Turbulente Zeiten: Die Wählergemeinschaft verliert die Mehrheit. Im Henstedt-Ulzburger Gemeinderat werden die Karten neu gemischt.

Henstedt-Ulzburg. Einst ist die Wählergemeinschaft Henstedt-Ulzburg angetreten, um gegen das örtliche Establishment zu kämpfen, jetzt kämpft sie gegen sich selbst: Seit gestern ist die WHU offiziell gespalten. Fünf Fraktionsmitglieder, darunter auch Bürgervorsteher Carsten Schäfer, sind aus der WHU-Fraktion ausgetreten. Sie schließen sich als fraktionslose Gemeindevertreter zu einer "Freien Fraktion" zusammen.

Im Henstedt-Ulzburger Rathaus herrscht Unruhe: Gegen den Bürgermeister wird von der Staatsanwaltschaft ermittelt, die größte Fraktion im Gemeinderat löst sich auf - turbulenter hätte das Jahr 2012 nicht beginnen können. Die Spaltung der WHU-Fraktion, die im Gemeinderat die Mehrheit hält, kommt nicht überraschend. Schon seit Monaten schwelt der Streit innerhalb der Wählergemeinschaft, jetzt ist es zum offenen Bruch gekommen. Neben Bürgervorsteher Carsten Schäfer haben auch der langjährige WHU-Vorsitzende Martin Andernacht, die frühere kommissarische Vorsitzende Doris Dosdahl, Tile Abel und Bettina Klemm die Fraktion verlassen. Die Spaltung der Mehrheitsfraktion könnte weitreichende Folgen haben: Die Sitzverteilung in den Ausschüssen, Ausschussvorsitze, der Posten des Bürgervorstehers und des stellvertretenden Bürgermeisters könnten zur Disposition stehen.

+++ Drei Wochen Erholungsurlaub für Thormählen +++

Als Grund für die Abspaltung mit sofortiger nennen die fünf Gemeindevertreter eine "veränderte politische Arbeitsweise" innerhalb der WHU. Bis vor etwa einem Jahr sei über politische Ziele und Ansprüche diskutiert und um Konsens gerungen worden, heißt es in einer Presseerklärung. Das sei jetzt anders. Ziele und Aufgaben würden größtenteils vorgegeben, Fraktionsdisziplin werde gefordert, das offene Stehen zur eigenen Meinung sei unerwünscht. Die "Abtrünnigen", betonen, dass sie weiterhin zu den Grundsätzen und Zielen stehen, zu denen sie vor der Wahl angetreten seien. "Sie möchten das in einem Arbeitsklima und einem persönlichen Miteinander, wie sie es früher kennengelernt haben und das für sie ein wesentlicher Grund war, der WHU beizutreten", heißt es in der Presseerklärung. Die Gemeindevertreter bedauern, "dass sich ein Konsens für die weitere Zusammenarbeit nicht finden ließ".

+++ Es menschelt sehr in der WHU +++

Zielscheibe der Vorwürfe ist die WHU-Fraktionsvorsitzende Karin Honerlah, der ein zu eigenmächtiges Handeln und eine zu straffe Führung der Fraktion vorgeworfen wird. Diesen Vorwurf erhob auch Martin Andernacht, der den WHU-Vorsitz vor einem Jahr niedergelegt hatte. Den fünf Gemeindevertretern haben sich weitere drei WHU-Mitglieder angeschlossen.

Für Karin Honerlah kommt die Trennung nach eigenen Angaben "nicht überraschend". Ein derartiger Schritt könne auch eine Bereicherung sein. "Menschlich bin ich nicht enttäuscht", sagt Karin Honerlah. "Ich habe eine klare Arbeitsweise hingelegt; ich will Qualität in unserer Arbeit, dafür stehe ich auch weiterhin." Bürgervorsteher Carsten Schäfer bescheinigt sie leicht ionisch eine "staatstragende" Amtsführung. Im Übrigen sei die Frage, ob ein neuer Bürgervorsteher gewählt werden müsse, eher "peripher und sekundär".

Carsten Schäfer selbst will vor der Gemeindevertretersitzung am Dienstag, 21. März, eine Stellungnahme abgeben. Darin wird er den übrigen Gemeindevertretern und der Öffentlichkeit mitteilen, dass er bereit sei, das Amt des Bürgervorstehers weiterzuführen, wenn es gewünscht werde. "Ich muss es nicht bis ans Ende aller Tage machen, denn der Posten ist mit viel Arbeit verbunden." Abgewählt werden kann der Bürgervorsteher mit einer Zweidrittelmehrheit. Da die Wählergemeinschaft nun nicht mehr stärkste Fraktion ist, könnte die CDU diesen Posten für sich beanspruchen. Sie ist jetzt mit zehn Sitzen die größte Fraktion, aber Fraktionschef Folker Brocks winkte gestern schon mal ab: "Carsten Schäfer ist anerkannt, ich wüsste nicht, wer von uns es besser machen sollte."

Für die CDU gebe es auch keinen Grund, an der Verteilung der Ausschusssitze zu rütteln. WHU und die Freie Fraktion müssten sich darüber verständigen. Diskutiert werden müsse aber, ob der neue Stellvertreter des Bürgermeisters, Wilhelm Dahmen, angesichts der Ereignisse um Bürgermeister Thormählen möglicherweise wegen mangelnder Erfahrung überfordert sein könnte. Der stellvertretende Bürgermeister kann mit einfacher Mehrheit abgewählt werden.

Während FDP-Fraktionsvorsitzender Klaus-Peter Eberhard von einer Neuwahl des Bürgervorstehers überzeugt ist, will die SPD keine Konsequenzen aus der neuen Konstellation im Gemeinderat ziehen. Ansprüche auf einen Posten hat die SPD als drittstärkste Fraktion ohnehin nicht. Beim SPD-Fraktionschef Horst Ostwald kommt keine Schadenfreude auf. "Das kann in jeder Fraktion passieren", sagt er. "Es hat sich aber erwiesen, dass Querelen nicht per Beschluss abgestellt werden können."