Christian von Boetticher pausiert im Landtag - die Grünen akzeptieren Krankheit und sichern vorerst die schwarz-gelbe Mehrheit.

Kiel. Ministerpräsident Peter Harry Carstensen (CDU) kann Schleswig-Holstein vorerst mit einer hauchdünnen Mehrheit im Landtag weiterregieren. Sein früherer Kronprinz Christian von Boetticher teilte gestern zwar mit, dass er an der August-Tagung des Parlaments (Mittwoch bis Freitag) nicht teilnimmt, begründete das aber mit "gesundheitlichen Gründen". Im Fall einer Erkrankung greift das Pairing-Abkommen der CDU mit den Grünen, die nun einen ihrer Abgeordneten nicht mitstimmen lassen. So wird im Landtag die schwarz-gelbe Einstimmenmehrheit zumindest in dieser Woche gesichert.

"Für die CDU und von Boetticher ist das kein Freibrief", warnte Grünen-Fraktionschef Robert Habeck. Er hat wie viele andere Landespolitiker zwar Verständnis dafür, dass von Boetticher nach Bekanntwerden einer früheren Affäre mit einer damals 16-Jährigen und dem Rücktritt von allen Spitzenämtern nicht sofort im Landtag ins Rampenlicht treten will. "Wir verhalten uns fair, sind aber nicht blöd", so Habeck. Wenn von Boetticher sich künftig politisch äußere, etwa wie an diesem Wochenende mehrstündige Interviews gebe, würden die Grünen das Pairing aufkündigen. "Von Boetticher muss sich entscheiden, ob er sein Landtagsmandat ausübt oder aber zurückgibt."

Wie lange Carstensen um seine Mehrheit im Landtag bangen muss, ist offen. Von Boettichers Berater Jost Springensguth versicherte einerseits, dass der frühere Spitzenpolitiker sein Mandat weiter wahrnehmen werde, ließ aber offen, wann der Jurist aus Pinneberg wieder im Landtag erscheint. In drei Wochen beginnt die September-Tagung mit hochbrisanten Themen.

"Christian von Boetticher kommt, wenn die Erholungsphase abgeschlossen ist", sagte Springensguth. Er bestätigte, dass von Boetticher gestern wie angekündigt seine Koffer packte und Schleswig-Holstein den Rücken kehrte. Das Reiseziel bleibt geheim. Juristisch ist von Boetticher auf der sicheren Seite. Nach der Landtags-Geschäftsordnung (§ 47) haben die Abgeordneten zwar "die Pflicht, an den Sitzungen des Landtags teilzunehmen". Bei einem pflichtwidrigen Verhalten gibt es allerdings keine Sanktionen. "Jeder Abgeordnete ist frei in der Ausübung seines Mandats", bekräftigte Landtagssprecher Carsten Maltzan. Ob ein Krankenschein vorliegt oder ein Abgeordneter unentschuldigt fehlt, spielt keine Rolle. Der Landtag ist so oder so verpflichtet, die Grunddiät von etwa 7000 Euro im Monat auszuzahlen.

Zwischen Baum und Borke hängt derweil der CDU-Kreisverband Pinneberg. Er wollte von Boetticher eigentlich am 2. September erneut als Direktkandidaten für den Wahlkreis 25 (Pinneberg, Halstenbek, Schenefeld) auf den Schild heben. "Wir haben den Termin auf den 4. Oktober verschoben, damit er in Ruhe darüber nachdenken kann, ob er sich wieder bewirbt", sagte CDU-Kreischef Ole Schröder. Der Kreisvorstand habe sich für eine erneute Bewerbung ausgesprochen, weil von Boetticher ein hervorragender Politiker sei, auf den der Kreisverband nicht verzichten wolle. Schröder ist zugleich parlamentarischer Staatssekretär im Bundesinnenministerium und seit Jugendtagen mit von Boetticher befreundet.

Die Entwicklung in Pinneberg wird in der Landes-CDU mit Sorge betrachtet. Eine erneute Kandidatur von Boettichers wäre eine "Katastrophe", meinte ein Mitglied der CDU-Landtagsfraktion. Begründung: Als Direktkandidat würde von Boetticher Wahlkampf machen und damit den Neuanfang der CDU mit ihrem künftigen Spitzenkandidaten Jost de Jager "torpedieren". Weitere Schlagzeilen drohen beim CDU-Parteitag Anfang November, bei dem die Union ihre Landesliste für die Wahl am 6. Mai aufstellt und den früheren Partei- und Fraktionschef irgendwo unterbringen müsste.

In der Nord-Union hoffen deshalb einige Strippenzieher, dass von Boetticher abwinkt und die Pinneberger den Termin für ihre Kandidatenkür auch verschoben haben, um Zeit für die Suche eines Nachfolgers zu gewinnen.