Quote der Aussteiger wächst. Ist die Bundeswehr nicht attraktiv genug? Nein, sagt der Minister

Berlin. Die Abschaffung der Wehrpflicht und die Reform der Bundeswehr zur Freiwilligenarmee war kein leises politisches Projekt. Es knirschte und krachte - auch in der schwarz-gelben Koalition. Verliert die Bundeswehr ihre Verankerung in der Zivilgesellschaft? Welche Aufgaben soll eine Freiwilligenarmee noch lösen? Ist die Armee überhaupt attraktiv genug für freiwillige Rekruten? Das waren nur einige der bohrenden Fragen. Und mit den aktuellen Zahlen gewinnen sie an neuer Brisanz. Denn ein gutes Viertel der jungen Soldaten in der neuen Freiwilligenarmee bricht die Ausbildung ab.

Die Abbrecherquote liegt damit nicht wesentlich höher als in der freien Wirtschaft. 27,7 Prozent der Freiwilligen, die zum 1. Juli ihren Dienst antraten, seien inzwischen nicht mehr bei der Truppe, sagte Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) der "Berliner Zeitung". Ein Sprecher ergänzte, 23,3 Prozent machten dabei von ihrem Recht Gebrauch, in den ersten sechs Monaten ohne Angaben von Gründen ihren Dienst zu quittieren. 4,4 Prozent seien von der Bundeswehr nach Hause geschickt worden. In der beruflichen Bildung von Industrie, Handel und Handwerk geht man für die gesamte Zeit der Lehre von derzeit rund 23 Prozent aus. Früher lag diese Quote auch schon deutlich höher.

De Maizière sieht grundsätzlich keine Rekrutierungsschwierigkeiten auf die Truppe zukommen. Am Rande seines Besuchs in Afghanistan sagte er, die "Zahlen, die wir jetzt haben, sind gut. Besser als erwartet".

Zu den Gründen für das vorzeitige Ausscheiden gehörte laut de Maizière vor allem ein "anderes Jobangebot". Viele Abiturienten hätten nach ihrem Eintritt in die Bundeswehr im Juli drei Monate später doch einen Studienplatz angeboten bekommen. Andere Abbrecher hätten private Gründe für ihren Rückzug angegeben. "Nur wenige sagten, dass der Ton in der Truppe sie abgeschreckt habe oder dass sie sich über- oder unterfordert fühlten", sagte de Maizière der "Frankfurter Rundschau".

Engpässe bei der Rekrutierung sieht der Verteidigungsminister nicht. Zum 1. Januar 2012 werde die Bundeswehr 2650 Männer sowie 170 Frauen als Freiwillige begrüßen. "Damit liegen wir voll im Plan", sagte er. Die Umwandlung der Bundeswehr in eine Freiwilligenarmee ist Teil einer großen Reform, die auch Standortschließungen umfasst.

Für die neue Bundeswehrstruktur hatte de Maizière die Erwartungen an die Zahl der Freiwilligen allerdings stark gesenkt. So sieht seine Planung pro Jahr nur mindestens 5000 Freiwillige vor, während es in früheren Überlegungen noch geheißen hatte, man wolle 15 000 Freiwillige pro Jahr gewinnen. Die Zahl der Berufs- und Zeitsoldaten soll bei etwa 170 000 liegen. Die Stärke der Bundeswehr vor der Reform lag bei 250 000 Soldaten.