rhein Tourismus GmbH" in St. Goarshausen. "Früher hatten wir Klub- und Massentourismus, der meist wegen unseres Weines kam. Mit dem Image einer Naturerlebnis- und Kulturlandschaft sind wir nun für Wanderer und Radtouristen eine Entdeckung. 2010 haben sich die Übernachtungszahlen wieder um 2,7 Prozent erhöht."