Unmut über die Umsetzung der Bundeswehrreform herrscht in der Truppe schon länger. Nun belegt eine Umfrage, wie ausgeprägt der Frust bei den Soldaten ist.

Berlin. Die Bundeswehrreform und die damit verbundenen Standortschließungen stoßen in der Truppe auf breite Ablehnung. Das ist das Ergebnis einer Umfrage des Bundeswehrverbandes unter Führungskräften der Armee, wie die ARD-„Tagesschau“ am Donnerstag berichtete.

Demnach glauben neun von zehn Befragten, dass die Reform von Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) einer baldigen Korrektur bedarf und nicht von Dauer sein wird. Rund drei Viertel nehmen sie nicht als gemeinsames Projekt der Bundesregierung wahr.

„Die Enttäuschung ist riesig“, sagte Verbandschef Ulrich Kirsch der ARD. „Jetzt muss dringend mit den Soldaten gesprochen werden, um zu ergründen, warum sie zu einem so harten Urteil kommen.“ Bislang geschehe dies nicht in ausreichendem Maße. Dabei könne die Bundeswehr-Führung aus der Einbindung der Soldaten auch wertvolle Erkenntnisse gewinnen, woran es genau kranke und wie sinnvoll umgesteuert werden könne.

Kirsch sieht Nachbesserungsbedarf vor allem bei sogenannten weichen Faktoren: So lasse die Vereinbarkeit von Dienst in der Armee und Familienleben immer noch sehr zu wünschen übrig. Dies bestätige auch die Umfrage.

Zu der im Frühjahr 2010 noch vom damaligen Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) auf den Weg gebrachten Reform gehört die Aussetzung der Wehrpflicht Mitte 2011, die durch einen freiwilligen Wehrdienst ersetzt wurde. Zudem soll bis 2017 ein Personalabbau auf 170 000 Soldaten und bis zu 15.000 freiwillig Wehrdienst Leistende vollzogen werden. Etwa 30 Standorte sollen geschlossen werden. 2010 hatte die Bundeswehr noch 250 000 Soldaten.

Der Bundeswehrverband hat die Umfrage gemeinsam mit der TU Chemnitz durchgeführt. 4000 Fragebögen wurden verschickt, rund die Hälfte kam ausgefüllt zurück. An diesem Freitag sollen detaillierte Umfrageergebnisse auf einer Pressekonferenz in Berlin vorgestellt werden.

Das sind die Kernpunkte der Reform

Die Bundeswehrreform wurde im Frühjahr 2010 vom damaligen Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) auf den Weg gebracht. Ab März 2011 setzte sie sein Nachfolger Thomas de Maizière (CDU) fort. Die Kernpunkte:

Wehrpflicht: Die Wehrpflicht wurde zum 1. Juli 2011 ausgesetzt und durch einen freiwilligen Wehrdienst ersetzt, der bis zu 23 Monate dauert.
Truppenstärke: Anfang 2010 hatte die Bundeswehr noch 250 000 Soldaten, künftig sollen es nur noch 170 000 Berufs- und Zeitsoldaten und bis zu 15 000 freiwillig Wehrdienstleistende sein. Durch das Aussetzen der Wehrpflicht ist die Bundeswehr bereits unter 200 000 Soldaten geschrumpft.
Zivilbeschäftigte: Die Zahl der Zivilbeschäftigten wird von 76 000 auf 55 000 verringert.
Ministerium: Das Verteidigungsministerium wird um ein Drittel verkleinert – von derzeit gut 3000 auf 2000 Mitarbeiter. Langfristig soll davon die Mehrheit in Berlin arbeiten, derzeit sind es gut 500. Der Erstsitz des Ministeriums bleibt aber in Bonn.
Reformbegleitprogramm: Mit einem milliardenschweren Maßnahmenpaket will de Maizière den geplanten Abbau von 36 000 Stellen bei der Bundeswehr sozialverträglich gestalten und die Attraktivität der Truppe verbessern. Allein bis 2015 soll das Programm den Steuerzahler rund eine Milliarde Euro kosten.
Ausrüstung: De Maizière will Milliarden-Kürzungen bei wichtigen Rüstungsprojekten vornehmen. Verzichten will er unter anderem auf 37 Eurofighter-Kampfjets (140 statt 177), 40 Tiger-Kampfhubschrauber (40 statt 80) und 42 Transporthubschrauber NH-90 (80 statt 122). Die Streichliste umfasst 20 Hauptwaffensysteme.

(dpa)