Das Milliardenprojekt soll die Häfen von Hamburg und Bremen besser anbinden. Norden wartet auf Signal des Bundesverkehrsministers.

Hannover. Ob sie nun aus Hamburg oder Bremen anreisen oder ein Heimspiel in Hannover haben, die Politiker und Verkehrsexperten werden genau hinhören, ob sich Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) morgen bei der Nationalen Konferenz Güterverkehr und Logistik in der niedersächsischen Landeshauptstadt zur Y-Trasse, dem größten norddeutschen Schienenprojekt seit Jahrzehnten, bekennt.

Der niedersächsische Verkehrsminister Jörg Bode (FDP) legte auf Abendblatt-Anfrage die Messlatte hoch: "Ich gehe davon aus, dass Bundesminister Ramsauer eindeutig zu diesem so wichtigen Projekt steht." Allen Beteiligten ist klar, dass eine Entscheidung rasch fallen muss. Die Häfen an der Nordseeküste verlangen nach der Trasse, eine neue Strecke, die von Hannover Richtung Norden führt und dann sowohl nach Bremen wie Hamburg reicht - in Form eines Ypsilons eben. Ohne einen Umbau des Schienennetzes würden, so die Befürchtung, die Güterzüge aus den beiden größten deutschen Seehäfen künftig immer häufiger im Stau stehen.

Sogar mit Landesmitteln hat Niedersachsen in der Vergangenheit dafür gesorgt, dass die Deutsche Bahn wenigstens die Vorplanungen vorantreibt. Jetzt bestätigt der Bahn-Konzernbevollmächtigte für Norddeutschland, Ulrich Bischoping, dass der Konzern die Kosten für das Projekt neu berechnet. Das ist überfällig, die letzte belastbare Zahl stammt von 2003. Damals wurden 1,59 Milliarden Euro prognostiziert. Das Projekt polarisiert und ist durchaus vergleichbar mit dem Bahnhofsprojekt Stuttgart 21. Die Oppositionsparteien Grüne und Linke im Landtag sind strikt dagegen. Und ähnlich wie in Stuttgart gibt es eine Vielzahl von Studien der Projektkritiker. Der Tenor: Eine neue superschnelle ICE-Trasse ist nicht geeignet, den drohenden Dauerstau für die Güterzüge abzuwenden.

Zudem könne durch den Bau zusätzlicher Gleise etwa von Hamburg über Lüneburg hinaus bis Uelzen sowie weitere Ausbauten das Ziel für den halben Preis erreicht werden. Und noch ein Argument der Kritiker: Das Mammutprojekt werde so spät fertig, dass bei der erwarteten Verdoppelung des Güterschienenverkehrs bis 2025 der Verkehrsinfarkt lange vor Fertigstellung der Trasse eintrete.

Dem widerspricht der Konzernbevollmächtigte Bischoping und versichert, man habe Alternativen wie den Ausbau bestehender Strecken sorgfältig abgewogen: "Wir gehen aber nach wie vor davon aus, dass die im Rahmen des Raumordnungsverfahrens bestätigte Y-Trasse die beste Lösung ist, um die zukünftigen Verkehre abzufahren." Diese Einschätzung hat wohl auch damit zu tun, dass die Bahn jetzt anders als in der frühen Planungsphase erwartet, dass auch Güterzüge auf der neuen Strecke Platz finden. Dazu sind Überholbahnhöfe angedacht, aber auch ein Abzweig von der Hauptstrecke bei Hannover Richtung Lehrte. Und noch etwas gibt der Konzernbevollmächtigte zu bedenken. Wenn nur bestehende Strecken "ertüchtigt" und mit weiteren Gleisen versehen würden, bedeute dies über viele Jahre Beeinträchtigungen und Behinderungen durch die Bauarbeiten im laufenden Bahnbetrieb. Im Norden nimmt jetzt ausgerechnet ein Gegner der Y-Trasse die Bahn in Schutz. Christoph Chilla, Vorsitzender der gegen die Y-Trasse gerichteten Bürgerinitiative "Bürger für eine lebenswerte Wedemark", sagt: "Es ist nicht die Bahn, es ist die Politik, die das Projekt Y-Trasse antreibt." Seine Vermutung: "Es geht um den Proporz, es wird viel Geld im Süden ausgegeben, also muss auch etwas in den Norden gehen."

Tatsächlich haben die fünf norddeutschen Ministerpräsidenten im Mai Bundesverkehrsminister Ramsauer in Berlin gemeinsam klargemacht, wie wichtig sie den Ausbau der Infrastruktur nehmen und dass solche Maßnahmen im Interesse der gesamten Exportnation Deutschland seien.

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Chilla vermutet zudem, dass Parteien und Politiker sich mit dem Projekt profilieren wollen. Und alle bislang vorliegenden Wirtschaftlichkeitsberechnungen nennt er "gelogen". Die Kostenschätzungen aus längst vergangenen Zeiten würden mit dem erwarteten Transportvolumen des Jahres 2015 kombiniert.

Der niedersächsische Verkehrsminister Bode dagegen argumentiert nicht nur mit dem erwarteten Zuwachs an Güterverkehr, sondern auch damit, dass die Y-Trasse dazu führt, dass hier vor allem nachts die Güterzüge rollen statt auf den alten Trassen, die durch zahlreiche Städte und Dörfer führen. Und weil das Land schließlich zehn Millionen Euro für die Planungen bereitgestellt hat, hofft es auf Mitsprache und konkret auf einen ICE-Halt in Walsrode. Wenn hier ein Überholbahnhof gebaut werde, so argumentiert der Minister, könne man doch auch einen Haltepunkt planen.

Zwar sieht die Bahn keinen entsprechenden Bedarf, aber im Verkehrsministerium in Hannover rechnet man optimistisch mit 1500 bis 2000 Fahrgästen pro Tag. Auf der Schnellstrecke Köln-Frankfurt habe man die beiden Haltepunkte Montabaur und Limburg anfangs auch belächelt, jetzt registriere man dort täglich bis zu 3000 Fahrgäste.

Minister Bode will noch ein anderes Anliegen bei der Nationalen Konferenz Güterverkehr vortragen. Im nächsten August soll der neue Tiefwasserhafen Wilhelmshaven den Betrieb aufnehmen. Doch der Bahnanschluss, also der Ausbau der Bahnstrecke auf zwei Gleise und die Elektrifizierung, liegt weit hinter dem Zeitplan.