Der Ex-Parteichef schlägt zurück. Die Nord-CDU bangt um die Mehrheit im Kieler Landtag.

Kiel. Der frühere CDU-Spitzenpolitiker Christian von Boetticher hat sich mit harscher Kritik an der Nord-Union und Ministerpräsident Peter Harry Carstensen (CDU) vorerst aus Schleswig-Holstein verabschiedet. "Ich nehme mir die Zeit, um mein Leben neu zu sortieren und über meine Zukunft nachzudenken", sagte er "Bild am Sonntag". Von Boetticher, der wegen einer früheren Beziehung zu einer Minderjährigen alle Spitzenämter abgegeben hatte, ließ offen, wann er als Abgeordneter in den Kieler Landtag zurückkehrt. Damit hat die schwarz-gelbe Regierungskoalition (48 von 95 Mandaten) bis auf Weiteres keine Mehrheit im Parlament, das am Mittwoch zu einer dreitägigen Tagung zusammentritt.

Die Nord-CDU gerät nach Boettichers Ankündigung, heute seine Koffer zu packen und dem nördlichsten Bundesland für eine längere Zeit den Rücken zu kehren, gewaltig unter Druck. "Eine längere Zeit, das können Wochen, Monate oder Jahre sein", sagte der neue CDU-Fraktionschef Johannes Callsen dem Abendblatt.

Intern hat die Partei bereits die Weichen gestellt, damit die Regierungskoalition in dieser Woche im Landtag keine wichtige Abstimmung verliert. "Für die kommenden drei Sitzungstage sind auf Betreiben der CDU einige politische Entscheidungen von der Tagesordnung genommen worden", sagte SPD-Fraktionschef Ralf Stegner dem Abendblatt. So solle über das umstrittene Glücksspielgesetz nun erst im September abschließend beraten werden.

In der CDU hofft man, dass von Boetticher sich umgehend krankmeldet. Nur dann könnte das Pairing-Abkommen von CDU und Grünen greifen und Schwarz-Gelb zunächst die Mehrheit sichern: Es sieht vor, dass ein Abgeordneter der Grünen nicht mitstimmt, falls ein CDU-Politiker krankheitsbedingt fehlt. Sanktionsmöglichkeiten für Abgeordnete, die den Parlamentssitzungen fernbleiben, gibt es nicht.

Christian von Boetticher hatte am Wochenende in mehreren Interviews hart mit der Landes-CDU abgerechnet. "Ich habe ein großes Maß an Illoyalität erlebt und bin mit Blick auf die eigene Partei schwer enttäuscht", sagte er "Bild am Sonntag". Ministerpräsident Peter Harry Carstensen habe "leider den Eindruck erweckt, ich sei ein politischer Autist, weil ich nicht begriffen hätte, dass meine Zeit als Spitzenkandidat abgelaufen war." Dabei habe er "die Sache selber in die Hand genommen und rechtzeitig die richtigen Konsequenzen gezogen".

Das damals 16-jährige Mädchen sei ihm aufgefallen, weil es als Mitglied der Jungen Union sehr intelligente Kommentare auf seiner Facebook-Seite geschrieben habe. "Ich hatte sie auf Mitte 20 geschätzt und war völlig überrascht, als sie mir ihr Alter verriet." Dem Magazin "Focus" sagte Boetticher, für ihn seien die Vorgänge "eine öffentliche Hinrichtung auf Basis moralischer Wertungen". Er versuche nun, von seinem Ruf "zu retten, was zu retten ist".

Der Landesgeschäftsführer der CDU, Daniel Günther, wies die von Boetticher erhobenen Vorwürfe zurück. "Ich habe keine Hinweise darauf, dass es irgendeine Form der Illoyalität gegeben hat", sagte er dem Abendblatt. Von Boetticher hatte am vorherigen Sonntag die Beziehung zu der Schülerin selbst eingeräumt und sich dafür entschuldigt.