Nüchtern-arbeitsame Politiker wie Thomas de Maizière oder die Kanzlerin genießen großes Vertrauen. Wulff gerät weiter unter Druck

Berlin. Thomas de Maizière mag es gern bodenständig. Kartoffelsalat und Würstchen wird es bei ihm und seiner Familie zu Weihnachten zum Essen geben, dazu geräucherten Fisch. Ganz solide also, und traditionell. So etwas passt zum Bundesverteidigungsminister. Leise, ohne Brimborium und mit einer pflichtbewussten Unaufgeregtheit führt der CDU-Politiker seit März sein Amt, das er von seinem so ganz anderen Vorgänger Karl-Theodor zu Guttenberg übernommen hat. Ein Weihnachtsessen aus Schampus und Kaviar würde da nicht so recht in das Bild passen, das der dreifache Familienvater de Maizière verkörpert.

Der 57-Jährige ist der Prototyp eines Politikers, der vor allem durch eines auffällt: durch seine Arbeit. Die Bundeswehrreform, das große Prestigeprojekt seines Vorgängers, hat er erst im Stillen vorbereitet und dann fast geräuschlos verkündet. "Der politische Diskurs wird nicht besser, wenn es aufgeblasen wird", hat er einmal gesagt. Sicher, 31 Standorte wurden geschlossen - doch der Aufschrei der Betroffenen hielt sich in Grenzen. Man hatte das Gefühl: De Maizière weiß, was er tut. Da ist einer, der erst denkt, bevor er handelt.

Haben die Bürger dieses Gefühl auch bei ihrem Bundespräsidenten? Laut einer Forsa-Umfrage hat Christian Wulff für jeden dritten Deutschen an Ansehen verloren. Zu viele offene Fragen und Zweifel an seiner moralischen Integrität vertragen sich offenkundig nur schlecht mit seinem Amt. Da ist der umstrittene Privatkredit über 500 000 Euro, das sind Fakten, die einem Parlament vorenthalten wurden, da sind immer neue Indizien für eine enge und bisweilen zu enge Verquickung des Politikers Wulff mit Unternehmern und Millionären. Christian Wulff ist schon als Ministerpräsident eben nicht nur durch seine Arbeit aufgefallen, sondern auch durch seinen Freundeskreis, seine Partybesuche und den Glamour, der ihn und seine Frau Bettina umgeben hat. Das muss man nicht verwerflich finden, es zeigt aber, wie sehr sich sein Stil von jenem eines Thomas de Maizière unterscheidet. 2002, als der studierte Jurist de Maizière noch Justizminister in Sachsen war, hat er in einer Diskussionsrunde folgende zwei Politikertypen unterschieden: einmal den "unsichtbaren Politiker", der Akten studiert und Lösungen erarbeitet. Und den mediengewandten "Showstar", meist mit einem Sektglas in der Hand. Auch zu Guttenberg war so ein Showstar. Bei seinem letzten Truppenbesuch in Afghanistan nahm er seine Ehefrau und Talkmaster Johannes B. Kerner mit. De Maizière hat bei seinem gestrigen Spontanbesuch bei der Bundeswehr in Masar-i-Scharif auf etwas Derartiges verzichtet.

+++ Kanzler: Deutsche wollen lieber Steinbrück als Merkel +++

+++ Steinmeier bleibt Deutschlands beliebtester Politiker +++

+++ De Maizière zu unangekündigtem Besuch in Afghanistan +++

Nun ist kein politischer Spitzenbeamter wirklich "unsichtbar" - doch ist auch Bundeskanzlerin Angela Merkel eher dem ersten Typus zuzuordnen. Vor allem durch ihren Einsatz für die Euro-Rettung hat sich die CDU-Chefin deshalb schon verlorenes Ansehen zurückerarbeitet. Im aktuellen ZDF-Politbarometer belegt sie wieder den ersten Platz - erstmals seit April 2010. 65 Prozent der Bürger bescheinigen der CDU-Chefin, dass sie gute Arbeit macht. Wie de Maizière präsentiert auch sie sich vor allem als Arbeitstier. Ihre Urlaube verbringt sie zumeist wandernd in den Bergen. Luxustrips in US-amerikanische Millionärsvillen sind bei ihr nur schwer vorstellbar, private Einblicke in Hochglanzmagazinen ebenso.

Merkels nahezu einziger nichtpolitischer Auftritt findet jeden Sommer bei der Eröffnung der Wagner-Festspiele in Bayreuth statt, wenn sie mit ihrem Ehemann Joachim Sauer über den roten Teppich schreitet. "Vertrauen ist die Währung, in der gezahlt wird", ist von der Kanzlerin überliefert. In Zeiten der wirtschaftlichen Unruhe versucht sie deshalb, für Stabilität zu sorgen. Langweilig und farblos mag das manchmal wirken. Aber es wird honoriert.

Genau das mag der Effekt sein, der auch SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier und seinen Parteifreund Peer Steinbrück begleitet. Nun ist Letzterer mit seinen immer neuen Medienoffensiven alles andere als langweilig und unsichtbar - jedoch hat er sich mit der EU-Finanzpolitik ein ausgesprochen trockenes Thema zum Steckenpferd gemacht und pflegt das Bild des Intellektuellen. Steinmeier, der laut Politikbarometer zumindest aus Bürgersicht im Rennen um die SPD-Kanzlerkandidatur vorne liegt, hat ebenfalls alles andere als ein Sektglas-Image. In seinem vorpolitischen Leben war er Verwaltungsbeamter. Bei der am Boden liegenden FDP ist es mehr und mehr Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, die durch Sacharbeit auffällt und sich damit mehr vom alten, lauten Politikstil Guido Westerwelles abzuheben vermag als der neue Parteichef Philipp Rösler. Sie alle sind sachliche und unbescholtene Typen. Anders als Guttenberg. Und anders als Wulff.

Der Bundespräsident bleibt jedenfalls vorerst in der Defensive. Er schweigt weiter zu allen Vorwürfen, ließ einen Anwalt jedoch einräumen, er habe mit dem Unternehmer Egon Geerkens nun doch über den 500 000-Euro-Kredit verhandelt, den ihm dessen Ehefrau Edith Geerkens gewährt hat - wegen des besonderen Sachverstands und der freundschaftlichen Beziehungen. Vor dem niedersächsischen Landtag hatte Wulff als Ministerpräsident gesagt, keine geschäftliche Beziehung zu Egon Geerkens gehabt zu haben.

Auch in seiner Weihnachtsansprache wird Wulff zu den Vorwürfen nichts sagen. An der Aufzeichnung im Schloss Bellevue nahmen gestern 70 Gäste teil, darunter Feuerwehrleute, Einwanderer sowie Mitglieder des deutsch-israelischen Jugendwerks. Wulff hatte 2010 als erster Bundespräsident die Ansprache vor Gästen gehalten. Sie wird Sonntagabend ausgestrahlt.