Mehrere Läden in und um Hamburg verkauften Sprossen aus Bienenbüttel

Bienenbüttel. Alles hätte so schön werden können. Unter Bäumen tanzen Kinder zu Dudelsackmusik, Hand in Hand mit einem sehr großen Frosch. So hat sich der Bleistiftzeichner das Sommerfest im Bienenbüttler Gärtnerhof vorgestellt. Am 25. Juni sollte es so weit sein. Per Flyer und im Internet lädt der Gemüsehof zu Lagerfeuer, Hofführungen und Kräuterrätsel.

Gestern Mittag ist im niedersächsischen Bienenbüttel daran nicht mehr zu denken. Uniformierte Wachmänner patrouillieren hinter geschlossenen Toren. Dutzende Journalisten haben ihre Kameras auf die Einfahrt gerichtet. Statt um Kräuterrätsel dreht sich alles um die große Sprossen-Frage: Stammen die EHEC-Erreger wirklich von diesem Hof? Bis zum Abend gibt es keine Klarheit. Erste Labortests konnten den Verdacht nicht erhärten.

Im Hoffest-Flyer wirbt der Gärtnerhof mit dem Slogan "bio-veganer Anbau seit 1978". Im Internet werden die Betreiber deutlicher: "Aus dem vegetarischen Gedanken, keine Nutztiere zu halten und zu töten, benutzen wir keine tierischen Düngemittel wie Gülle, Mist oder Horn, sondern setzen auf einen pflanzlichen Bodenaufbau."

Die Nachbarn können den Verdacht noch nicht fassen. "Ich wusste nicht einmal, was sie dort produzieren", sagt Anwohnerin Karin Kakaska über den Gartenzaun. "Klar, man grüßt sich." Am Sonntagabend habe dann ihr Telefon geklingelt. Ein Anruf von Bekannten aus Österreich. Der EHEC-Erreger komme aus Bienenbüttel, hörte sie. "Man kann es nicht glauben", sagt Kakaska. Wer durch das kleine Einfamilienhausviertel schlendert, fühlt sich wie im Landurlaub. Erlenweg, Elsterweg, Amselweg und Fichtenweg bieten ein friedliches Bild in der Sommerhitze. "Der EHEC-Keim kommt im Darm von Wiederkäuern vor", hatte die Geschäftsführerin des Hofs, Uta Kaltenbach, am Sonntagabend der "Allgemeinen Zeitung" aus Uelzen gesagt und betont: "Aber wir haben hier keine Wiederkäuer." Die gibt es nur auf der Nachbarweide. Auch Hof-Geschäftsführer Klaus Verbeck hatte versichert: Die Salatsprossen wüchsen nur aus Saatgut und Wasser, sie würden nicht gedüngt.

Das niedersächsische Landesamt für Verbraucherschutz hatte Indizien zusammengetragen - dann wurde der Betrieb vorläufig geschlossen. So sei laut niedersächsischem Verbraucherministerium eine Mitarbeiterin des Gärtnerhofs an EHEC erkrankt. Über einen Zwischenhändler seien Sprossen des Hofs an ein Golfhotel im Kreis Lüneburg geliefert worden. Hier seien elf von 30 Mitgliedern einer schwedischen Reisegruppe und ein Däne erkrankt. Im Restaurant Kartoffelkeller in Lübeck hätten sich 17 Gäste infiziert. Das Lokal habe Sprossen des Hofs bezogen. Ein Zwischenhändler habe die Sprossen auch an ein Gasthaus im niedersächsischen Kreis Rotenburg geliefert, wo vier Gäste erkrankten. Noch weitere Fälle ließen sich mit dem Hof in Verbindung bringen. Laut Ministerium sollen 37 Kunden überprüft werden, die zwischen dem 19. April und 3. Juni Sprossen von dem Bio-Hof gekauft haben. Die Sprossen wurden einzeln oder in Mischungen über Reformhäuser, Wochenmärkte sowie direkt vermarktet.

"Wir sind von dem Hof in Bienenbüttel beliefert worden", bestätigte Wolfgang Baer, Geschäftsführer der Handelshof-Gruppe, in Stade dem Abendblatts. Betroffen seien sechs Großmärkte der Handelshof-Gruppe in Norddeutschland: Stade, Hamburg-Harburg, Lüneburg, Schwerin, Güstrow und Rostock. Sie versorgten unter anderem Gaststätten, Restaurants, Caterer und Geschäfte. Die Ware sei am Montag noch vor Verkaufsbeginn aus allen Sortimenten entfernt worden. Es handelte sich um drei oder vier Sprossen-Produkte aus Bienenbüttel. "Wir informieren zudem Kunden, die die Ware gekauft haben, sofern wir das nachvollziehen können", sagte Baer.

Auch im Hamburger Einkaufszentrum Mercado in Ottensen landeten Sprossen aus Bienenbüttel. Im Erdgeschoss des Einkaufszentrums befindet sich ein Obst- und Gemüseladen, "taufrisch" ist nicht nur das Gemüse, sondern auch der Name. Mehrere Hamburger, die hier Sprossen für einen Salat gekauft hatten, erkrankten nach Abendblatt-Informationen an EHEC. Eine Mitarbeiterin bestätigte dem Abendblatt, dass das Geschäft Sprossen aus Bienenbüttel im Sortiment gehabt habe. Sofort nach Bekanntwerden des Verdachts gegen den Hof seien die Sprossen aus dem Sortiment genommen worden. Von Erkrankungen von Kunden sei den Mitarbeitern nichts bekannt, sagte die Frau. Gestern wurden hier keine Sprossen mehr angeboten.