Geschätzte 15 000 Todesfälle gibt es jedes Jahr allein in Deutschland. Doch dieser Krebs wächst sehr langsam. Früh entdeckt, bestehen sehr gute Heilungschancen.

Es mag merkwürdig klingen, wenn man von der "guten" Seite einer Krebserkrankung spricht. Denn die Diagnose Prostatakrebs ist für die Betroffenen zunächst einmal ein Schock. Doch die mit Abstand häufigste bösartige Erkrankung bei Männern zeigt immerhin ein typisches Verhalten, das den Medizinern eine Chance gibt, die Zahl der geschätzten 15 000 Todesfälle pro Jahr in Deutschland langfristig zu verringern: "Der früh entdeckte Prostatakrebs wächst extrem langsam", sagt Prof. Dr. Hartwig Huland (64). Werden die Krebszellen also in einem frühen Entwicklungsstadium - wenn sich der Krebs noch ausschließlich in der Prostata befindet - entdeckt und unschädlich gemacht, dann können sie ihre tödliche Kraft mit in den Körper ausstrahlenden Metastasen niemals entfalten. Denn dafür brauchen sie mindestens zehn Jahre.

"Deshalb rettet die Vorsorge vielen Männern das Leben", sagt Huland. Eine Tastuntersuchung als Früherkennungsmaßnahme zahlen die gesetzlichen Kassen ab dem 45. Lebensjahr. Doch wenn die Veränderung der Prostata, der Drüse, die in Form und Größe einer Kastanie ähnelt, bereits tastbar sei, habe der Krebs schon ein Stadium erreicht, in dem er nur bei zehn bis 20 Prozent der Fälle noch heilbar sei.

Hätten diese Erkrankten zehn bis 15 Jahre früher ihr Blut auf den PSA-Wert (Prostataspezifisches Antigen) testen lassen, wäre ihr Leiden möglicherweise dabei erkannt worden. Aber die Mehrzahl der Männer tut sich schwer damit, ohne Beschwerden zum Arzt zu gehen. Denn wer rechnet schon mit einem Krebs, der die Betroffenen in Sicherheit wägt, weil er jahrzehntelang keine äußeren Symptome hervorruft? Bis die Heimtücke zuschlägt: Drei von hundert Männern sterben an Prostatakrebs.

Nur etwa jeder fünfte Deutsche nutzt die Vorsorge. Und wer kennt schon seinen aktuellen PSA-Wert, so wie Professor Huland ("1,1"), der international anerkannte Hamburger Prostataspezialist, Urologie-Chefarzt im Uniklinikum Eppendorf (UKE) und Chef des Prostatazentrums Martini-Klinik, der deutschlandweit einzigen nur auf eine Krankheit spezialisierten Hochschul-Klinik.

Doch der PSA-Wert, der zum Beispiel beim Stand von 1,1 völlig unbedenklich scheint, hat auch seine Tücken. Huland nennt die drei Nachteile:

Nur 30 Prozent derer, die einen erhöhten Wert haben, sind tatsächlich krebsbefallen. Deshalb folgt gewöhnlich eine Gewebsentnahme (Biopsie).

Die Grenzen, welcher Wert unbedenklich ist, sind fließend ("kein sicherer Nullwert"). Früher hieß es, alle Werte unter "4" seien harmlos; doch es können auch "3" oder "2,5" (Nanogramm pro Milliliter) sein. Hulands Empfehlung bei verdächtigen Werten: nach einigen Monaten erneut testen, um eventuelle Veränderungen zu erkennen.

Auch untere Grenzwerte bedeuten nicht zwangsläufig "krebsfrei". Denn manche Krebsarten sind so wenig aggressiv, dass sie sich auf diese Weise nicht nachweisen lassen.

Doch die diagnostische Unsicherheit wegen der Schwachstellen des PSA-Werts sieht Huland "in einigen Jahren gelöst". Vielversprechende neuartige Blut- und Urintests seien in der Erprobung, zum Beispiel an der John-Hopkins-Klinik in Baltimore (Maryland, USA). Sie zählt neben der Hamburger Martiniklinik und der Mayo-Klinik in Rochester (Minnesota) zu den drei größten Zentren für Diagnose, Behandlung und Erforschung des Prostatakrebses. Wie eine Studie am Memorial Sloan-Kettering Cancer Center in New York ergab, haben Zentren mit solch großen Patientenzahlen die besten Ergebnisse in Hinblick auf Heilungsraten und Erhalt von Potenz und Kontinenz. Auch die Hamburger Klinik hofft, bald neue Marker zu entwickeln - durch ein gerade genehmigtes Projekt aus dem nationalen Genomforschungsprojekt von 8,5 Millionen Euro in Zusammenarbeit mit dem DKFZ (Deutsches Krebsforschungszentrum Heidelberg).

Ist der Krebs eindeutig identifiziert, "bieten wir eine dem individuellen Fall angepasste Therapie an", sagt Huland. Zu berücksichtigen sei dabei etwa:

  • Wie aggressiv ist der Krebs?
  • Wie viel Gewebe ist betroffen?
  • Wie alt und wie belastbar ist der Patient?

Fällt die Entscheidung für eine Operation, wird die Prostata komplett entfernt ("radikale Prostatektomie"). Erfahrene Urologen schonen bei diesem Eingriff die feinen Nervenbahnen, um die Potenz und die Harn-Kontinenz zu erhalten. Bei später auftretenden Erektionsstörungen (ca. 30 Prozent der Operierten) können Medikamente vom Typ Viagra helfen. Nervschonend kann jedoch nur operiert werden, wenn der Krebs auf die Prostatakapsel beschränkt ist.

Der Eingriff kann auch minimalinvasiv mit kleinen Schnitten und Bauchspiegelungs-Instrumenten gemacht werden. Huland über die Vorteile für den herkömmlichen, etwa zehn Zentimeter langen Schnitt in der Bauchhöhle: "Der erfahrene Operateur kann dabei zarter mit den empfindlichen Nerven umgehen, da er nur beim offenen Zugangsweg die Festigkeit des Gewebes ertasten kann."

Statt der OP gibt es auch unterschiedliche Formen der Bestrahlung als Therapie. Bei Frühformen des Krebses werden zum Beispiel kleine, radioaktiv strahlende Stäbchen in einem einstündigen Eingriff in die Prostata verbracht ("Seed-Implantation"). Sie verbleiben dort, auch wenn nach Monaten die Strahlung abklingt. Bei der sogenannten Hochdosis-Brachytherapie werden die Tumorzellen in zwei operativen Sitzungen bestrahlt. Es folgt eine fünfwöchige, tägliche ambulante Bestrahlung. Grundsätzlich gilt: Nach der Bestrahlung sind Potenzstörungen mit etwa 50 Prozent langfristig höher als nach einer Operation, wenn diese von erfahrenen Urologen im frühen Stadium nervschonend gemacht wird. Sind weder OP noch eine Bestrahlung möglich, können Hormonpräparate die Ausbreitung der Krebserkrankung hemmen.

Für die Patienten ist es unbedingt wichtig, sich in erfahrene Hände zu begeben. Huland: "70-80 Prozent derer, die wir im frühen Stadium operieren, haben nie wieder etwas mit der Erkrankung zu tun."