Gehen zu viele Menschen zum Arzt, die gar nicht krank sind? Und würden sich diese Patienten von einer erweiterten Praxisgebühr von ihrem Arztbesuch abschrecken lassen?

Mit seiner Forderung, jeden Facharztbesuch mit 25 Euro Praxisgebühr zu belasten, hat der Chef der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein, Leonhard Hansen, eine Diskussion ausgelöst. Er meint: "Die Hemmschwelle, ärztliche Leistungen in Anspruch zu nehmen, ist immer noch zu niedrig." Dr. Martin Ehlers, Lungenfacharzt aus Hamburg mit 41 000 Patienten in seiner Kartei, nennt den Vorschlag "weltfremd": "Patienten, die zu mir in die Praxis kommen, sind auch wirklich krank."

Nach seiner Erfahrung sei die bisherige Praxisgebühr von zehn Euro schon eine Hemmschwelle. "Das trifft viele unangenehm." Der Mediziner sieht auch praktische Probleme beim Kassieren. Bereits jetzt sei der Verwaltungsaufwand hoch.

Seit Einführung der Praxisgebühr von zehn Euro pro Quartal haben die niedergelassenen Ärzte immer wieder bemängelt, dass sie diesen Beträgen in vielen Fällen "hinterherlaufen" müssen.

Auch war eine abschreckende Wirkung der Praxisgebühr schon nach wenigen Wochen verpufft. Jedenfalls ist die Bilanz unter den Ärzten eindeutig: Die Zusatzbeteiligung der Patienten hat nicht dazu geführt, dass die Wartezimmer weniger voll geworden sind.

Insbesondere solche Patienten, denen unterstellt wird, dass sie zu häufig oder wegen unbedeutender Kleinigkeiten zum Arzt gehen, würden sich wohl kaum von einer weiteren Gebühr davon abhalten lassen, meint Ehlers.

Er kenne dagegen gerade Patienten, die trotz gravierender Gesundheitsprobleme keinen Arzt aufsuchen würden. Dahinter stehe häufig die Einstellung, auch ohne ärztliche Hilfe irgendwann wieder gesund zu werden, "bis es dann eines Tages zu spät ist", sagt Ehlers. Er sieht hinter Forderungen wie denen der KV Nordrhein eher die Absicht, einen Keil zwischen Ärzte und Patienten zu schlagen mit dem Ziel, Patienten davon abzuhalten, ärztliche Leistungen in Anspruch zu nehmen.

Auch die Kassenärztliche Vereinigung Hamburg reagiert skeptisch auf den Vorstoß der KV Nordhrein. Vorsitzender Dieter Bollmann nennt eine Pauschalgebühr "ungeeignet in ihrer Wirkung auf die Struktur". Das hätten alle Erfahrungen gezeigt. Wenn man die Zahl der Arzt-Patientenkontakte verringern wollte, damit sich die Mediziner intensiver um jene kümmern könnten, die wirklich Hilfe benötigten, müsse man auch das Bewusstsein bei den Patienten verstärken, dass jeder Arztkontakt Geld kostet. Dies sei möglicherweise auch mit Mitteln einer Eigenbeteiligung zu erreichen wie bei den Privatkassen, nicht aber mit einer Pauschalgebühr, so Bollmann. (cri)