In Deutschland gibt es grundsätzlich keinen Handel mit Organen. Theoretisch. Die Ermittlungen gegen einen Oberarzt der Göttinger Uniklinik lassen anderes vermuten. Zwar werden die für eine Transplantation benötigten Lebern, Nieren oder Herzen europaweit zentral über die Organisation Eurotransplant vergeben, doch neben Kriterien wie der Übereinstimmung von Blutgruppe oder Antigenen zählt die Dringlichkeit. Und für die gibt es exakt fünf definierte Prioritätsstufen. Der Vorwurf an den Mediziner: Er soll die Lebensgefahr seiner Patienten (noch) dramatischer dargestellt haben als sie laut vorgegebener Liste tatsächlich war.

Das verstößt gegen jede ärztliche Ethik. Ebenso verwerflich ist, wenn der Arzt dafür Geld von seinen Patienten genommen hat. Treffen die Vorwürfe zu, muss der Mann wegen Bestechlichkeit bestraft werden.

Jeder, der darüber hinaus die moralische Keule schwingt, sollte sich aber fragen: Was würde man selbst alles versuchen, um etwa das Leben seines Kindes oder eines anderen geliebten Menschen zu retten? In welcher Notlage die Betroffenen sind, zeigen die Zahlen. In unserem medizinisch bestausgestatteten Land stirbt alle acht Stunden ein Patient, der auf ein Spenderorgan wartet. Manche haben nur eine Chance, wenn sie auf dieser unmenschlichen Warteliste ein paar Positionen nach oben rücken.

Das Dilemma: Beim Thema Organspende drücken sich die meisten Bürger um ihre Verantwortung. Die Politik holt sie aus dieser Ecke leider nicht heraus. Der jüngste Bundestagsbeschluss, nach dem die Krankenkassen bald regelmäßig unverbindliche Aufforderungen verschicken, einen Spenderausweis auszufüllen, ist halbherzig und wenig Erfolg versprechend. Jedem Bürger wäre zuzumuten, sich - zum Beispiel beim Ausstellen des Personalausweises - klar zu äußern, ob man im Falle des eigenen Todes Organspenden erlaubt oder nicht. Die Frage "Würden Sie, um Ihr eigenes Leben zu retten, sich das Organ eines anderen einsetzen lassen?" sollte sich dabei jeder ins Gedächtnis rufen. Der Kriminalfall in Göttingen sollte uns eine Aufforderung sein, den Organnotstand im Land schnell zu beheben.