Ilse Aigner, Ministerin für Verbraucherschutz, verteidigt ihr EHEC-Krisenmanagement, steht Verbesserungen jedoch offen gegenüber.

Berlin. Für Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner (CSU) sind es turbulente Tage. Die Suche nach der Quelle von EHEC ist bislang erfolglos, die Kritik an ihrem Krisenmanagement wächst. Im Abendblatt-Interview verteidigt die Ministerin ihre Arbeit.

Hamburger Abendblatt: Erst die Gurke, dann Sprossen, jetzt vielleicht doch wieder die Gurke. Werden Sie die EHEC-Quelle jemals finden, Frau Ministerin?

Ilse Aigner: Tatsache ist: Bei drei von vier EHEC-Epidemien wird die Quelle nie gefunden. Dennoch arbeiten die Behörden von Bund und Ländern weiter mit Hochdruck an der Suche.

Ist es nur eine Quelle - oder sind es mehrere?

Aigner: Im Moment verdichten sich die Indizien, dass Sprossen aus dem Hof in Niedersachsen belastet gewesen sein könnten. Gleichwohl halten das Robert-Koch-Institut und das Bundesinstitut für Risikobewertung ihre Verzehrhinweise für rohe Tomaten, Gurken und Blattsalate besonders für den Raum Norddeutschland weiter aufrecht.

Hamburg ist das Epizentrum der Darmseuche. Was sagen Sie den Menschen in der Hansestadt?

Aigner: Meine Gedanken sind bei den Verstorbenen, deren Angehörigen und den Patienten, die sich noch in Behandlung befinden. Leider gibt noch keinen Grund zur Entwarnung - auch wenn es nach Angaben des Robert-Koch-Instituts bundesweit erste Anzeichen einer leichten Entspannung zu geben scheint. Deshalb rate ich besonders den Menschen in Norddeutschland, die Verzehrhinweise weiter ernst zu nehmen.

Welche sicheren Erkenntnisse haben Sie in den vergangenen Wochen über EHEC gewonnen?

Aigner: Nach allem, was wir wissen, handelt es sich um einen seltenen Erreger, der leider sehr aggressiv ist. Jetzt geht es darum, mit allen Kräften die Quelle einzugrenzen und zu schließen.

Was macht Sie so sicher, dass es sich nicht um einen Terroranschlag handelt?

Aigner: Dafür liegen den Behörden keine Hinweise vor.

Wie viele Menschen werden noch an der Darmseuche sterben?

Aigner: Niemand kann eine verlässliche Prognose abgeben über den weiteren Verlauf. Die Fachbehörden arbeiten Tag und Nacht mit allen Kräften daran, diese Epidemie zu stoppen. Auch Ärzte, Schwestern und Pfleger tun für die Gesundung der Erkrankten alles, was in ihrer Macht steht.

Andere Staaten sind entsetzt über das Krisenmanagement der Deutschen. Empfinden Sie das als unfair?

Aigner: Die EU-Kommission hat unsere Arbeit ausdrücklich gelobt! Bei manchen Kritikern frage ich mich aber schon, ob sie wissen, wovon sie reden. Es gibt in Deutschland klare Absprachen und eine klare Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern. Jeder weiß, was zu tun ist. Aber natürlich ist nichts so gut, dass man es nicht noch verbessern könnte. Deshalb werden wir uns in den kommenden Wochen sicher zu einer Manöverkritik zusammensetzen.

War das Vorpreschen der Hamburger Gesundheitssenatorin und des niedersächsischen Landwirtschaftsministers hilfreich?

Aigner: Die Lebensmittelkontrolle ist schon immer Aufgabe der Bundesländer. Deshalb ist es auch ihre Aufgabe, bei Bedarf Warnungen herauszugeben - und dem sind Hamburg und Niedersachsen auch nachgekommen. Dass die unterschiedlichen Zuständigkeiten für die deutsche Öffentlichkeit und unsere europäischen Partner nicht immer leicht zu durchschauen sind, kann ich nachvollziehen.

Viele Bauern sind in ihrer Existenz gefährdet. Welche Hilfe werden sie bekommen?

Aigner: Ich bin EU-Agrarkommissar Dacian Ciolos sehr dankbar, dass er rasch erste Vorschläge für ein Hilfspaket auf den Tisch gelegt hat. Mir ist wichtig: Die Hilfen für die deutschen Gemüsebauern müssen schnell und unbürokratisch erfolgen. Daran arbeiten wir.

Welche Lehren ziehen Sie aus der EHEC-Krise?

Aigner: Wir haben schnell reagiert und einen nationalen Krisenstab eingerichtet. Es gibt regelmäßige Telefonschalten, eine spezielle Lebensmittel-Task-Force, es gibt Bürger-Hotlines und viele Verbraucher-Informationen im Internet. Die zuständigen Stellen arbeiten intensiv zusammen. Wir werden uns aber später mit der Frage zu beschäftigen haben, wer künftig in ähnlichen Fällen nach außen spricht.

Sehen Sie Bio-Produkte seit dem Fall mit den vermutlich belasteten Sprossen von einem Bio-Hof in Bienenbüttel in einem neuen Licht?

Aigner: Ich warne vor voreiligen Schlüssen: Noch ist die genaue Ursache für die Erkrankungen nicht zweifelsfrei geklärt. Generell gilt: Ob konventionelle Landwirtschaft oder Bio - jeder Hersteller ist verpflichtet, nur sichere Lebensmittel auf den Markt zu bringen.

Sind Bio-Lebensmittel gesünder?

Aigner: Das ist mir zu pauschal. Es ist einfach eine andere Philosophie, die hinter "Bio" steht.

Haben Sie selbst Fehler gemacht in der EHEC-Krise?

Aigner: Ich habe mir nichts vorzuwerfen.

Sie sind auch Schmähkritik ausgesetzt. "Ungeaignert" seien Sie für Ihr Amt. Wie nahe geht Ihnen das?

Aigner: Damit muss man umgehen können, wenn man an der Spitze eines Ministeriums steht. Die Opposition macht es sich mit ihren billigen Sprüchen leicht. Die stehen ja auch nicht in der Verantwortung. Es ist immer leichter zu kommentieren, als selbst Entscheidungen zu treffen.

Es hat Minister gegeben, die in ähnlichen Situationen zurückgetreten sind ...

Aigner: Wie gesagt: Ich habe mir nichts vorzuwerfen. Die Mitarbeiter meines Hauses und der zuständigen Behörden leisten hervorragende Arbeit.