Besucher der vom Hamburger Abendblatt organisierten Info-Veranstaltung verfolgten Live-Operationen, Führungen und Vorträge.

Am Mittwoch lud das Abendblatt insgesamt 130 Leser ein, hinter die Kulissen der Hamburger Herzzentren zu blicken. Los ging es mit dem wichtigsten Hinweis: "Atemnot, Engegefühle - das sind Alarmzeichen. Haben Sie keine Hemmungen: Rufen sie sofort 112!" Privatdozent Dr. Martin Bergmann, leitender Oberarzt der Kardiologie, und Dr. med. Matthias Betzold, Oberarzt der Herzchirurgie, erklärten in der Asklepios-Klinik St. Georg, welche Wege ein Patient mit Verdacht auf Verengung oder Verschluss der Herzkranzgefäße dann im Krankenhaus durchläuft: Erste Station ist die Chest Pain Unit. Mittels eines Bluttests wird anhand von Eiweißwerten festgestellt, ob ein Infarkt vorliegt. Das EKG zeigt Durchblutungsstörungen am Herzen. Da zwischen Infarktbeginn und seiner Nachweisbarkeit eine halbe Stunde liegt, kann hier auch die Ultraschall-Untersuchung eine wichtige Rolle spielen: Anhand der Farbgebung des Blutflusses erkennt der Fachmann, ob das Blut ungestört fließt. Mit Filmmaterial zeigte Dr. Bergmann anschaulich, wie ein Herzkatheter in feinster Detailarbeit bis in die Herzkranzgefäße geschoben wird. Dann wird ein Kontrastmittel injiziert, das Ort und Grad der Einengung verdeutlicht. Mittels Ballondilatation werden krankhafte Gefäße mit einem winzigen, sich entfaltenden Ballon geweitet. Das Blut kann wieder fließen. "Die Zeit zwischen Ankunft des Patienten im Krankenhaus und diesem Eingriff wird Door-to-Balloon-Time genannt. Sie beträgt 30 Minuten bis maximal eine Stunde", so Dr. Bergmann.

Auf großes Interesse bei den Besuchern traf die noch relativ neue Stammzellen-Therapie. Liegen Schädigungen des Herzmuskels nach einem Infarkt vor, verliert das Herz an Kraft. Eine lebensbedrohliche Herzschwäche entsteht. Die Therapie mit körpereigenen Stammzellen des Patienten soll die verkümmerten Selbstreparaturmechanismen des Herzens unterstützen und diesen Prozess aufhalten. Aus dem Beckenkamm entnommenes Mark wird konzentriert und die Stammzellen in Bereiche gegeben, die sich nicht gut erholt haben. "Zunächst wurden die Stammzellen in die Herzkranzgefäße gegeben. Unterdessen spritzen wir sie direkt in den Herzmuskel, was noch viel effektiver ist", so Bergmann.

Die Rasanz der medizinischen Entwicklung verblüffte auch die Besucher des Albertinen-Krankenhauses. Privat-Dozent Dr. med. Friedrich-Christian Rieß, Chairman des Albertinen-Herzzentrums und Chefarzt der Herzchirurgie, erzählte aus den Anfängen der Katheterdiagnostik und -therapie. "Mit solchen Kunststückchen habilitiert man sich in einem Zirkus und nicht an einer anständigen deutschen Klinik!" sagte man einem Pionier der Medizin 1929. Der Arzt Werner Forßmann hatte sich im Selbstversuch einen Katheter über die Ellenbeugenarterie ins Herz eingeführt. Spät kam der Ruhm: 1956 wurde ihm der Nobelpreis verliehen. Unterhaltsam und informativ brachten Dr. Rieß und Dr. Peter Kremer, Chefarzt der Kardiologie, den über 100 Besuchern medizinische Fakten rund um das Herz nahe.

Günter Gauger, 89, wurde vor vier Jahren im Albertinen-Krankenhaus eine biologische Herzklappe aus einem Schweineherzen implantiert. "Wie lange hält die eigentlich?", wollte er wissen. Biologische Herzklappen sind im Gegensatz zu mechanischen Herzklappen aus Titan und Kohlefaser nur begrenzt haltbar, erklärten die beiden Spezialisten. Gegenwärtig ist von 15-20 Jahren auszugehen. Bei älteren Menschen sind die Klappen länger funktional, vermutlich aufgrund der geringeren Belastung. Mechanische Klappen halten Abnutzungserscheinungen ca. 100 Jahre lang stand. Der Patient muss jedoch lebenslang blutverdünnende Medikamente nehmen, um die Bildung von Blutgerinnseln zu verhindern. Und diese Medikation kann schwere Blutungskomplikationen zur Folge haben. Deshalb werden im Albertinen-Krankenhaus, wenn die eigene Herzklappe nicht erhalten werden kann, 97 Prozent biologische und nur drei Prozent mechanische Klappen verwendet.

