Die bisher bekannt gewordenen Fälle von Missbrauch in Einrichtungen des Jesuiten-Ordens sind vermutlich nur die Spitze des Eisbergs. Klaus Mertes, Schulleiter am Berliner Canisius-Kolleg, fürchtet, dass es auch an anderen Orten Übergriffe gegeben hat und dass außerdem die bislang bekannte Anzahl von Taten erst der Beginn einer regelrechten Welle von Bekenntnissen und Beschuldigungen sein könnte.

Unterdessen hat ein dritter Pater, der inzwischen 70-jährige Bernhard E., ebenfalls frühere Taten gestanden. Demnach hat er auch auf der Hamburger Sankt-Ansgar-Schule Kinder und Jugendliche missbraucht.

Von 1981 bis 1983 hatte E. auf der Hamburger Schule als Lehrer und Jugendbetreuer und -seelsorger gewirkt. Unter anderem auf Jugendfreizeiten soll es zu Missbrauchstaten gekommen sein. Der Ordensgeistliche räumte ein, jungen Gymnasiasten pornografische Bilder gezeigt zu haben. Zuvor hatten drei Betroffene sich beim Jesuiten-Orden gemeldet. Der Pater, der inzwischen im Frankfurter Westend lebt, habe ein Geständnis abgelegt, nachdem er mit den Aussagen der Opfer konfrontiert worden sei, sagte der Leiter des Ordens, Provinzial Stefan Dartmann, gestern. Dartmann habe ihn daraufhin aus dem Orden ausgeschlossen und aufgefordert, bei der Polizei eine Selbstanzeige zu machen. Das sei auch geschehen, so der Ordenschef.

Hamburgs Erzbistums-Sprecher Manfred Nielen sagte gestern, er habe durch eine Mitteilung des Jesuiten-Ordens Kenntnis von dem dritten mutmaßlichen Täter erhalten. Friedrich Stolze, heutiger Leiter der Sankt-Ansgar-Schule, berichtete gestern von einem weiteren Missbrauchsopfer: Der Mann habe sich per E-Mail gemeldet. Seine Aussage sowie die zweier weiterer Betroffener haben den Priester dann offenbar zu seinem Geständnis bewegt. Bernhard E. war in den Jahren 1970 und 1971 Religionslehrer am Berliner Canisius-Kolleg. Danach arbeitete er als Jugendseelsorger in Hannover, wo es offenbar auch zu Taten gekommen ist.

Von dort wechselte er an die Hamburger Sankt-Ansgar-Schule. Ab 1983 leitete er ein internationales Hilfswerk, für das er oft Kinder in Afrika besuchte. Auch von dieser Funktion ist Bernhard E. inzwischen entbunden.

Der frühere Jesuiten-Pater Wolfgang St. hat unterdessen offenbar weitere Taten gestanden. Nicht nur in Hamburg und Berlin, sondern auch in Chile und Spanien habe er demnach Kinder missbraucht, wie die von dem Jesuiten-Orden beauftragte Anwältin Ursula Raue mitteilt. Bei den Taten habe es sich um "exzessive körperliche Bestrafungsrituale" gehandelt, hieß es weiter.