10 Euro mehr im Monat für die Bedürftigen. Gewerkschaften: Hartz IV ist nicht armutsfest und immer noch nicht verfassungskonform.

Berlin. Die Rente wurde in diesem Jahr um ein Prozent erhöht. Der Satz für die Bezieher von Hartz IV (Arbeitslosengeld II) steigt mit der neuen Erhöhung nun um gut 4 Prozent inden vergangenen beiden Jahren. Der Regelsatz für alleinstehende Hartz-IV-Empfänger soll vom kommenden Jahr an um 10 auf 374 Euro steigen. Das sagte eine Sprecherin des Bundesarbeitsministeriums auf dapd-Anfrage und bestätigte damit entsprechende Berichte. Die Berechnungen seien nun abgeschlossen. Der Entwurf des Ministeriums werde noch mit den anderen Ressorts abgestimmt. Das Bundeskabinett solle noch im September darüber abstimmen. Der Vergleich mit der Rente hinkt jedoch. Denn ein Standardrentner in Deutschland bekommt gut 1200 Euro im Monat. Und ein Prozent davon sind 12 Euro.

Derzeit gibt es rund 4,6 Millionen erwerbsfähige Hartz-IV-Empfänger in knapp 3,4 Millionen Bedarfsgemeinschaften. Leben Ehegatten oder Lebenspartner zusammen, beträgt der Regelsatz jeweils 90 Prozent des Eckregelsatzes, was nach der Erhöhung einem Betrag von 337 Euro entspricht. Der Regelsatz für Kinder unter sechs Jahren soll um 4 auf 219 Euro steigen. Die Zahlungen für ältere Kinder und Jugendliche bleiben demnach unverändert. Die Erhöhung um zehn Euro ergibt sich aus einer bereits beschlossenen Anhebung um drei Euro sowie einem Aufschlag als Inflationsausgleich.

Grundsätzliche Kritik an der Höhe der Regelsätze kommt weiterhin von Gewerkschaften und Sozialverbänden. „Auch die angekündigte 10-Euro-Erhöhung macht die Hartz-IV-Regelsätze nicht verfassungsfester. Dass für die älteren Kinder gar keine Anpassung erfolgt, ist ignorant und geht an der Alltagsrealität von Familien vollkommen vorbei“, sagte Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbandes, auf dapd-Anfrage. Nach Berechnungen des Verbandes müsste der Erwachsenen-Regelsatz mindestens 416 Euro betragen, um bedarfsgerecht zu sein und den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts zu genügen.

Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) reagierte skeptisch. „Die Ankündigungen des Arbeitsministeriums sind mit Vorsicht zu genießen“, sagte Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach auf dapd-Anfrage. Leider zeigten die bisherigen Erfahrungen, dass die schwarz-gelbe Koalition ausschließlich nach Kassenlage entscheide, statt Hartz IV „armutsfest“ zu machen. Der DGB forderte dazu eine grundsätzliche Reform der Hartz-IV-Regelbedarfsbemessung und die Einsetzung einer unabhängigen Kommission, „die die tatsächlichen Notwendigkeiten transparent und gesellschaftlich akzeptiert festlegt“.

Derzeit wird der Regelsatz auf Basis der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe berechnet, für die 60.000 Haushalte drei Monate lang ihre Einnahmen und Ausgaben offenlegen. Die Sätze werden zudem jährlich zum 1. Januar anhand der Preis- und Lohnentwicklung angepasst. Die Preisentwicklung geht dabei zu 70 Prozent, die Lohnentwicklung zu 30 Prozent in den Index ein.

Grund ist, dass die Einkommens- und Verbrauchsstichprobe nur alle fünf Jahre erhoben wird. Der Index soll in wenigen Jahren von einer sogenannten laufenden Wirtschaftsrechnung abgelöst werden, einer neuen jährlichen, kleineren Verbrauchsstichprobe. (dapd/abendblatt.de)