Anschließend wurde über ein Headset die Live-Übertragung von zwei Operationen kommentiert. Angeschlossen an eine Herz-Lungen-Maschine wurde die verkalkte Herzklappe einer 66-jährigen Frau durch eine biologische Klappe ersetzt. Diese wurde in den natürlichen Klappenring des Herzens gesenkt und mit 15 Fäden festgenäht. Im zweiten Operationssaal wurden vier arterielle Bypässe am schlagenden Herzen gelegt. Fasziniert beobachteten die Gäste, wie die linke Brustbeinschlagader mit Fäden an die zu versorgenden Gefäße genäht wurde. Zum Abschluss demonstrierte Dr. Kremer den Herzaufbau und eine Ballondilatation mit Legung eines Stents in ein verengtes Gefäß - an einem frischen Rinderherzen. "Ich finde die Aktion großartig", so Günter Gauger. "Jetzt verstehe ich endlich genau, was bei mir gemacht worden ist."

Auch im Universitätsklinikum Eppendorf nutzten Besucher die Gelegenheit, sich ausführlich über Herzkrankheiten zu informieren. Zum Auftakt der Veranstaltung wies Prof. Hermann Reichenspurner, Direktor des Universitären Herzzentrums am UKE, noch einmal deutlich auf die gute Versorgung von Herzpatienten in Hamburg hin: "Insgesamt ist die Versorgung in der Herzmedizin in keinem anderen Bundesland so gut wie in Hamburg." Der Herzchirurg Dr. Lenard Conradi stellte die Therapiemöglichkeiten von Erkrankungen der Herzkranzgefäße vor und erläuterte in seinem Vortrag die konservative Therapie mit Medikamenten, die Versorgung mit Stents und das Vorgehen bei einer Bypass-Operation. Zusammen mit seinem Kollegen, dem Kardiologen Prof. Stephan Baldus, beantwortete er die Fragen der Besucher.

Diese konnten anschließend bei einer Führung einen Blick hinter die Kulissen des Herzzentrums werfen. Dabei konnten die Besucher mit dem Ultraschall ihr Herz, die Halsschlagadern und die Beinarterien untersuchen sowie ein EKG schreiben lassen - Angebote, die von vielen gerne angenommen wurden. Außerdem konnten die Gäste einen Blick in das Herzkatheterlabor werfen und die Herzschwäche-Ambulanz besichtigen.

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Das verschlossene Herz

Es fühlt sich an, als ob ein schweres Gewicht auf die Brust drückt oder ein Gürtel den Brustkorb einschnürt, das Atmen fällt schwer. Das sind die Symptome einer Angina Pectoris, einer Erkrankung der Herzkranzgefäße. Manche Patienten haben auch Hals- oder Rückenschmerzen. "All diese Beschwerden treten zum Beispiel beim Treppensteigen auf", sagt Prof. Hermann Reichenspurner, 51, Direktor des Universitären Herzzentrums am Universitätsklinikum Eppendorf.

Ursache sind immer Verengungen der Herzkranzgefäße. Sie entstehen durch Ablagerungen von Fett in der Wand der Arterie. An dieser Stelle wird das Blutgefäß durch Verkalkungen und Bildung von Blutgerinnseln immer enger. Der Teil des Herzmuskels, der von diesen Gefäßen versorgt wird, erhält nicht mehr genügend Sauerstoff, die Symptome treten bei immer geringeren körperlichen Belastungen auf und schließlich auch in Ruhe. Ist eine Arterie komplett verschlossen, kommt es zum Herzinfarkt: Der Patient hat plötzlich starke Schmerzen in der Brust, Luftnot und Schweißausbrüche. Er klagt über Übelkeit und starke Angst.

Hochgradige Verengungen und Verschlüsse der Herzkranzgefäße können lebensbedrohlich werden: Laut aktuellem Herzbericht 2009 wurden 2008 in Hamburg 196 von 100 000 Einwohnern wegen eines Herzinfarktes im Krankenhaus behandelt, 1053 Menschen starben daran. Wegen Erkrankungen des Herzens, bei denen der Herzmuskel nicht mehr ausreichend mit Sauerstoff versorgt wird, wurden 2008 in Hamburg 570 von 100 000 Einwohnern stationär behandelt, 1223 starben an der Erkrankung.

