Die Spitzenkräfte der CDU zeigen sich bereit für mögliche Verhandlungen mit SPD und Grünen. Wirtschaftspolitiker warnen jedoch vor einer vorschnellen Einigung auf Steuererhöhungen.

Berlin. Egal ob Schwarz-Rot oder Schwarz-Grün Deutschland regieren wird, eines ist sicher: Die Steuern werden steigen. Sowohl die SPD als auch die Grünen werden eine Regierungsbeteiligung an die Bedingung knüpfen, Gutverdiener stärker zur Kasse zu bitten. Zwar hat die Union im Wahlkampf erbittert gegen die Steuererhöhungspläne der Opposition gewettert. Doch hinter vorgehaltener Hand gestehen Unionspolitiker ein, mit Steuererhöhungen gut leben zu können. Einige CDU-Politiker wie Saarlands Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer haben sich auch schon öffentlich für höhere Steuern ausgesprochen. Deshalb dürfte die Steuerpolitik kein großes Streitthema in Verhandlungen werden.

Konkret dürfte eine Einigung zwischen CDU und SPD so ablaufen: Die SPD wird ihre Pläne für die Einführung einer Vermögenssteuer begraben. Von den Plänen hatte sich SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück bereits im Wahlkampf immer stärker abgesetzt. Dagegen werden die Sozialdemokraten darauf bestehen, den Spitzensteuersatz zu erhöhen. Die Belastung für Gutverdiener ließe sich gut mit der Unionsforderung kombinieren, die kalte Progression abzuschaffen, bei der Gehaltssprünge von der Inflation aufgefressen werden. Ein entsprechendes Konzept hatte CDU-Haushaltsexperte Norbert Barthle schon vor der Wahl vorgelegt. Die SPD will zudem das Ehegattensplitting für neu geschlossene Ehen abschaffen. Von dieser Idee könnte sich die SPD trennen, wenn die Union sich von ihren Plänen eines höheren Kinderfreibetrags verabschiedet.

Mit den Grünen wäre eine Einigung schwieriger, da ihre Forderungen nach Steuererhöhungen weitreichender sind als die der SPD. Doch im Kern liefe es ähnlich ab: Spitzensteuersatz rauf, Vermögensabgabe beerdigen. Allerdings wollen die Grünen das Ehegattensplitting für alle abschmelzen. Auch die Erbschaftssteuer wollen die Grünen deutlich anheben. Doch unüberbrückbar sind auch diese Differenzen nicht.

In der CDU-Führung werden Steuererhöhungen als Angebot an einen künftigen Koalitionspartner bereits nicht mehr grundsätzlich ausgeschlossen. Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) sagte auf eine entsprechende Frage der Wochenzeitung „Die Zeit“: „Wir sollten jetzt schauen, wie die Gespräche laufen.“ Persönlich sei er aber gegen Steuererhöhungen, fügte Schäuble hinzu: „Ich bin der Meinung, dass der Staat keine zusätzlichen Einnahmequellen benötigt.“ Sein Sprecher Martin Kotthaus ergänzte am Mittwoch, der Minister sehe keinen Grund für solche Mehrbelastungen: „Das ist so klar, wie es eben geht.“

Ähnlich wie Schäuble äußerte sich der stellvertretende CDU-Vorsitzende Armin Laschet. „Man weiß in der Tat nicht, was aus den Koalitionsverhandlungen herauskommt“, sagte er auf die Frage, ob Steuererhöhungen nun wahrscheinlicher würden. Die CDU sei definitiv dagegen, denn sie wären „im Moment“ schädlich. Laschet fügte aber hinzu: „Natürlich werden wir in allen Themen kompromissbereit sein müssen. Sonst kriegen wir keine Koalition hin.“ Barthle (CDU), plädierte in der „Rheinischen Post“ für eine moderate Anhebung des Spitzensteuersatzes für Besserverdienende. Mit den Mehreinnahmen sollten gleichzeitig Entlastungen für kleinere Einkommen gegenfinanziert werden. „Die Treppe beim Spitzensteuersatz zwischen 42 Prozent ab 53.000 Jahreseinkommen und 45 Prozent ab 250.000 Euro könnte wegfallen.“

CDU und CSU hatten bei der Bundestagswahl eine absolute Mehrheit knapp verfehlt und müssen sich nach dem historischen Aus für die FDP einen neuen Koalitionspartner suchen. Möglich sind ein schwarz-rotes oder schwarz-grünes Regierungsbündnis. SPD wie auch Grüne hatten im Wahlkampf gefordert, die Einkommenssteuer für Spitzenverdiener anzuheben und Vermögen stärker zu belasten, um mehr Investitionen in Infrastruktur und Bildung finanzieren zu können. Auch das steuergünstige Ehegattensplitting steht bei Sozialdemokraten und Grünen auf dem Prüfstand. Die Union, die sich wie die abgewählte FDP bisher gegen Steuererhöhungen ausgesprochen hatte, konnte bei der Wahl deutlich zulegen.

Wirtschaftsexperten warnen

Der Generalsekretär des CDU-Wirtschaftsrates, Wolfgang Steiger, warnte: „Drei Tage nach dem eindrucksvollen Wahlsieg der Unionsparteien über Zugeständnisse bei möglichen Koalitionsverhandlungen zu spekulieren verbietet sich.“ Erst recht passe „vorschnelles Philosophieren über Steuererhöhungen“ nicht in eine Zeit sprudelnder Einnahmequellen des Staates. CDU und CSU hätten auch deshalb die Wahl gewonnen, weil die Menschen ihrem Grundsatz vertrauten, dass sich Leistung lohnen müsse. Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Michael Fuchs wies darauf hin, dass die Anhebung des Spitzensteuersatzes sehr viele Personengesellschaften treffe, die wiederum wichtig für die Schaffung von Jobs seien. „Um das zu vermeiden, müsste man betriebliche und persönliche Besteuerung bei Personengesellschaften entkoppeln. Daran haben sich aber schon viele die Zähne ausgebissen“, warnte Fuchs. Er forderte zudem, dass die CDU unbedingt auch in einer neuen Koalition einen wirtschaftsfreundlichen Kurs beibehalten müsse. Auch der Bund der Steuerzahler warnte vor einem Wortbruch: „In Koalitionsverhandlungen muss die CDU ihrer Pflicht nachkommen, in Sachen Steuern ihr Wort zu halten“, sagte Verbandspräsident Reiner Holznagel „Handelsblatt Online“. SPD und Grüne hätten eindeutig auch wegen ihrer Steuererhöhungspläne die Wahl nicht gewonnen.

Schäuble zeigte sich zugleich offen für eine Koalition mit den Grünen und schloss eine Neuwahl aus. Die Grünen führten eine interne Diskussion, ob sie nicht im Wahlkampf die falschen Akzente gesetzt hätten: „Das Ergebnis muss man abwarten, dann wird man sehen.“ Er zeigte sich zuversichtlich, dass die Bildung einer Regierung erfolgreich abgeschlossen werden könne: „Es wird keine Neuwahlen geben.“

Zu seiner eigenen Rolle in einer künftigen Regierung hielt sich Schäuble bedeckt. Hintergrund ist auch, dass Grüne und vor allem die SPD bei einer Koalition mit der Union das Finanzministerium als Schlüsselressort in der künftigen Regierung beanspruchen dürften.