Im Streit um einen mögliche Welterbe-Titel für das Alte Land diskutieren Altländer Bauern mit Winzern aus dem Oberen Mittelrheintal

Jork. Den Winzern aus dem klimamilden Weinbaugebiet im Mittleren Oberrheintal wehte im Norden eine steife Brise entgegen. Nicht nur draußen stürmte es gewaltig, auch im großen Saal des Hotel Altes Land in Jork stand das Barometer auf Sturm in Sachen Weltkulturerbe Altes Land.

Immerhin, vom mitunter zitierten Desinteresse der Obstbauern an diesem Thema war nichts zu spüren. Aus allen drei Meilen Altes Land waren Obsterzeuger, Gastronomen, Anbieter von Ferienwohnungen, Politiker und Verwaltungsmitarbeiter gekommen. Sie wollten hören, was Gerhard Lambrich, Präsident des Weinbauverbandes Mittelrhein, und der Winzer Heinz-Uwe Fetz über das Leben und Arbeiten in einem Welterbe-Gebiet zu berichten haben. Der Saal war so voll, dass noch Tische und Stühle herbeigeholt werden mussten. Jorks Bürgermeister Rolf Lühmann, der die beiden Rheinländer an die Elbe eingeladen hatte, war darüber ebenso erstaunt wie erfreut.

Altes Land konkurriert mit Bewerbern aus Lüneburg und dem Wendland

Zum Auftakt informierte Kerstin Hintz, Vorsitzende des Vereins zur Anerkennung des Alten Landes als Welterbe, über den aktuellen Stand der Bewerbungsvorbereitungen. "Das muss bis zum Herbst abgeschlossen sein", sagte Lühmann. Dann werde man sehen, ob das Alte Land überhaupt vom Land Niedersachsen ins Rennen geschickt werde. Denn nur zwei Bewerber je Bundesland kommen in die Wertung. Das Alte Land müsse sich mit Konkurrenten wie der Lüneburger Heide oder dem Wendland messen lassen.

Die Winzervertreter aus dem Oberen Mittelrheintal, das im Jahr 2002 für den Bereich zwischen Bingen und Koblenz zum Unesco-Welterbe ernannt wurde, versprühten optimistischen Lokalpatriotismus, der sie schon deutlich von den anwesenden Altländern unterschied.

"Optimismus brauchen Sie für so ein Vorhaben, sonst können sie gleich im Bett bleiben", sagte Heinz-Uwe Fetz, der als Weinbauer viele Parallelen zum Altländer Obstbau zog. "Als in unseren Gemeinden die Welterbe-Urkunden übergeben wurden, begann eine Aufbruchstimmung in der Region, bei Bürgern und Unternehmern gleichermaßen. Die Leute entwickelten ein Wir-Gefühl und Ideen, die Weinbau, Tourismus und Vermarktung völlig neu anschoben", sagte Fetz.

Zehn Millionen Euro seien in die Region geflossen. Damit habe man alte Weinberge renaturiert, Burgen und Schlösser restauriert, Wanderwege und Straßen renoviert, so Fetz.

"Die Winzerbetriebe spüren die gestiegene Nachfrage nach Mittelrheinwein, seit ihn das Welterbeprädikat schmückt", sagte Gerhard Lambrich.

Die Interessenvertreter der Altländer Obstbauern zeigten jedoch weiterhin Skepsis. John Knabbe, Präsident des Fruchthandelsverbandes Nord und Gerd Beckmann, Vorstand der Altländer Obstbauern, nannten als Hauptgründe ihrer Vorbehalte, dass Bürokraten den Obstbauern zusätzlich das Leben und vor allem das Bauen erschweren könnten.

"Ob wir einen Welterbetitel brauchen, um das Wir-Gefühl zu stärken, ist unerheblich. Entscheidend ist: Wie wirkt sich so ein Titel auf Bebauungs- und Flächennutzungspläne aus? Und wie gestalten die Zuständigen die Vorschriften über Spritzmitteleinsatz oder Grabenabstände?", fragte John Knabbe.

Dazu gab es zustimmendes Klopfen der rund 150 Zuhörer im Saal - und eine Empfehlung von Lambrich: "Wenn das Geld aus Fördertöpfen in Ihre Region fließen kann, nehmen Sie es, machen Sie etwas draus, sonst tun es andere. Unsere Betriebe laufen mit dem Welterbe besser. Wir haben wieder mehr Flächen für den Weinbau und mir ist kein geplantes Bauwerk bekannt, dem wegen des Welterbes ein Riegel vorgeschoben wurde".

Gerd Beckmann will Weintrauben nicht mit Äpfeln vergleichen

Weintrauben und Äpfel könne man nicht vergleichen, widersprach Gerd Beckmann. "Sie wollen alte Weinberge, Burgen und Schlösser erhalten, aber wir wollen modernen Obstbau und andere Vermarktung. Schon wenn man eine Baugenehmigung beim Landkreis beantragt, bekommt man von den Bürokraten zu hören: Erst mal abwarten, wie das mit dem Weltkulturerbe wird, das macht uns misstrauisch." Man rede bei den Behörden schon von Welterberichtlinien, schüre so die Vorbehalte, so Beckmann. "Nicht das Welterbe ist das Problem, sondern die Bürokraten", sagte Beckmann und bekam Applaus.

"Das ist wirklich eine Frechheit. Wenn so etwas beim Bauamt gesagt wird, sollten wir davon wissen", sagte Lühmann. "Wir haben noch nicht mal unseren Antrag gestellt, wissen gar nicht, ob es überhaupt was wird." Aber er glaube fest, dass sich das Ziel Welterbe für den Obstbau und den Tourismus im Alten Land. "Wir wollen Kulturlandschaft erhalten, keine Logistikparks."

Lühes Samtgemeindebürgermeister Hans Jarck sagte: "In vielen Gemeinden sind die Ortsgestaltungssatzungen schon wichtige Schritte, unsere Kulturlandschaft zu erhalten. Wir wollen nichts verhindern, sondern vieles bewahren. Aber wenn die Klimawende uns auferlegt, Bananen im Alten Land anzubauen, werden wir das tun."

Winzer Fetz wies darauf hin, dass für jeden landwirtschaftlichen Betrieb ohnehin der Passus des privilegierten Bauens gebe. "Der Obstbau ist im Alten Land landschaftsprägend, da kann man mit dem Welterbe nichts kaputt machen", sagte Fetz. Man solle Ehrgeiz entwickeln und sich bei Anträgen nicht von den Behörden abwimmeln lassen.

Davon ließ sich Angela Eckhoff nicht überzeugen. "Wenn jemand Nachteile hat und mehr Arbeit, sind es die Bauern", sagte die Steinkirchenerin und wollte wissen, mit welcher Besonderheit sich das Alte Land überhaupt bewerben wolle.

"Unter anderem sind es die sogenannten linearen Strukturelemente. Nicht nur im Obstbau oder bei den Grabensystemen sondern auch als typisches Merkmal der Marsch- oder Deichhufendörfer", sagte Kerstin Hintz.

Während Harm-Paul Schorpp aus Jork sagte, dass er dieses Schüren von Ängsten nicht verstehe, wollte Knabbe wissen, welche Einspruchsberechtigungen es gegen das Welterbe gebe.

Ob denn die Immobilienpreise im Mittelrheintal gestiegen seien wollte einer der Gäste von den Pfälzern wissen. Klare Antwort von Lambrich: "Nein. Aber Städte und kleine Orte sind renoviert worden, davon profitieren alle."