Kollow. Das kleine Dorf im Herzogtum Lauenburg ist bei der Klimawende mit einem ökologisch betriebenen Wärmenetz ganz weit vorne.

Aus mehr oder weniger wertlosem Wurzelwerk und Gestrüpp wird klimafreundliche Wärme, und die Asche wird zur Düngerproduktion verwendet: In Kollow entstehen voraussichtlich schon im Jahr 2025 ein genossenschaftlich geführtes Heizkraftwerk und ein Wärmenetz. „Damit sind wir in der kommunalen Wärmeplanung ganz weit vorne“, freut sich Bürgermeisterin Ines Tretau über das Engagement der Dorfbewohner für Klimaschutz und ein zukunftsfähiges Heizsystem.

Die Idee der zentralen Wärmeversorgung entstand schon vor dem Krieg in der Ukraine und den von der Berliner Ampel-Regierung vorangetriebenen Plänen zur Energiewende insbesondere bei der Heizung. Anfangs war ein Graskraftwerk angedacht, jetzt läuft es auf aufbereitetes Wurzelwerk von der Firma Buhck in Wiershop hinaus. Auch die ursprünglichen Partner gingen verloren. Als die Idee im Jahr 2019 aufkam, wollten Kollow, Hamwarde, Gülzow und Wiershop gemeinsam sogenannte Graskraftwerke betreiben.

Klimawende: Kollow verheizt Wurzelwerk statt Grünschnitt im Heizkraftwerk

Das Ursprungskonzept, für das die Gemeinden eine von der Aktivregion Sachsenwald-Elbe mitfinanzierte Machbarkeitsstudie in Auftrag gegeben hatten, sah vor, dass Grünschnitt aus den vier beteiligten Kommunen zu Pellets gepresst und anschließend verheizt werden sollte. Dafür sollte keine Biomasse angebaut, sondern der in Knicks und auf kommunalen Flächen anfallende Grünschnitt verwendet werden.

Felix Kluch vom Vorstand der Genossenschaft Kollow stellt die Pläne für ein Heizkraftwerk vor. Der Grünenabgeordnete Oliver Brandt (M.) ist begeister von dem Konzept, Bürgermeisterin Ines Tretau sowieso.
Felix Kluch vom Vorstand der Genossenschaft Kollow stellt die Pläne für ein Heizkraftwerk vor. Der Grünenabgeordnete Oliver Brandt (M.) ist begeister von dem Konzept, Bürgermeisterin Ines Tretau sowieso. © Stefan Huhndorf | Stefan Huhndorf

So ganz neu ist die Idee allerdings nicht. Mit Pellets aus Holzabfällen werden seit den 1980er-Jahren sowohl Kraftwerke als auch private Heizungsanlagen betrieben. Doch das geht nicht nur mit Holz: Bereits seit dem 4. April 2014 läuft in Borgstedt bei Rendsburg eine Versuchsanlage mit Pellets aus Abfallbiomasse. Betreiber ist die Bi.EN GmbH, eine Tochter der GETproject GmbH, die im Norden diverse Windparks betreibt. Das Unternehmen hat ein Verfahren entwickelt, aus „halmartiger“ Biomasse Pellets zu pressen.

Von 280 Haushalten haben sich 125 der Genossenschaft angeschlossen

Hamwarde hat sich von dieser Idee der Wärmeversorgung vorerst verabschiedet, Gülzow ist noch in der Findungsphase, weil sich bislang nicht genug Interessenten gemeldet haben. Denn mit 1300 Einwohnern ist Gülzow zwar das größte Dorf in der Region, aber es gibt dort auch viele Neubauten mit neuen Heizungen. Wiershop und Kollow gehen bei der kommunalen Wärmeversorgung getrennte Wege und haben eigene Genossenschaften gegründet. Beide Kommunen wollen aber aufbereitete Gartenabfälle von der Firma Buhck aus Wiershof zum Heizen nutzen.

Am weitesten ist Kollow. Von den 280 Haushalten im Dorf haben sich bereits 125 der Genossenschaft angeschlossen. Schon bei der Gründungsversammlung im Frühjahr waren auf Anhieb 76 Haushalte dabei. Damit wird ab 2025 wohl der halbe Ort mit Wärme aus dem Kraftwerk versorgt, das auf der Wiese neben der alten Feuerwache im Dorfzentrum entstehen soll. Der Grünen-Landtagsabgeordnete Oliver Brandt hat sich im Zuge seiner Sommertour durch ausgewählte Kommunen selbst ein Bild von dem Projekt gemacht. „Die Initiative zeigt, wie aus einer kleinen Idee etwas Großes werden kann. Insbesondere die Wärmeversorgung ist ein positives Beispiel dafür, wie ein ganzer Ort klimaneutral und unabhängig von Energiepreisen werden kann“, sagte der Politiker.

