Die Fahrt unter ausländischem Banner ist bis zu 450 000 Euro im Jahr billiger. Die Zahl der Berufsanfänger bleibt in der Krise hoch.

Hamburg. Im Zuge der Schifffahrtskrise haben wieder mehr Reeder die deutsche Flagge gestrichen und lassen ihre Frachter unter ausländischen Farben fahren. Die Zahl der Seeschiffe unter Schwarz-Rot-Gold liegt jetzt zwischen 440 und 450. Das sind deutlich weniger als die 500, die die Branche der Bundesregierung bei den Nationalen Maritimen Konferenzen zugesagt hat. "Vor allem kleine und mittlere Reedereien leiden unter dem wirtschaftlichen Druck und können zum Teil Zins und Tilgung bei ihren Frachtern nicht bezahlen", sagte Ralf Nagel, der Hauptgeschäftsführer des Verbandes Deutscher Reeder (VDR), in Hamburg.

In solchen Fällen spielen die geringeren Betriebskosten unter ausländischer Flagge eine Rolle, mit denen gegenüber der deutschen Flagge zwischen 80 000 und 450 000 Euro pro Jahr gespart werden können. "Wir peilen aber wieder die Zahl von 500 an", sagte Nagel. Die Reeder profitieren bundesweit von der günstigen Tonnagesteuer. Sie ist an den Sitz der Reederei in Deutschland, aber nicht an die deutsche Flagge gebunden. Insgesamt haben deutsche Reedereien 3000 international fahrende Schiffe in ihrem Management.

Gerade für kleinere Reedereien mit wenigen Schiffen ist es jedoch nicht einfach, die Besatzungsbestimmungen mit Offizieren aus Deutschland oder der EU einzuhalten. "Wir setzen uns deshalb für die Zusammenarbeit mehrerer Unternehmen ein, die dann eine ausreichende Zahl von Frachtern für den Austausch der Besatzungen zusammenfassen können", sagte Nagel.


Optimistisch sieht der Verband die Lage im Ausbildungsbereich und bei der Beschäftigung deutscher Seeleute. So lag die Zahl der Neueinsteiger - zu ihnen zählen angehende Schiffsmechaniker sowie Nautiker und Ingenieure - 2009 bei 829 und damit nur wenig unter den 856 des Vorjahres. Dagegen hatten noch 2003 nur 363 Interessenten eine Ausbildung begonnen. Auch der Arbeitsmarkt für Seeleute wird wieder enger. So sank die Zahl der arbeitssuchenden Offiziere von März bis Mai von 60 auf weniger als 40. Insgesamt fahren 8000 deutsche und 55 000 ausländische Seeleute für deutsche Reedereien.

Die Probleme bei der Schiffsfinanzierung sieht Nagel ebenfalls etwas weniger dramatisch. "Wir rechnen damit, dass 750 eingesetzte Schiffe noch in Schwierigkeiten geraten könnten, für 200 von ihnen werden wohl Bürgschaften der Länder notwendig sein", so der VDR-Hauptgeschäftsführer. Um den Betrieb der Frachter für die nächsten Jahre zu sichern, würden für 2010, 2011 und 2012 je 170 Millionen Euro ausreichen.

Nach einer Umfrage des Bundeswirtschaftsministeriums geht Nagel davon aus, dass die meisten deutschen Reedereien inzwischen Lösungen für die Abnahme von Neubauten aus China gefunden haben. Das Ministerium habe jetzt dennoch angeboten, Kontakt mit der chinesischen Botschaft aufzunehmen, um über weitere Verschiebungen, oder Stornierungen von Aufträgen zu verhandeln. Betroffen sei ein Bauvolumen von 1,5 bis zwei Milliarden Euro.


Kritisch sieht der Verband die Rolle der HSH Nordbank, die jetzt acht Milliarden Euro ihres Schiffskreditgeschäfts in eine Abbaubank auslagern will, wie das Abendblatt berichtete. "Gerade bei den kleinen Reedereien gibt es die Sorge, dass die Sanierung auf ihrem Rücken ausgetragen werden soll", sagte Nagel. "Solche Pauschalaussagen sind irreführend", meinte wiederum ein HSH-Sprecher. "Größe ist nicht das entscheidende Kriterium bei unseren Entscheidungen, Geschäftsverbindungen fortzuführen." Noch beim Maritimen Gipfel im März hatte der Koordinator der Bundesregierung, Hans-Joachim Otto, das Ziel vorgegeben, wirtschaftlich gesunden Reedereien zu helfen. Nagel: "Wir werden beim Gipfel am 5. Juli auch bei den Banken nachfragen, ob diese Vereinbarung noch gilt."