Demonstrationen waren nur der Auftakt für Proteste gegen Atomendlager und Castor. Sondersitzung der Parteispitze in der Nähe des Salzstocks.

Gorleben. Für die Atomkraftgegner war es nur ein kleiner Vorgeschmack. Mit Traktoren und Autos blockierten sie wichtige Verkehrsstraßen im Wendland . Hunderte Demonstranten kamen, um gegen die Weitererkundung des Salzstocks Gorleben als Endlager für hoch radioaktiven Atommüll zu protestieren.

Der "Unruhetag" in Lüchow-Dannenberg - einst ein vergessener Winkel Deutschlands - war der Auftakt für bundesweite Aktionen im November. Dann wollen Zehntausende Atomkraftgegner gegen den geplanten Castortransport ins oberirdische Zwischenlager Gorleben demonstrieren.

"Wir werden uns wehren, vor Gericht und auf der Straße", kündigte die Bürgerinitiative Lüchow-Dannenberg an. Politiker fürchten bei den Castorprotesten in rund fünf Wochen teils gewaltsame Ausschreitungen. Diesmal war die Stimmung überall friedlich, auch wenn viele Bürger richtig sauer sind über den Atomkurs der schwarz-gelben Bundesregierung.

Auch die Grünen - derzeit im absoluten Umfragehoch - wollen Gorleben zum Zentrum der Anti-Atom-Bewegung machen. An diesem Montag kommen die Parteispitze und die Bundestagsfraktion zu einer Sondersitzung in der Nähe des Salzstocks in Gorleben zusammen. Mit Anti-Atom-Initiativen wollen sie den Widerstand gegen den Atomkurs der Regierung planen.

Grünen-Chefin Claudia Roth wirft Schwarz-Gelb eine schmutzige Politik im Interesse der Atomlobby vor. Die Weiterführung der Erkundungsarbeiten für ein Atomendlager bezeichnete sie als Provokation für große Teile der Bevölkerung.

Eines der Feindbilder der Atomkraftgegner im Wendland - rund 600 demonstrierten am Sonnabend - ist Kanzlerin Angela Merkel (CDU). Ihr Konterfrei klebte an Traktoren, daneben das Markenzeichen der Anti-Atom-Bewegung, das gelbe X. Auf einer überdimensionalen, gelben Toilette aus Pappmaschee prangte der böse Spruch gegen die Regierungschefin: "Angela sorgt für den Beschiss." Das Misstrauen gegen CDU und FDP ist groß. Schwarz-Gelb spricht stets von einer ergebnisoffenen Erkundung des Salzstocks Gorleben. Atomkraftgegner glauben aber, dass die Regierung den Standort an der ehemaligen innerdeutschen Grenze als Endlager durchpeitschen will.

Am Freitag lief offiziell die Erkundung des Salzstocks rund 800 Meter tief unter der Erde wieder an - die konkreten Arbeiten starten aber voraussichtlich erst Mitte des Monats.

"Wird Gorleben Endlager, geht Profit vor Sicherheit", kritisierten die Atomkraftgegner, die eine Zufahrtsstraße nach Gorleben blockierten. In einigen Ortschaften kamen Bürger - vom Kleinkind bis zur Seniorin - mitten auf Kreuzungen zusammen, versperrten Straßen mit Bäumen, machten kleine Feuer und aßen Suppe. Zwei Atomkraftgegner seilten sich über einer Bundesstraße von einer alten Brücke ab. Die Wendländer nennen das kreativen Protest. Viele von ihnen beteiligen sich seit Jahrzehnten an den Aktionen - die Endlager-Erkundung in Gorleben ist schließlich schon rund 30 Jahre lang umstritten. "Wir demonstrieren, solange wir noch laufen können", sagte eine 59 Jahre alte Bürgerin.

Die Grünen-Europaabgeordnete Rebecca Harms, eine Symbolfigur für den Atom-Widerstand im Wendland, bezeichnete die Proteste als "Signal für den zivilen Ungehorsam".

Die Polizei zeigte sich bei den Straßenblockaden geduldig und kooperativ. Die Sicherheitskräfte hätten auch Aktionen toleriert, bei denen Gesetzesgrenzen überschritten wurden, meinte Harms. Die Politikerin kennt aber auch Proteste gegen Castortransporte, bei denen Wasserwerfer und Schlagstöcke zum Einsatz kamen - ähnlich wie zuletzt bei den Demonstrationen gegen das Bahnprojekt Stuttgart 21.

"Wir haben das, was in Stuttgart passiert ist, auch schon oft erlebt", sagte Rebecca Harms.