Ein weiterer Schritt zur Bewerbung bei der Unesco. Die Obstbauern bleiben jedoch skeptisch und fürchten Einschränkungen in der Agrar-Wirtschaft.

Steinkirchen. Nach vielen kontroversen Debatten nun der Konsens: Die Altländer wollen von jetzt an gemeinsam an einem Strang ziehen und ihre einzigartige Kulturlandschaft mit dem Titel Welterbe der Unesco adeln lassen. Die Bewerbung des Alten Landes, als Weltkulturerbe der Unesco anerkannt zu werden, wurde nach dem klaren Votum der Einheitsgemeinde Jork nun auch vom Rat der Samtgemeinde Lühe einstimmig befürwortet.

Allerdings soll die Zustimmung der Volksvertreter aus den sechs Mitgliedsgemeinden Hollern-Twielenfleth, Grünendeich, Steinkirchen, Guderhandviertel, Mittelnkirchen und Neuenkirchen an einen entscheidenden Passus gebunden bleiben: "Eine Anerkennung des Alten Landes zum Welterbe darf zu keinen Einschränkungen in der Obstbauwirtschaft führen. Eine Behinderung in der zukünftigen Wettbewerbsfähigkeit muss ausgeschlossen sein."

Denn seitens der Obstbauern gibt es nach wie vor große Skepsis, dass bürokratische Hürden sie in ihren betrieblichen Entscheidungsfreiheiten einschränken könnten.

CDU-Ratsherr will Einvernehmen mit den Obstbauern schaffen

"Es ist an der Zeit, endlich Farbe zu bekennen, damit das Rumeiern ein Ende hat", sagte Ratsherr Hans Gosch (CDU) in der Sitzung. Aber er betonte auch, dass es zunächst nicht die Räte in den Gemeinden waren, die eine Bewerbung für das Welterbe initiiert haben. Nun gelte es vor allem, die Obstbauern einzubeziehen und ein Einvernehmen mit ihnen zu schaffen. Denn der Obstbau habe letztlich das Alte Land geprägt, so Gosch. Käme das das Alte Land auf die Welterbeliste des Unesco, wäre es eine Aufwertung der Region und hätte positive Auswirkung auf Obstbau und Tourismus gleichermaßen.

Ratsfrau Ute Dürkes (SPD), die zugleich Vorsitzende des Kulturausschusses ist, hob hervor, dass das Alte Land eine Kulturlandschaft allererster Qualität sei. "Ein Erfolg ist es auch, dass es erstmals gelungen ist, quasi länderübergreifend ein gemeinsames Leitbild für alle drei Meilen des Alten Landes zu erarbeiten."

Nach dem Erstellen der Kulturlandschaftsanalyse Altes Land wurde eine Arbeitsgruppe aus allen drei Meilen des Alten Landes mit der Umsetzung der in der Analyse geforderten Maßnahmen gegründet. Daraus entstand die "Altländer Charta", als Leitbild auch für eine gemeinsame Baufibel, die jetzt im Entwurf vorliegt.

Kerstin Hintz, Vorsitzende des "Vereins zur Anerkennung des Alten Landes zum Welterbe der Unesco", nannte die Entscheidung des Samtgemeinderates "einen wichtigen Schritt in die richtige Zukunft." Seit 1999 setzt sich Hintz mit einem Heer von Mitstreitern für das große Ziel ein.

Eher nüchtern kommentiert Gerd Beckmann, Vorstand der Altländer Obstbauern, die Entscheidung: "Die Erfahrungen zeigen, dass schon jetzt alles Mögliche im Sinne des Welterbes bürokratisch hinterfragt wird. Ruckzuck gibt es Bürgerinitiativen, die dann Einfluss nehmen wollen. Deshalb haben die Obstbauern mit dem Kulturerbetitel nichts am Hut."

Dabei habe man keine Sorge mit dem Welterbetitel selbst, sondern damit, dass Verwaltungen und politische Gremien ihn nach ihren Maßstäben auslegen, so Beckmann. "Wir wollen schlicht nicht über unser Eigentum und unsere Arbeit von anderen bestimmen lassen."

Diese Besorgnis teilt auch Jens Stechmann, Bundesvorsitzender der Fachgruppe Obstbau und Vorsitzender des Jorker Obstbauversuchsringes, in dem rund 900 Obsterzeuger organisiert sind, für berechtigt. "Wir können keinen musealen Obstbau praktizieren und brauchen für unsere Arbeit dynamische Entwicklung. Deshalb sehe ich es sehr positiv, dass der Samtgemeinderat Lühe den wichtigen Passus zum Obstbau als bindend sieht." Man müsse aufpassen, dass man sich nicht an "Welterbefragen aufreibe", so Stechmann, der in 13. Generation Obstbauer ist.

Kerstin Hintz und Susanne Höft-Schorpp von der Welterbe-Arbeitsgruppe erklären, dass es bei dem Unesco-Titel nicht um eine Museumslandschaft gehe. "Wir nehmen die Ängste der Obstbauern sehr ernst und sind dankbar, wenn sich die Bürger zu dem Thema informieren."

Dazu wird Jorks Bürgermeister Rolf Lühmann Anfang April noch einmal ausgiebig Gelegenheit geben. Er hat für eine Info-Veranstaltung Winzer aus dem Oberen Mittelrheintal eingeladen, die als Berufskollegen der Obstbauern von ihren Welterbe-Erfahrungen berichten werden. Die Kulturlandschaft Oberes Mittelrheintal von Bingen/Rüdesheim bis Koblenz ist seit dem Jahr 2002 als Unesco-Welterbe anerkannt.

"Ich bin natürlich sehr froh über die Entscheidung in der Samtgemeinde Lühe", sagt Lühmann. "Ich sehe die Gespenster der Reglementierung nicht. Wir wollen das Alte Land nicht zum Museum machen. Die Obstbauern und ihre Arbeit werden in alles einbezogen. Die Region könnte zudem vom Welterbetourismus profitieren."

Man könne gelassen bleiben, denn Einschränkungen im Obstbau werde es nicht geben, so Lühmann weiter. "Konkret werden die Gespräche ohnehin erst dann, wenn wir auf der Welterbe-Vorschlagsliste des Landes Niedersachsen bleiben."

Verein erarbeitet jetzt ein Dossier, damit Altes Land nominiert werden kann

Und dieser Weg ist noch lang: Der Verein zur Anerkennung des Alten Landes zum Welterbe der Unesco sei beauftragt, das weitere Vorgehen zu koordinieren. Er werde nun die Erarbeitung des Dossiers zur Nominierung des Alten Landes vorantreiben, so Lühmann.

Der Rat der Gemeinde Jork hat bereits vor einem Jahr beschlossen, dem Ministerium für Wissenschaft und Kultur und dem Niedersächsischen Landesamt für Denkmalpflege die Empfehlung zu geben, das Alte Land mit zwei anderen vergleichbaren Kulturlandschaften in den Niederlanden und Polen als grenzüberschreitende Nominierung auf die Vorschlagsliste, die so genannte Tentativliste zum Welterbe der Unesco, setzen zu lassen.

Auf Bundesebene sind die Länder von der Kultusministerkonferenz aufgefordert worden, für ihr Bundesland entsprechende Vorschläge zur Anmeldung von potenziellen deutschen Stätten zur Aufnahme in die Welterbeliste zu unterbreiten. Die Vorschlagsliste mit zwei Vorschlägen pro Bundesland soll in Niedersachsen bis zum Herbst 2012 erstellt werden. Das Alte Land ist bereits als Vorschlag für den angehenden Prüfungsprozess auf Landesebene vorgesehen.