Unmut über die Umsetzung der Bundeswehrreform herrscht in der Truppe schon länger. Zwei Umfragen zeigen, wie ausgeprägt der Frust bei den Soldaten ist.

Berlin. In der Bundeswehr herrscht massive Unzufriedenheit mit der vor zwei Jahren eingeleiteten Reform der Streitkräfte. Nach einer Studie für den Bundeswehrverband halten 88 Prozent der Führungskräfte baldige Korrekturen für notwendig. Eine ebenfalls am Freitag veröffentlichte Untersuchung im Auftrag des Verteidigungsministeriums kommt zu ähnlichen Ergebnissen: 53 Prozent aller Soldaten und zivilen Mitarbeiter bewerten die Reform danach als eher erfolglos.

Der Bundeswehrverband nannte die Ergebnisse alarmierend, der Wehrbeauftragte Hellmut Königshaus beklagte die mangelnde Vermittlung der Veränderungen in die Truppe. Das Verteidigungsministerium sieht eine der größten Umstrukturierungen in der Geschichte der Bundeswehr, die mit Personalabbau und Standortschließungen verbunden ist, trotzdem auf einem guten Weg und lehnt einen Kurswechsel ab. „Insgesamt wird deutlich, dass die generelle Richtung stimmt“, hieß es in einer Erklärung.

Die Bundeswehrreform wurde im Frühjahr 2010 vom damaligen Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) auf den Weg gebracht. Ab März 2011 setzte sie sein Nachfolger Thomas de Maizière (CDU) fort. Bundeswehrverband und Wehrbeauftragter haben immer wieder auf die Unzufriedenheit in der Truppe hingewiesen. Jetzt ist sie wissenschaftlich belegt.

Nach der Umfrage der Technischen Universität Chemnitz im Auftrag des Bundeswehrverbands halten zwar nur gut ein Viertel (27 Prozent) der rund 1800 befragten Führungskräfte das Reformkonzept als Ganzes für schlecht oder sehr schlecht, 62 Prozent meinen aber, dass es bessere Alternativen gegeben hätte. Knapp die Hälfte (47 Prozent) bemängelt zudem eine schlechte Umsetzung. 76 Prozent haben das Gefühl, dass sie an den Veränderungen kaum mitwirken können. „Die Ergebnisse der Befragung sind alarmierend und signalisieren einen akuten politischen Handlungsbedarf“, lautet das Fazit der Studie.

Das Sozialwissenschaftlichen Institut der Bundeswehr hat für das Verteidigungsministerium eine ähnlich strukturierte Studie erstellt. Danach meinen 60 Prozent der 2600 befragten Soldaten und zivilen Mitarbeiter, die Einsatzfähigkeit der Truppe werde nicht gesteigert. 83 Prozent glauben nicht, dass die Reform die Attraktivität des Dienstes steigern werde. Die 450 befragten Führungskräfte zeigten sich noch skeptischer. Hier sind sogar 90 Prozent der Meinung, dass der Dienst mit der Reform nicht attraktiver wird.

„Es muss etwas passieren“, sagte Bundeswehrverbandschef Ulrich Kirsch. Es müsse jetzt nachgesteuert werden, damit nicht in kurzer Zeit die nächste Reform aufgelegt werden müsse. „Denn an der siebten Reform in 20 Jahren würde die Bundeswehr zu zerbrechen drohen.“

Der Wehrbeauftragte erklärte, die Soldaten würden die interne Kommunikation für völlig unzureichend halten. „Sie sind unzufrieden, weil sie sich nicht mitgenommen fühlen – das trifft sowohl auf die Planung der Reform als auch auf die jetzt laufende Umsetzung zu.“ Es genüge nicht, den Führungskräften 80 Seiten Gesetze zu schicken und darauf zu vertrauen, dass sie die Sache schon richten. „Das ist eine Überforderung der Truppe.“

Das Verteidigungsministerium erklärte, es sei zu erwarten gewesen, dass mit einer solch umfassenden Neustrukturierung auch ein Gefühl der Unsicherheit bei den Soldaten einhergehe. „Es muss uns aber nachdenklich stimmen, dass nur die Hälfte der Befragten die Umsetzung der Neuausrichtung als positiv bewertet und sogar größeren Handlungsbedarf als zuvor sieht.“

Die Reform gilt als eine der umfassendsten Umstrukturierungen der Bundeswehr seit ihrer Gründung. Die tiefgreifendste Veränderung war die Aussetzung der Wehrpflicht zum 1. Juli 2011. Die Truppenstärke von einst 250 000 Soldaten soll auf höchstens 185 000 reduziert werden. Die Zahl der Zivilbeschäftigten sinkt von 76 000 auf 55 000. 31 Bundeswehrstandorte werden bis 2017 geschlossen, rund 90 teils drastisch verkleinert.