Die meisten Heizungen im Ort waren 20 Jahre alt oder älter

„Die Rahmenbedingungen sind ideal. 80 Prozent der Häuser sind nicht mehr als maximal 400 Meter von dem geplanten Heizwerk entfernt. Das bedeutet kurze Wege für das Rohrleitungsnetz“, erzählt Felix Kluch vom Vorstand der Genossenschaft. Eigentlich ist jetzt auch schon Anmeldeschluss für die Teilnahme an dem Projekt, aber wenn sich kurzfristig noch ein Dorfbewohner meldet oder sich während der Bauarbeiten in seiner Straße entschließt, sich doch noch anschließen zu lassen, werde sich wohl ein Weg finden, sagte Kluch.

Dass sich nicht alle Haushalte an das Netz anschließen lassen wollen, hat die unterschiedlichsten Gründe. „Einige haben ihre Heizungen gerade erst erneuert, andere haben bereits Wärmepumpen installiert. Wir haben allerdings auch einen Dorfbewohner überzeugt, der seine 80 Jahre alte Ölheizung jetzt gegen unser Wärmenetz austauschen möchte“, sagt Kluch schmunzelnd. Da es in Kollow schon seit längerer Zeit keine Neubaugebiete mehr gab, sind die meisten Heizungen bereits 20 oder 25 Jahre alt und müssten sowieso ausgetauscht werden.

2025 soll die Anlage in Betrieb gehen

Der Zeitplan für das Projekt ist ehrgeizig, dank kompetenter Partner aber machbar, ist sich Kluch sicher. Die Projekte in Kollow und Wiershop werden von der Firma Treurat und Partner Unternehmensberatungsgesellschaft betreut. Baubeginn für das Heizkraftwerk und das Rohrleitungsnetz soll 2024 sein, 2025 soll die Anlage in Betrieb gehen. Das Investitionsvolumen liegt bei 4,8 Millionen Euro – angesichts der allgemeinen Kostensteigerungen und der Inflation dürften es am Ende mehr sein. „Natürlich haben wir auch mit steigenden Zinsen zu kämpfen. Dafür bekommen wir den Brennstoff und die Infrastruktur von Buhck aber auch konkurrenzlos günstig und wir rechnen auch mit einer öffentlichen Förderung in Höhe von 30 Prozent der Baukosten“, rechnet Felix Kluch vor.

Landeserntedankfest 2022 in Lütau: Eröffnung der Hackschnitzelheizanlage durch Bischöfin Kirsten Fehrs (r.) und die Bundestagsabgeordnete Nina Scheer.
Landeserntedankfest 2022 in Lütau: Eröffnung der Hackschnitzelheizanlage durch Bischöfin Kirsten Fehrs (r.) und die Bundestagsabgeordnete Nina Scheer. © Marcus Jürgensen | MarcusJürgensen

Die Genossenschaftsmitglieder werden ebenfalls an den Baukosten beteiligt. Sie zahlen zwischen 3500 und 5000 Euro. Dafür bekommen sie einen Hausanschluss und eine Übergabestation im Keller. Außerdem muss jeder Nutzer der Genossenschaft angehören und pro Haushalt einen Anteil in Höhe von 2000 Euro zahlen. Der Wärmepreis wird bei 13,55 Euro pro Kilowattstunde liegen, die Anlage soll jährlich 2,7 bis 2,8 Millionen Kilowattstunden Wärme erzeugen. „Strom werden wir nicht erzeugen“, fügt Kluch hinzu.

Die Genossenschaft ist ehrenamtlich organisiert, kann aber auf einige Expertisen zurückgreifen. Kluch ist Bankkaufmann, es gibt aber auch Handwerker und andere Fachleute im erweiterten Vorstand. Bei dem Projekt arbeiten die Initiatoren eng mit der Firma Buhck zusammen. Das Entsorgungs- und Recyclingunternehmen bereitet den Brennstoff auf, damit er in der Anlage in Kollow verbrannt werden kann. Der Trocknungsgrad liegt bei 60 Prozent.

Die Asche wird in der Düngemittelherstellung verwendet

Außerdem werden die Holzteile grob geschreddert, damit sie über ein Transportband in den Brennofen der vollautomatisch betriebenen Anlage eingefüllt werden können. Das Material soll einmal wöchentlich mit einem Lkw angeliefert werden. Auch die Asche wird von Buhck abtransportiert und in der Düngemittelherstellung verwendet. „Das ist ein geschlossener Kreislauf. Das passt perfekt zu dem ökologischen Anspruch unseres Dorfes“, sagt Bürgermeisterin Ines Tretau.

Dass so ein Konzept funktioniert, zeigt im kleineren Umfang auch die Gemeinde Lütau. Dort werden seit 2022 Kirche, Kita und Pastorat mit Knickholz beheizt. Die Kirchengemeinde besitzt 150 Hektar Land, die verpachtet sind. Das Holz aus der Knickpflege wird für die Befeuerung der Anlage genutzt.