Diagnostik und Therapie hängen vom Ausmaß der Durchblutungsstörung ab

Ein hohes Risiko für die Erkrankung der Herzgefäße und den Herzinfarkt haben Diabetiker, Menschen, bei denen in der Familie eine solche Erkrankung aufgetreten ist, Raucher, Übergewichtige und Patienten mit Bluthochdruck und Fettstoffwechselstörungen. Diagnostik und Therapie hängen davon ab, wie ausgeprägt die Durchblutungsstörungen des Herzens sind. Bei einem akuten Herzinfarkt sollte man sofort unter 112 einen Rettungswagen rufen, der den Patienten in die nächste geeignete Klinik bringt.

"Wenn es sich um erste Anzeichen einer Angina Pectoris handelt, sollte man sich von einem Kardiologen untersuchen lassen", sagt Reichenspurner. Der Facharzt für Herzerkrankungen führt dann ein Belastungs-EKG durch. Finden sich Hinweise auf Durchblutungsstörungen am Herzen, muss man die Herzkranzgefäße darstellen, um Ort und Grad der Einengungen genauer zu beurteilen. Dafür gibt es zwei Verfahren: das Legen eines Herzkatheters, der von der Leiste aus bis in die Herzkranzgefäße vorschoben wird. "Das ist ein Verfahren, das fünf bis zehn Minuten dauert", sagt Reichenspurner. Eine neue Methode zur Darstellung der Herzkranzgefäße ist das Computertomogramm, das Cardio-CT. "Wenn das CT Auffälligkeiten zeigt, ist zur Beurteilung der Engstellen eine Herzkatheteruntersuchung nötig."

Die Therapie der Verengungen hängt davon ab, ob alle Herzkranzgefäße betroffen sind oder nur eines oder zwei und ob der Patient Beschwerden hat. "Es hat sich herausgestellt, dass eine Behandlung nur dann von Vorteil für den Patienten ist, wenn er auch Beschwerden hat", so Reichenspurner. Einen Patienten, der unter Beschwerden und mittelgradigen Engstellen leidet, würde man mit Medikamenten behandeln, die die Herzkranzgefäße etwas aufweiten. Bei hochgradigen Einengungen entscheidet die Lokalisation über die Therapie. "Wenn nur ein oder zwei Gefäße betroffen sind, ist das Verfahren der Wahl heute der Herzkatheter und das Einsetzen eines Stents. Wenn sich Einengungen an allen drei Herzkranzgefäßen finden oder der Hauptstamm der linken Arterie betroffen ist, aus dem die vordere und seitliche Arterie entspringen, sollte gemeinsam mit Herzchirurgen und Kardiologen das für den Patienten beste Verfahren besprochen werden", sagt Reichenspurner.

Fällt die Entscheidung für eine Bypass-OP, wird der Patient dabei entweder an die Herz-Lungen-Maschine angeschlossen oder am schlagenden Herzen operiert. Letzteres kommt vor allem für ältere Patienten infrage, die aufgrund von Vorerkrankungen schon ein höheres Komplikationsrisiko haben. Als Bypass werden bei Patienten, die jünger als 75 Jahre alt sind, Arterien aus der Brustwand oder den Armen verwendet. Bei Patienten, die älter sind, werden Venen aus dem Bein meist komplett endoskopisch entfernt, außer wenn sie Krampfadern haben.

Nach der Bypass-OP muss der Patient eine Woche in der Klinik bleiben

Eine Bypass-Operation dauert etwa vier Stunden. Wenn für alle drei Arterien Bypässe gelegt werden müssen, ist ein Hautschnitt von etwa 20 Zentimeter Länge in der Mitte des Brustkorbs nötig. Ist nur eine Arterie betroffen, reicht meist auch ein Schnitt von sechs Zentimetern seitlich am Brustkorb. Der Patient muss nach der OP etwa eine Woche im Krankenhaus bleiben, geht dann drei Wochen in die Reha und ist nach sechs Wochen wieder fit.

Das Risiko, dass sich in Bypässen erneut Verengungen bilden, ist in arteriellen Umgehungskreisläufen geringer als in venösen. "Je nachdem, welche Arterie verwendet wurde, liegt das Risiko eines erneuten Verschlusses nach zehn Jahren zwischen fünf und zehn Prozent. Bei venösen Bypässen liegt es nach zehn Jahren zwischen 25 und 30 Prozent", sagt Reichenspurner.

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