Die Kommunalaufsicht leitet aber ein Disziplinarstrafverfahren gegen den Henstedt-Ulzburger Bürgermeister Torsten Thormählen ein.

Henstedt-Ulzburg/Ellerau. Lähmendes Entsetzen im Henstedt-Ulzburger Rathaus. Wie das Hamburger Abendblatt gestern berichtete, steht Bürgermeister Torsten Thormählen unter Verdacht, gemeinsam mit dem Büroleiter im Ellerauer Rathaus, Klaus Lange, rund 200.000 Euro veruntreut zu haben. Die örtlichen Politiker waren vom Bürgermeister bereits am Dienstag über die laufenden Ermittlungen informiert worden. Gegen ihn wird ein Disziplinarstrafverfahren eingeleitet.

Gestern saß der Bürgermeister wie gewohnt in seinem Amtszimmer, um den täglichen Geschäften nachzugehen. Wenn es nach Torsten Thormählen geht, wird es auch so bleiben. Zwar nimmt er zu den Vorwürfen nach wie vor keine Stellung, aber er sagt: "Ich habe nicht vor, meine Amtsgeschäfte ruhen zu lassen. Ich weiß auch gar nicht, ob das beamtenrechtlich möglich ist."

Bis August 2011 sollen noch Zahlungen an Langes Firma erfolgt sein

Nach Auskunft der Leiterin der Kommunalaufsicht und des Rechtsamtes in der Segeberger Kreisverwaltung, Karin Grandt, ist das möglich. Für sie steht allerdings fest, dass Torsten Thormählen seinen Dienst nicht ruhen lassen muss und dass er dazu von der Kommunalaufsicht nur unter besonderen Umständen aufgefordert werden kann. Zum Beispiel dann, wenn ein mögliches Strafmaß auch dazu führen könnte, ihm den Beamtenstatus abzuerkennen. Eine Suspendierung allerdings könne der Henstedt-Ulzburger Hauptausschuss als Dienstvorgesetzter des Bürgermeisters anordnen.

Karin Grandt leitet aber ein Disziplinarstrafverfahren ein. Sie geht von ausreichenden Verdachtsmomenten aus, die dieses Verfahren erforderlich machen. Bei Anklageerhebung durch die Staatsanwaltschaft müsse dieses Verfahren ausgesetzt werden.

Dem jetzigen Ellerauer Bürgermeister Eckart Urban ist - wie berichtet - aufgefallen, dass von 2007 an Geld von den Kommunalbetrieben Ellerau auf das Konto der Norderstedter Beratungsfirma Innova 2000 geflossen ist. Innova 2000 ist eine Privatfirma des büroleitenden Beamten Klaus Lange, der gleichzeitig Prokurist der Kommunalbetriebe ist. Dabei soll es sich um Zahlungen für Beratungstätigkeiten in Höhe von rund 40.000 Euro pro Jahr gehandelt haben. Eckart Urban, der am 1. Juli 2011 den Vorstandsposten von Torsten Thormählen übernommen hat, konnte in den Unterlagen aber keine Gegenleistungen entdecken. Ende August 2011 hatte er genauere Einsicht in die Buchungs- und Geschäftsunterlagen der Kommunalbetriebe genommen und war dabei auf Ungereimtheiten gestoßen. Bis August 2011 sollen noch Zahlungen an Langes Firma erfolgt sein. "Ich habe schriftlich um eine Begründung gebeten und Nachweise der Beratungstätigkeit gefordert", sagt Eckart Urban. Eine "vernünftige" Auskunft habe es nicht gegeben.

Wie aus den Ermittlungsakten hervorgeht, soll Lange dem jetzigen Henstedt-Ulzburger Bürgermeister fast jeden Monat 1500 Euro "Honorar" auf dessen Konto gezahlt haben - in vier Jahren fast 60.000 Euro. Eine anonyme Anzeige hat die Staatsanwaltschaft auf die Spur gebracht.

"Wir müssen künftig aber eine Kontrollinstanz einschalten"

Warum ist dieser Zahlungsverkehr nicht vorher aufgefallen? Eckart Urban gibt dafür diese Erklärung: Es habe keine Veranlassung für eine Einzelbelegprüfung gegeben, da den Mitgliedern des Verwaltungsrates nichts Unrechtmäßiges aufgefallen sei. Urban: "Wir müssen künftig aber eine Kontrollinstanz einschalten."

Für die Politiker in Henstedt-Ulzburg steht eine Zeit der Ungewissheit bevor: Wie sollen sie mit einem Verwaltungschef umgehen, gegen den wegen Verdachts der gemeinschaftlichen und gewerblichen Untreue in besonders schweren Fällen ermittelt wird? Karin Honerlah (WHU) konsultiert als Vorsitzende des Hauptausschusses heute die Segeberger Kommunalaufsicht. Denn der Hauptausschuss tagt am Dienstag, 14. Februar. Über den heiklen Punkt wird unter Ausschluss der Öffentlichkeit beraten. Für die studierte Juristin gilt zunächst die Unschuldsvermutung. Bürgervorsteher Carsten Schäfer, der mit Torsten Thormählen eng zusammenarbeitet, stellt dem Bürgermeister ein gutes Zeugnis aus: Seine Mitarbeiterführung sei ausgezeichnet, im Rathaus sei er "uneingeschränkt" beliebt. "Ich bin überrascht über die handfesten Vorwürfe und hoffe, dass sie sich als haltlos erweisen." Die Vorsitzenden der anderen Ratsfraktionen halten sich mit öffentlichen Äußerungen zurück.

Auch die Finanzbehörden sollen angeblich ermitteln

Norderstedts Oberbürgermeister Hans-Joachim Grote hält sich zur Affäre um Thormählen und Lange bedeckt. "Zu dem laufenden Verfahren kann ich aus personalrechtlichen Gründen nichts sagen", sagt Grote. Klaus Lange ist als Stabsstellenleiter Ellerau ein Angestellter der Norderstedter Stadtverwaltung. Torsten Thormählen war als Dezernent zwischen Januar 2008 und Juli 2010 direkt dem Oberbürgermeister unterstellt. Grote bestätigt aber, dass die Personalabteilung der Stadtverwaltung "auf Hochtouren" die dienstrechtlichen Folgen prüfe, die die beiden Angeklagten im Falle einer Verurteilung zu erwarten hätten.

Die Prüfungen werden sich mutmaßlich auf die Nebeneinkünfte der beiden Männer konzentrieren. Grundsätzlich dürfen Verwaltungsmitarbeiter Nebeneinkünfte haben.

Unbestätigten Gerüchten nach ermitteln gegen Thormählen auch die Finanzbehörden. Die etwa 60.000 Euro, die er über Langes Beraterfirma überwiesen bekam, soll er nicht versteuert haben. Der Sprecher des Finanzministeriums, Matthias Günther, verweigerte mit Verweis auf das Steuergeheimnis einen Kommentar.